von Kristoffer Leitgeb, 28.05.2019
Angenehme Harmlosigkeit für alle, die gern desinteressiert sind.
Der Terminus Pop-Rap sollte ja eigentlich ein Paradoxon sein. Nicht, weil man nicht beides miteinander verbinden könnte, sondern weil es dem Hip-Hop-Selbstverständnis irgendwie nicht wirklich entspricht. Wenig überraschend ist dieses Subgenre auch nicht unbedingt das beliebteste unter den Hip-Hoppern. Auch in Deutschland nicht so wahnsinnig, obwohl es dereinst die poppigsten aller Rapper waren, die als "Neue Schule" erst dafür gesorgt haben, dass die Leute auch in Massen zuhören, wenn gerappt wurde. Immerhin waren es die Fantastischen Vier, die den Durchbruch des Genres gebracht haben und durch die ein gewisser Hype ab Mitte der 90er erst möglich wurde. Ob das jetzt gut ist oder nicht, sei dahingestellt. Insbesondere im Lichte der Entwicklung, die deutscher Hip-Hop seitdem durchgemacht hat, sollte man allerdings skeptisch bleiben, umso mehr in Zeiten, in denen gerade in diesem ehemals dem Kommerz fernen Genre Streams gekauft werden, um in die Charts zu kommen. Fettes Brot haben damit wenig zu tun, mit der Existenz des Pop-Rap im deutschsprachigen Raum dann aber doch wieder. Und sie sind ein Sinnbild für die Stärken und Schwächen des gesamten Genres.
Denn Fettes Brot sind, vor allem in ihrer kommerziellen Hochphase, meistens wunderbar unanstrengend und harmlos. Man kann sich darauf verlassen, dass einen das Hamburger Trio nur ganz selten verstört, sondern meistens mit wenig ausgefallener klanglicher Vielfalt antanzt und damit so manch kurzweiligen Soundmix auf ihren Alben verarbeitet. "Demotape" ist da nicht anders, auch wenn es dahingehend in eine stilistische Übergangsphase fällt, weg vom standardmäßigen Hip-Hop, hin zu zunehmend in anderen Genres verwurzelten Songs. Die LP lebt entsprechend in einer Zwischenwelt, gibt sich oft genug minimalistisch, arbeitet mit 90er-Methoden, sampelt auf der einen Seite feuchtfröhlich, verlässt sich auf den stark eingespielten Bass und kann trotzdem mit Anleihen am Jazz, Blues, Reggae, Rock und so manch anderem aufwarten. Natürlich lässt sich über die Effektivität dessen debattieren, doch Fettes Brot haben oft genug ein Gefühl für Genresprünge und die Vermählung unangriffiger Beats mit klanglichen Spielereien bewiesen. Entsprechend können auch die bekannten Singles, Schwule Mädchen und The Grosser auf der Ebene überzeugen, wobei ersteres zwar wunderbar stumpf ist, aber mit der lauteren, aggressiveren Gangart weit eher punktet als der gemütliche, aber trotz nettem Bläsersatz etwas stolpernde Blues von The Grosser.
Auf musikalischer Ebene gibt es also eigentlich nicht viel zu bemängeln, was nicht heißt, dass man sich dahingehend mit einer wahnsinnigen Macht konfrontiert sehen würde. Aber was geboten wird, ist sehr in Ordnung, gefällt in Oh La La mit Akkordeonklängen, in Motherfucker mit starken Scratches, in Ich Hasse Das dafür mit lockeren, abgehackten Gitarrenriffs. Kurzweilig klingt das zumindest lange genug, auch wenn man in der zweiten Albumhälfte zunehmend damit zu kämpfen hat, dass eben doch wenig beeindruckt, sondern eher brustschwach an einem vorbeiläuft und die kristallklare Produktion eher entschärft als irgendetwas Großartiges hervorbringt. Da überrascht es wahrscheinlich auch weniger, dass der überzeugendste Track einer ist, der sich am deutlichsten dem klassischen Hip-Hop zuwendet. Fast 30 mixt verdammt gut die Funk-Gitarre mit lockeren Scratches und dem einen oder anderen Soundsample im Hintergrund, hält sich aber soundtechnisch zurück und überlässt dem Beat, dem Bass und dem starken Rap des Trios und den Gästen von Skunk Funk viel Raum.
Der Song ist auch auf einer anderen Ebene ein positiver Ausreißer, überzeugt er doch zeitweise auch textlich als Abrechnung mit zu früh Altgewordenen:
"Weißt du, was mich echt wundert? Nee, du weißt nix!
Du tust als wärst du Hundert wie Methusalix
Nicht dass ich irgendetwas daran spießig find...
Glaub nur nicht, dass wir beide Jahrgang '73 sind
Dieses „Früher, als ich jung war“ ist genau deine Nummer
An dir nagt nicht der Zahn der Zeit, er hat richtig Hunger"
Doch selbst das ist ein begrenztes Vergnügen und damit wendet man sich unweigerlich dem ernüchternden Part des Albums zu. "Demotape" ist einfach uninteressant, weil es nichts zu sagen gibt für die Hip-Hopper. Ja, Motherfucker ist ein ordentlicher Angriff auf manche Abgründe des Rap, Ich Hasse Das dagegen eine monotone, aber oft genug nachvollziehbare Aneinanderreihung wenig sympathischer Alltagserscheinungen und gesellschaftlichen Phänomenen, die einen ein irgendwann in die Misanthropie treiben könnten. Das war es dann aber eigentlich auch schon mit dem herzeigbaren Inhalt, was auf zumindest einem Dutzend nennenswerter Tracks aufgerechnet etwas gar wenig ist. Der Rest ist nämlich einfach wenig, was weniger die Rhymes betrifft, sondern eher die wirkliche Aussage. Auf dem Gebiet sind Fettes Brot oft genug einiges schuldig geblieben, hier genauso. Das soll nicht bedeuten, bedeutungsschwangere Ergüsse wären ein Muss. Auch so etwas wie Schwule Mädchen hat seine Daseinsberechtigung. Doch das Album ist zu oft eine irritierende Mischung aus belanglos und spaßfrei, nimmt man sich die Texte zur Brust. Warum man sich beispielsweise Könnten Sie Mich Kurz Küssen? anhören sollte, bleibt ein Rätsel, genauso wie der Mehrwert von Oh La La.
Schade ist es schon, allerdings überrascht es nicht. "Demotape" ist ein Fettes-Brot-Album von vielen, musikalisch insgesamt sicher angenehmer und geschmackssicherer, aber auch auf der Ebene und noch viel weniger auf der inhaltlichen sonderlich gehaltvoll. Es interessiert einfach nicht wirklich, was über diese knapp 50 Minuten hinweg passiert, weil der Großteil mit zu wenig Nachdruck, zu wenig Spaß und zu wenig interessanten musikalischen Facetten daherkommt. Womöglich ist das der Preis dafür, dass die Hinwendung zu einem poppigeren und sicherlich ultimativ vielschichtigeren Sound eine leichte Verdaulichkeit mit sich bringt, die einem umgehend vermittelt, dass man da nicht sonderlich viel vorgesetzt bekommt. Damit kann man leben, aber die Anziehungskraft ist eine höchst mäßige, womit bewiesen wäre, dass Fettes Brot dem Pop-Rap alle Ehre machen.