von Mathias Haden & Daniel Krislaty, 05.09.2015
Zwei Schwedinnen zelebrieren ihre Liebe für Amerika mit zauberhaftem Folk.
Der Folk, er hat eine verdammt lange Tradition. Praktisch in jeder Region in irgendeiner Form einmal vertreten, sind es für den modernen Kritiker in erster Linie der britische Electric-Folk und der amerikanische Folk-Rock, die auch heute noch enorme Relevanz genießen. Gerade um die Reputation von Letzterem bemühen sich Künstler, nicht nur englischsprachiger Herkunft, sondern gerne auch von rund um den Globus, wie etwa aus dem urigen Schweden. Dies bringt uns, vorbei an Astrid Lindgren und den Bergmans, direkt zu Klara und Johanna Söderberg, den zauberhaften Folk-Schwestern aus dem hohen Norden.
Die versuchen nämlich auf ganz gewitzte Art und Weise, amerikanischem Folk ihre himmlischen Stimmen zu leihen, später sogar noch einen Drauf zu setzen und vollkommen ins Country-Terrain vorzudringen (- aber das ist eine andere Geschichte). Anno 2012 dominierten in den Herzen der Schwestern noch magische Arrangements und träumerische Lyrik, die die Ästhetik des mystisch behauchten Artworks der zweiten LP The Lion's Roar auch bestens vertont. Besonders die glockenklaren Harmoniegesänge der beiden werden dabei zum großen Vorzug, wie schon der Opener und Titeltrack höchst dankbar zur Schau stellt. Auf diesem vereinen die Söderbergs all das, was sie am Vorgänger gelernt haben und erweitern ihre grazile Folk-Anmut um eine dezente Note beschwingter Pop-Sensibilität, liefern die erste von etlichen herrlichen Melodien und stellen auch direkt ihr Talent für Killer-Hooks unter Beweis.
Unter den Fittichen von Produzent Mike Mogis, der auch seine Fähigkeiten als Multiinstrumentalist munter einfließen lässt, verlaufen auch die folgenden neun Stücke ganz im Zeichen des künstlerischen Erfolgs. Zum zentralen Stück der LP mausert sich dabei Emmylou, eine liebevolle Hommage an Emmylou Harris, Gram Parsons, Johnny Cash und June Carter. Hier lässt sich auch der schleichende Übergang von Folk zu Country niederpinnen, denn Mogis Pedal Steel gibt der verträumten Melodie und den nicht irdisch scheinenden Harmonien noch einen weiteren Grad an Tiefgang. Das vergleichsweise abgespeckte Blue überzeugt mit seinem lässigen Glockenspiel und seinem Sixties-angehauchten Gesamtsound, während I Found A Way in der Kombination aus barocker Instrumentierung und einer Klara Söderberg, die mit ihren knapp 19 Lenzen die Show ihres Lebens abliefert, Tränen der Freude ins Gesicht zaubert. Auch In The Hearts Of Men ist nicht minder großartig und selbst der schwungvolle Closer The King Of The World, mit Gastaufritt von Conor Oberst (Bright Eyes), funktioniert in seinem starken Kontrast zum auf Balladen fokussierten Rest des Albums blendend.
All Killer, no filler könnte man an dieser Stelle lautstark herummeinen, denn auch beim Rest gibt es keinen Ausfall - auch wenn sich bei kurzer Observierung die erste Seite der zweiten doch klar überlegen gibt. Damit verabschiede ich mich auch schon mit schallendem Beifall für die Söderbergs und ihrem Exkurs in Sachen Folk und lasse dem Kollegen noch etwas Platz zum Weiterjubeln, die zweite LP der Schwedinnen hat es sich jedenfalls redlich verdient!
M-Rating: 8 / 10
Folkin’ around auf schwedisch.
"This is for you Fleet Foxes, it’s a little gift from us." Mit diesen Worten stellt Johanna Söderberg sich und ihre jüngere Schwester Klara im skandinavischen Wald des Sommers von 2008 der Welt vor. Umringt von Nadelbäumen folgt ein erstklassiges Cover des idyllischen FF-Titels Tiger Mountain Peasant Song, in welchem das verschmitzt aus dem Youtube-Video guckende Teenagerduo eine erstaunliche gesangliche Übereinstimmung beweist. Nur eineinhalb Jahre später wussten die Geschwister aus Stockholm ihre Liebe zum amerikanischen Folk mit ihrer ersten LP The Big Black and the Blue auf Vinyl gepresst und die Musikwelt, dass mit First Aid Kit als neues heißes Nachwuchseisen zu rechnen sein wird.
Und das rasch anwachsende Publikum musste nicht lange in Erwartungsfreude verharren, bis das Versprechen für die Zukunft des Albumerstlings eingelöst wurde. Der folgende Streich, The Lion’s Roar, bleibt der Linie des Duos treu und dringt noch tiefer in die Musikszene Amerikas ein. Befürchtungen, die nunmehr auch wirklich amerikanische Produktion könnte den schwedischen Prinzessinnen im Folkgewand die Kronen durch weichgespülte und poppigere Melodien verrutschen, halten nicht lange stand. The Lion’s Roar und Emmylou eröffnen den Reigen wirklich hinreißender Lieder und zeigen eindrucksvoll, dass die Schwestern ihr Gespür für engelsgleiche Harmoniegesänge wenn überhaupt nur noch weiter verfeinern konnten. Aber nicht nur gesanglich wirken die beiden erwachsener und erfahrener, sondern auch textlich haben sie einen Reifeprozess hinter sich und malen ihre wunderbaren Gemälde in den Köpfen der Hörer neben ihren Stimmen auch mit Worten. Ebenjenes Emmylou, das – richtigerweise erwähnt – zentrale Lied des Albums, kombiniert einen wunderbar ins Ohr gehenden Refrain in Gedenken an alte Musikhelden mit ebenso schönen persönlichen Strophen. Als Abwechslung zum moody Folk gibt’s für den mehr als gelungenen Country-Anstrich ebenso nur Pluspunkte.
Der Spannungskurve zuträglich ist auch die dicke Palette an musikalischen Möglichkeiten, wie das ausgewogene Streicherensemble im Finale des zu Anfang leisen To a Poet zeigt. Die ruhig voranpreschenden Trommeln von Dance to Another Tune oder die in sanfte Percussions getränkte Komposition von Blue sind nette Leckerbissen für jede erneute Begegnung mit The Lion’s Roar. Neben den fein nuancierten Balladen In the Hearts of Men sowie Dance to Another Tune, welche das Scheinwerferlicht verstärkt auf den beeindruckenden Gesang richten, wildert This Old Routine abermals in bedachtsamen Country-Gehegen. Wie oben zu lesen, schließt das schöne Abenteuer The King of the World in entfesselter Trompeten-Begeisterung, der Conor Oberst teilweise seine Stimme leiht.
First Aid Kit liefert eine tolle Talentprobe ab. Auf durchwegs hohem Niveau überzeugt die Kette abwechslungsreicher Folkliedchen auf ganze Linie und stellt für Johanna und Klara – wenn ich so unförmlich sein darf – eine gelungene Entwicklung zum Albumerstling dar, weshalb ich mich nun schlicht meinem Vorsprecher anschließen und zufrieden mitapplaudieren möchte.
D-Rating: 8 / 10