von Kristoffer Leitgeb, 10.07.2015
Like father, like son. Stings Filius ist trotzdem nicht der Pop-Hero unserer Zeit.
In die mittlerweile stattliche Reihe philosophischer Zitate auf MusicManiac reiht sich nun auch der Misanthrop des Vertrauens, Gregory House, ein:"We're all screwed up by our parents." Wer nun Lebens- und Leidensgeschichten austauschen will, muss das in einschlägigen Selbsthilfegruppen tun, die Zeit hier wird lieber für einen Blick auf Joe Sumner, Sohn von unser aller Pop-Darling Sting, verwendet. Wie 'screwed up' der ist, lässt sich aus der Ferne nicht ganz beurteilen, zumindest das Schicksal des strauchelnden Musikus ist ihm aber nicht erspart geblieben. Da ähnelt er einem Jakob Dylan, der seinen Namen als Wallflowers-Frontmann aber immerhin in den 90ern zu Geld gemacht hat. Sumner ist das mit seinem Fiction Plane, dem dynamischen Dreigespann im funkigen Indie-Eck bisher nicht ganz gelungen. Stattdessen grundelt er im Nirgendwo herum, fabriziert Reminiszenzen an den Vater und solche, die es gerne wären. Die dritte LP "Sparks" macht da nur zwangsweise Ausnahmen.
Das schwere Erbe sollte eigentlich dadurch erleichtert werden, dass Joe genauso klingt wie der Papa. Also wirklich genauso. Ein bisschen rauchig, ein bisschen hoch, ein bisschen quietschig. Daraus ließe sich etwas machen und die Übung gelingt zu Anfang einigermaßen. Zumindest Seton Daunt, seines Zeichens Guitarero der Band, scheint sein Handwerk verstanden zu haben und spielt sich staubtrockene Riffs mit dem richtigen Drive von der Seele, die dank in ähnlichem Maße verzierungslosen Drums auch gleich noch ein Schäuferl zulegen. Und weil man unweigerlich einen leichten Funk- und Reggae-Vibe raushört, wenn mit You Know You're Good (La La La Song) eröffnet wird, fühlt man sich dann doch ein klein wenig zurückkatapultiert in die frühen 80er. Das Gefühl läuft sich dann in aller Bälde etwas Tod, vor allem weil wirklich nur das Nötigste passiert, um den prinzipiell netten, der Einfachheit verpflichteten Sound zu variieren. Man ist aber dann irgendwie ganz froh drüber, dass da keine wagemutigen Experimente zur gezwungen Abgrenzung gestartet werden, sich stattdessen aber poppige Melodien und die markanten Vocals ein Stelldichein geben.
In verfeinerter Form bringt einen das überhaupt gleich mal dazu, der Band ein kleinlautes Bravo! entgegenzurufen. Push Me Around gibt sich anfangs gesitteter, spielt sich mit dem Widerspruch der sonnigen Reggae-Bassline und Riffs einerseits, der schwelenden Wut im Abrechnungssong mit der einzig Wahren andererseits. Heraus kommt ein Track, der dank Sumners starker, smoother Performance am Mikro und dem eingängigen Refrain umgehend Hit-Potenzial beweist. Geradlinig rockig gibt's auch zu bestaunen und das macht in Form von Talking auch einiges her. Mit nur einem Gitarristen läuft man auch dabei nie Gefahr, das sympathische Stimmchen zu sehr zu überdecken, macht aber gleichzeitig mitsamt der treibenden Rhythm Section genug Dampf, damit der abgehackte Sound möglichst wenig störrisch daherkommt. Spätestens mit dem kurzen Solo hat man dann den Favoriten der Platte gefunden, der für Police ein Welthit geworden wäre, hier aber am Erdenrund ungerechtfertigterweise vorbei gegangen ist.
Nach dem etwas gar ähnlichen Revenge tut man auf Seiten der Briten aber einiges, damit man nicht zu sehr um sie weinen will. Denn diese anfänglichen Appetithappen, die sich erfolgreich in den Ohren halten und einen Typen zeigen, der wenig daran nagen dürfte, dass der Vater eigentlich genau das gleiche Jahrzehnte vorher abgezogen hat, scheinen wenig später nur ein Ablenkungsmanöver. Denn die musikalische Erkundungstour, sie folgt noch. Und weil Sumner die Stimme für ein neues Every Breath You Take fehlt und er auch kein Interesse an großen Balladen zu haben scheint, mutiert man viel eher zu einer ruhelosen Truppe, die sich in immer neuen Richtungen unnötig verläuft. Nicht umsonst beginnt da Hälfte zwei gleich mit dem schrägen Tommy. Warum man den eingängigen Up-Tempo-Sound so eilig eintauscht gegen den trägsten aller möglichen Hard-Rock-Riffs, es bleibt ein Rätsel. Und alles ward lähmend, kommt es einem, während sich die Band mit merkwürdigen Instrumentalpassagen ohne Ziel und Richtung, dafür mit plötzlich aufdrehendem Drummer rauszustrampeln versucht. Eine mächtige Bassline gibt das her, ansonsten rettet es einen mühsamen Refrain wie diesen und den drückenden Rest aber nicht im Geringsten.
Das wäre noch verschmerzbar, doch man gibt blöderweise nicht klein bei und präsentiert einem nur mehr wenig erbauliche Überlängen. Die janglige, emotionslose Emotionsladung von Denied wird da genauso zur schwierigen Übung wie der abschließende Sadr City Blues, bei dem man mit abgehacktem, hartem Riff zwar diesmal mehr richtig macht, auf sechs Minuten aber auch zu viel Leben aus den letztlich zu substanzlosen Kompositionen saugt. Da fallen die plötzlichen Kraftakte in den starken Gitarrensoli von Daunt auch kaum noch ins Gewicht. Viel schwerer wiegt dann das mühsame Schauspiel von Russian LSD, das sich im Polka- und ein bisschen sogar im Country-Milieu austobt, damit aber rund um den hypnotisierenden Beat eher einschläfernde Arbeit leistet.
In dieser mäßigen Suppe merkwürdiger Ausbruchsversuche aus dem anfangs so angenehmen Jangle-Pop-Trott hält nur Humanoid wirklich die qualitative Fahne hoch. Dort ergibt die Bassline zusammen mit den kühlen Riff-Spritzern dann doch einmal atmosphärischere Töne, die vor allem vom klangvollen Jaulen Sumners im Refrain verstärkt werden. Und da darf dann wirklich für ein Mal ein härterer Gang eingelegt werden. Der wird nämlich schön eingesperrt in die kurze Bridge und sorgt dort für Abwechslung vom umgebenden Understatement.
Trotzdem schaut man zum Ende eher ein bisschen enttäuscht auf die erste Hälfte der LP und fragt sich, warum denn der väterliche Esprit nur dort sein Unwesen treiben durfte. Wenn der nämlich durchscheint, dann brauchen Joe Sumner und seine Band Fiction Plane nämlich den Vergleich gar nicht so sehr zu scheuen. Den Jahrhundertsong hat der Mann wohl nicht in sich versteckt, doch mit lockerem Pop-Rock kennt er sich dann doch wieder aus. Der führt ein Schattendasein, ach, eigentlich überhaupt kein Dasein in diesen gezwungen wirkenden Episoden, die sich störrisch und alles andere als eingängig geben in ihrem Versuch, Emotionen aufzubauen, wo eigentlich keine rauszuholen wären. Ergo sprühen bei "Sparks" nur manchmal einige Funken, dort aber wenigstens in brauchbarer Form. Ob der Papa da bei der Erziehung gepfuscht hat, wer weiß. Das Album wird aber mal mit Sicherheit kein allzu stichhaltiger Gegenbeweis sein.