von Kristoffer Leitgeb, 06.07.2017
Wer hätte gedacht, dass die Beatles solch langweilige künstlerische Kinder hervorbringen können?
Ich hab ja ein klein wenig übrig für One Hit Wonders. Die bringen einen Hauch von Unberechenbarkeit in die ansonsten allzu vorhersehbare Welt der Charts. Und sie bringen einen fast immer entweder zum Lachen oder zum Verzweifeln, machen also mehr Eindruck als manch gestandener Musiker. Außerdem sei gerade diesen armen Geschöpfen, die erdgeschichtlich betrachtet wirklich nur fünf Sekunden davon bekommen, ihr Ruhm vergönnt. So auch dieser Band, die innerhalb kürzester Zeit verdammt erfolgreich war, nur um innerhalb kürzester Zeit so unwichtig zu werden, dass eigentlich keiner mitbekommen hat, dass sie aus Deutschland kommt. Was aber erwartbar ist, wenn man 1995 nach Britpop klingt und die Leute erfolgreichst fadisiert. Außer mit Lemon Tree natürlich.
Dieser Song, seit 20 Jahren Pflichtprogramm in den Schulen dieses Landes und des Landes, das im Norden liegt und so merkwürdige Formen von Deutsch spricht, erfüllt schlicht und einfach die Voraussetzungen eines Pop-Hits. Verdammt eingängig, starke Hook, musikalisch gar nicht einmal schlecht ausstaffiert und mit einem Text gesegnet, der das Banal-Dämliche so hervorragend bedient, dass man den Verantwortlichen kaum böse sein kann. Ergo ist der Song stark. Er klingt auch mit seiner leichtgewichtigen Gitarrenbeschallung, dem Bläseruntersatz und dem wenig komplexen Verbund aus Drums und Klavier nach ein paar der Allerstärksten. Die Beatles dürften ziemlich sicher Inspirationsquelle der ganzen LP gewesen sein, lauscht man der ersten Hälfte, anscheinend zusammen mit Sting. Das ist an und für sich eine garantierte Erfolgsmischung, wenn man denn auf die richtigen Qualitäten im eigenen Repertoire bauen kann und weiß, für welche Songtypen man geschaffen ist.
Fool's Garden wissen es nicht. Der Rest ist nämlich ziemlich fad. Und das ist der Moment, an dem dieser Review schwierig wird, weil Beschreibungen der Tracks im Einzelnen eher im Sand verlaufen würden. Es stimmt zwar, dass man am Opener Ordinary Man zu Anfang mit Baroque Pop spielt, die Streicher und Flötisten ihren großen Moment haben, in Wild Days dagegen sonniger Gitarrenpop zum Einsatz kommt und The Tocsin sich als Pianoballade versucht. Doch in letzter Instanz klingt die Band zu sehr nach einer Beatles-Coverband, die zwar weiß, wie man die Merkmale der Fab Four kopiert - tatsächlich so weit, dass Sänger Peter Freudenthaler im Video zu Wild Days wie ein mäßiges McCartney-Double ausschaut -, aber in den eigenen Kompositionen nicht die Hooks, in der Produktion nicht die Finesse auftischt, mit der man daraus etwas machen könnte. "Dish Of The Day" ist zu glattgebügelt und kein Hauch von Prog in diesem oder jenem Tempowechsel könnte darüber hinwegtäuschen, dass Text und Musik zu keiner Zeit reichhaltig wirken.
Für zwei, vielleicht drei ordentliche Songs reicht das noch. Wild Days ist zum Beispiel im Albumkontext ähnlich verdient Single geworden wie Lemon Tree, wirkt wie ein idealer Vierminüter zum Aufstehen für Menschen, die die Sonnenseite des Lebens ihr Zuhause nennen. Der Rest hat zwar im Hinterkopf immer den Gedanken daran, dass das elendiges Harmoniegedudel ist, dem bestenfalls das präzise Spiel der Band hilft, bekommt aber trotzdem die schlanke Version eines Ohrwurms. Nur scheint das beinahe das einzige Metier zu sein, auf dem sich das Quintett einigermaßen erfolgreich bewegen kann. Take Me ist mit den spröden, in Police-Sphären angesiedelten Riffs und den länglicheren Instrumentalpassagen schon das Äußerste der Gefühle, soll es sich noch gut anhören. Woran man sich sonst anhalten kann, sind passable Auftritte wie die des Openers oder der von Pieces. Da wird dann die lethargische Ader der LP zwar überdeutlich, zumindest bekommt man aber selbst in den schleppendsten Refrains noch die Harmonie im Zusammenspiel mit.
Die geht jetzt theoretisch nie wirklich verloren. Allerdings läuft die zweite Hälfte des Albums so eindruckslos an einem vorbei, dass man sich noch eher bei The Fray Hochspannung erwarten würde. Da fällt es Fool's Garden dann eben auf den Kopf, dass man das vermeintlich emotionale Klavier-Stück The Tocsin mit der Überproduktion, den Streichern und den kitschigen Akustik-Zupfern ins Tal der Melodramatik stürzt und nicht mehr von dort zurück will. Und dieses schwer zu beschreibende Etwas, das Finally darstellt, verendet überhaupt kläglich irgendwo dort, wo die finale Version der Langeweile ihre Heimat hat.
"Dish Of The Day" muss nicht dorthin. Der ersten Albumhälfte sei Dank, die die Grundzüge eingängiger, lockerer und mit Beatles-Avancen angereichertem Pop-Rock. Der haut einen nicht vom Hocker und die Chancen stehen ganz gut, dass er dazu auch gar nicht gedacht war. Was vielleicht die Frage aufwerfen sollte, warum man sich mit solch einem kantenlosen Sound begnügt, dessen wahrnehmbare mutige Komponente einzig und allein die ist, dass man sich als klangliche Inspiration anscheinend die berühmteste Band der Welt ausgesucht hat. Dass man daran mehr oder weniger zerschellen würde, wird im Vorhinein ohnehin jedem klar gewesen sein, zumal keiner die Ambition gehabt haben wird, die Briten tatsächlich zu überflügeln. Dieser Plan bleibt den Gallagher-Brüdern vorbehalten. Wie fad man als Beatles-Abklatsch wirklich sein kann, wird allerdings bei Fool's Garden keiner geahnt haben.