von Kristoffer Leitgeb, 17.12.2014
Die Hamburger geben einem sowohl die passende Frage als auch die Antwort: Soll das alles sein? ... Wie immer!
Der deutschsprachige Ableger dessen, was irgendwann von den Beastie Boys, 2Pac oder Nas dominiert wurde, ist irgendwie schwierig. Und mit schwierig meine ich natürlich mies. Auch wenn ich mit dieser Aussage der stupiden Verallgemeinerung erliege, diese Hip-Hopper sind ja wirklich nicht auszuhalten. Aushängeschilder wie Bushido und Sido einerseits, Fanta 4 andererseits? Das ist lächerlich. Entweder findet man sich in den schwachsinnigen, zum heftigen Kopfschütteln anregenden Tiraden über die schlimme Jugend und die dummen, dummen Konkurrenten - im besten Falle klarerweise garniert mit einer solchen Flut an nicht kindgerechtem Vokabular, dass es schon wieder zum Lachen ist. Oder aber man bewegt sich in den Sphären von Fettes Brot. Party-Rap mit fragwürdigen Titeln wie Schwule Mädchen oder Bettina, Zieh Dir Bitte Etwas An. "Am Wasser Gebaut" ist da nur bedingt eine Ausnahme. Und ich merk schon, das Kopfschütteln kündigt sich an.
Vorerst noch nicht, denn die Richtung, in die sich die Hansestädter vorwagen, ist durchaus eine ehrenwerte. Ganz so kindisch wie früher nicht mehr, vor allem aber musikalisch hat das Trio einen guten Satz gemacht. Denn auch wenn Emanuela als Hitsingle das typische Publikum bestens bedient hat, spätestens mit An Tagen Wie Diesen war dann mehr herauszuquetschen aus der LP. Die hat in Wahrheit auch nur mehr wenig mit Hip-Hop zu tun, spielt sich großteils mit streichelweichen Beats und vielfältigen Soundkombinationen aus allerlei Stilrichtungen. So versprüht die prägnante Leadsingle mit ihrem Ohrwurm-Refrain dank spärlicher Gitarreneinsätze und Keyboard dezenten Latin-Charme, wildert aber gleichzeitig in den Discos Deutschlands. Und das nicht unerfolgreich, einen ordentlichen Ersteindruck kann man auch bei der kürzesten Halbwertszeit nicht leugnen.
Manch anderes tut sich aber schon damit äußerst schwer. Die prüde Eröffnung Wie Immer stellt die übliche Party-Nummer der Band dar, ist aber mit dem selbstverherrlichenden Text und der defensiven Performance aller Beteiligten nicht viel wert. Ähnliches gilt auch für Die Meisten Meiner Feinde, das sich als kleine Revanche an Kool Savas richtet. Das auch ziemlich gut...für etwa 20 Sekunden zumindest. Die Keyboard-Hook zeigt sich äußerst anstrengend, ähnlich wie der schwächliche Sing-Sang, der weder angriffig, noch erfrischend dynamisch genannt werden kann. Schlicht nichts, was einem die fünf Minuten versüßen könnte. Lediglich die kurz eingestreuten Samples anderer Rapper machen sich vor allem im Kontext ordentlich, summieren sich letztendlich aber auch nur zu ein paar wenigen Sekündchen.
Zu passiv ist so manches. Eine Folge des ruhigeren, vom Soul geprägten Stil des Albums. Während also Langweiler keine Seltenheit sind, zeigen vor allem die Singles, wie es auch gehen könnte. Soll Das Alles Sein markiert einen wirklichen Höhepunkt für die Hamburger, wenn es an die Ernsthaftigkeit der Texte geht. Der Blues- und R'n'B-inspirierte Track gibt sich als rapbefreite Ballade äußerst stimmig, punktet mit dem Thema der verzweifelten Alleinerzieherin. Auch ohne verwertbare Stimmen baut man so Atmosphäre auf, die zu einem großen Teil auch der gut eingespielten Gitarre geschuldet ist. Ähnlich, nur besser: An Tagen Wie Diesen. Wie erfinderisch ein Song über allerlei zum Alltag gewordene Tragödien ist, ist fraglich. Dank des starken Samples von Falcos Jeanny, der mit Sicherheit besten Vorstellung des Trios und dem starken Gastauftritt von Pascal Finkenauer ergeben sich aber in der Gesamtrechnung die stimmigsten und ertragreichsten Minuten des Albums.
Vielleicht hätte man da doch noch einmal darüber nachdenken sollen, ob dort nicht mehr herauszuholen ist. Denn die gebotenen Alternativen machen wenig her. Lauterbach ist die grausame Erinnerung daran, wo Fettes Brot ihre Wurzeln haben. Gerappt wird wenig und wenn doch, dann schwach, mit wuchtigem Elektronikbeat und grässlich-penetrantem Refrain sammelt der Track zusätzlich Minuspunkte. Kuba gibt sich dann als Mix aus Latin und R'n'B im Ansatz vielversprechend. Björns Soloauftritt mit dezenter weiblicher Unterstützung entfaltet aber eher eine einschläfernde bis beunruhigende Wirkung. Unheimlich billig klingt das Gemisch aus mäßigem Beat, miesen Keyboard-Sounds und grässlichem Refrain.
Auf diesem Feld des locker-leichten Party-Sounds macht sich die Band nur noch einmal wirklich gut. Falsche Entscheidung profitiert von den gut geschriebenen Lyrics mit einer ordentlichen Prise Humor, kann aber auch mit dem besten Beat des Albums und starkem Rock-Sample aufwarten. So wird der Abschied der drei doch noch zu einem durchaus versöhnlichen.
Was nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass hier ziemlich viel ziemlich falsch läuft. Die Hamburger wissen aber auch wirklich nicht, was sie wollen. Soll es jetzt erwachsener Soul-Pop oder hirnloser Party-Hip-Hop sein? Beides ist da, beides gibt sich mitunter kurzweilig und gut umgesetzt. Blöderweise nicht oft, denn die Überschneidungen der beiden Felder, zusammen mit der Idee einfach einmal den mickrigen Experimentierkasten aufzumachen, sind langweilig bis miserabel. Vor allem die Singlewahl ist dem Trio gelungen, die entpuppt sich aber recht schnell als gefinkeltes Täuschungsmanöver. Viel versteckt sich nicht hinter der ordentlichen Fassade. Wer am Wasser baut, sollte vielleicht doch zusehen, dass er nicht so leicht untergeht.