von Mathias Haden, 18.11.2016
Erfolgsverwöhnte Rocker auf heiliger Grammy-Mission.
Letzte Woche habe ich es ja schon durch die Blume anklingen lassen, heute sage ich endlich, was sich jeder, der zumindest drei Platten im Regal stehen hat, schon seit bald sechzig Jahren denkt: Die Grammys sind ein Witz! So, jetzt ist es raus. Während das filmische Pendant, die Oscars, trotz geschobenen Partien hinter geschlossenen Türen dank Show und Spannungsfaktor nach wie vor bannende Minuten für Nachtschwärmer und unverbesserliche Cineasten bereithält, ist die größte Preisverleihung der Musik mittlerweile tatsächlich auf einem Niveau angekommen, auf dem es sich Telenovelas und das Dschungelcamp längst gemütlich gemacht haben. Einst noch heiß umkämpft, gleicht eine Grammy-Nominierung in den meisten Kategorien eher einer künstlerischen Beleidigung. Und wer in der belanglosesten Phase seiner Karriere innerhalb von zwei Jahren zehn Nominierungen einheimst, um den dürfte es wohl noch schlechter stehen, als um den lächerlichen Grammy-Zirkus. Willkommen in der Welt der Foo Fighters, Mitte der Noughties.
Fragt man das Quartett um den breitbrüstigen Frontmann und Ex-Nirvana-Drummer Dave Grohl, lauern überall vielseitig strahlende Facetten. Namen wie The Zombies, Steely Dan oder Eagles liest man als Inspirationsquellen, hören tut man davon am sechsten Album der Amerikaner nicht viel. Und willkommen in der Welt von Echoes, Silence, Patience & Grace. Eine Welt, der es wahrlich nicht Ambition und Mühe zu mangeln scheint, immerhin haben die Foos erkannt, dass es weder gesund ist, lediglich auf harte Riffs und ordentlich Rumms zu setzen, noch ihrer soften Seite wieder eine ganze LP eines Doppelalbums (In Your Honor) zu widmen. Auch deshalb wirkt das 2007 veröffentlichte Werk deutlich ausbalancierter als der Vorgänger, der sich auf über 80 Minuten zuerst der Härte verschrieb und dann gänzlich die akustischen Gitarren sprechen ließ. Diesmal finden sich Elemente aus beiden Welten zu gleichen Ausmaßen, die ein an und für sich schönes Wechselspiel ergeben. Fans der dynamischen Rocker früherer Tage können sich sofort mit Opener und Lead-Single The Pretender verbunden fühlen, die mit brachialer Wucht und beißendem Gebell Türen einreißen kann.
Dass man die Rocker eigentlich gar nicht so gerne ambitioniert hören will, wird auf Echoes, Silence, Patience & Grace erst so richtig bewusst. Denn wenn man etwas auf einer Foo Fighters-LP nicht unbedingt hören will, dann ist das ein üppiger Breitwandsound mit Streichern - was besonders bei der sterbenslangen Closer-Ballade Home den Leidensweg prolongiert - und schmalzigen Keyboards. Daneben klingt das reduziert instrumentierte, countryeske Akustik-Instrumental Ballad Of The Beaconsfield Miners wie ein kleines Meisterwerk, an seiner Stelle zwischen dem risikolosen Alt-Rocker (Tipp: Alt steht hier mal nicht für Alternative) Summer's End, das mit seiner faden Melodie und seinem zahnlosen Geschrammel auch von Nickelback sein könnte, und Statues, dem Stück auf der LP, das tatsächlich so klingt, als würde man den alten Helden nacheifern, irgendwie fehl am Platz. Den Hauch Pop-Appeal, der auf LP #6 in zyklischen Intervallen heranrückt, nimmt man allerdings gerne in Kauf, immerhin gehen damit einige der besten Minuten einher. Zum einen natürlich Long Road To Ruin, die obligatorische Pop-Rock-Single mit helleren Gitarren, Keyboards und sogar von einer Laute unterstützt. Daneben das leichtfüßige Cheer Up, Boys (Your Make-Up Is Running), auf dem der anderswo für seinen Humor bekannte Grohl zumindest im Titel mal wieder ein paar gewitzte Worte in den Ring wirft; der Song ist insgesamt weniger humorvoll: "Still, I get this feeling / No one will believe me / When I let these ghosts outside my head."
Dazu finden sich etliche Tracks auf der LP, die mit einem gewitzten Aufbau reüssieren wollen - nicht selten spärlich und ruhig eingeleitet, bis zum endgültigen Ausbruch mit jedem Moment lauter und dynamischer werdend. Ganz gut aufgehen tut diese Idee bei But Honestly, das seinen Charme vor allem den rollenden Drum, seinen knackigen Riffs und einer ordentlichem Melodie verdankt, weniger gut funktioniert selbiges auf Come Alive, das nach seinem Klimax rasch wieder in träge Muster zurückfällt, während Grohl wieder krächzt und sich windet - und besser denn je singt, wie ich mir habe sagen lassen.
Bäume reißen die Foo Fighters aber auch auf diesem Terrain, das die beiden Marschrouten des letzten Albums in ein und demselben Track vereint, nicht mehr aus. Viel zu behäbig ist Echoes, Silence, Patience & Grace die meiste Zeit über und wenn die Performance einmal passt, ist der zugehörige Song oftmals weit weg davon, überzeugen zu können. Der wohl positivste Aspekt bei diesem über weite Strecken höchst durchschnittlichen Album ist scheinbar ohnehin der, dass dem pathetischen Albumtitel im positiven Sinne nur selten gerecht wird. Stattdessen klingen Grohl Co. über 50 Minuten einfach so, wie eine Bande gestandener Rocker auf ihrem sechsten Album eben klingt. Mit facettenreicherem Sound, aber ohne Feuer. Muss ja reichen. Besonders, wenn der Druck beim Frontmann längst weg ist, Geschichte schreiben zu müssen - oder aber, wenn man einen Grammy einheimsen möchte.