von Kristoffer Leitgeb, 01.02.2020
Neuer Name, neuer Mut. Und damit auch gleich der frühe, vielseitige Höhepunkt des FJM.
Mag auch Kritikerliebling Father John Misty ein rechter Neuling auf dem Musikradar sein, so ist der dahinter verborgene Josh Tillman ja doch schon ein älterer Hase im Geschäft. Anscheinend hat es aber die namentliche und damit auch künstlerische Erneuerung gebraucht, um für mehr bekannt zu sein als dieses eine Album der Fleet Foxes, auf dem er mitgespielt hat. Ein bisschen eine Flucht nach vorne ist es gewesen, weil die Jahre davor damit zugebracht wurden, Townes Van Zandt oder Nick Drake nachzueifern. Schafft man es irgendwann dorthin, kann man sich zwar zu den besten Songwritern des Folk und wohl auch überhaupt zählen, muss aber damit leben, dass das eine ziemlich einsame und unglückliche Geschichte sein wird. Erfolgschancen quasi 0, Depressionswahrscheinlichkeit 115%. Und weil das zwar der Romantik des einsamen Songwriters zuträglich ist und manch seelischen Abgrund in die Musik übertragbar macht, ansonsten aber eher trist ablaufen könnte, kann man Tillman wohl dazu gratulieren, den Schritt aus diesem für ihn zum Jammertal gewordenen Schicksal getan zu haben. Das macht man auch gleich umso lieber, wenn "Fear Fun" diese Wurzeln größtmöglich bewahrt und darauf verdammt viel erblühen lässt.
Das lässt sich insbesondere für die musikalische Ebene anführen. Tillman erweist sich dahingehend als begnadeter Arrangeur, der sich dem dezentesten Folk genauso annehmen kann wie Anflügen von rauem Indie Rock, lockerem Klavier-Rock, mächtigen, dem Country entwachsenen Serenaden und dezenten Gospel-Einflüssen. Die LP wird damit - das ist sehr schnell klar - eine von vielfältiger Geschlossenheit, deren Zusammenhalt sicher auch auf der markanten, sanften Erdigkeit von Tillmans Stimme fußt. Deren Charme hilft auch dabei, manche der kryptischen, exzentrischen Zeilen zu verarbeiten, die da so gesungen werden. Bald einmal stellt man allerdings fest, dass auch beim offensichtlich großen Gewicht, das Father John Mistys Worten mitgegeben wird, die Musik das wirklich beeindruckende Um und Auf hier ist. In seinen zahlreichen großartigen Minuten bringt das dem Album eine kaum zu widerstehende Mischung aus melancholischer Schwere, geschmeidiger Verträumtheit und kerniger Direktheit, die man so gar nicht für möglich gehalten hätte. In kurzer Abfolge landet man vom friedlich-schwermütigen appalachischen Folk von Funtimes In Babylon zu Hollywood Forever Cemetery Sings, das einen im Garage Rock wähnt. Und wenn geschmeidige, mehrstimmige Background-Harmonien, Mandoline und Klavier dominieren, wenig später aber zu stampfenden Drums dreckig-kratzige Riffs kommen und lockere, trockene Härte ausstrahlen, dann lässt sich von Wandlungsfähigkeit sprechen.
Gültigkeit hat das natürlich nur, weil Tillman beides beherrscht. Während Hollywood Forever Cemetery Sings bereits selbst der Höhepunkt des Albums ist, trifft man auf der melancholisch-romantischen Ebene alsbald auf Only Son Of The Ladiesman, das so und keinen Ton anders auch Townes Van Zandt alle Ehre gemacht hätte. Dank der wuchtigen Drums, des pastoralen Klangs der Backgroundgesänge und Tillmans sonorem Lamento wird daraus etwas, das an epischer Übergröße anstreift, nur um letztlich doch als gefühlvolle Erzählung zu enden. Biegt man wiederum in die andere Richtung ab, findet man so etwas wie den stolpernden Country Rock von Tee Pees 1-12 oder den erdig dahinrollenden Rocker I'm Writing A Novel, dessen schräger Text bestmöglich von der Vox Continental Orgel untermauert wird und den Song trotz unweigerlich autobiografischer Züge ins surreale Terrain abdriften lässt:
"I ran down the road, pants down to my knees
Screaming 'Please come help me, that Canadian shaman gave a little too much to me!'
And I'm writing a novel because it's never been done before
First house that I saw I wrote house up on the door
And told the people who lived there they had to get out 'Cause my reality is realer than yours'"
Während man Tee Pees 1-12 als musikalisch kitschigen Schwachpunkt wahrnimmt, führt fast kein Weg daran vorbei, die fast psychedelischen Anwandlungen des Roadtrips von I'm Writing A Novel ziemlich großartig zu finden.
Man ist also eigentlich an allen Fronten mit herausragenden Vorstellungen konfrontiert, was das Album zu einer extrem kurzweiligen Erfahrung macht. Daran ändert sich auch nichts, nur weil Now I'm Learning To Love The War die schmalzige Schwerfälligkeit der schlechteren Seiten von "Pure Comedy" vorwegnimmt. Dafür begegnet man zu vielen atmosphärisch ausstaffierten Minuten wie jenen von This Is Sally Hatchet oder dem finalen Everyman Needs A Companion, gepaart mit dem lockeren und doch mit Hang zur Dramatik ausgestatteten Folk Rock von Misty's Nightmares 1 & 2.
Tillmans großartige Arrangements sind es, die diese gelungenen Minuten an mehreren Fronten möglich machen. Meist ideal ausgewogen, im richtigen Moment zurückhaltend, dann wieder aufbrausend und mit Spector'scher Wandstärke, Erinnerungen an Randy Newman und ähnlichem. Da hilft es natürlich auch, dass die versammelte Musikantenschar nicht mit den Instrumenten spart und man neben den dominanten Drums und Tillmans geliebtem Klavier mit E-Gitarren, der 12-string, dem Banjo, dem Mellotron, der Hammond Orgel, der Fiddle und noch so manchem mehr versorgt wird. Nachdem all das in wunderbarer Harmonie koexistiert und man durch die unterschiedlichen Mischformen einem Wechselbad der musikalischen Eindrücke ausgesetzt wird, bleibt wenig zu bemängeln.
Deswegen sei es hier auch beschlossene Sache, dass "Fear Fun" ein ziemlich eindrucksvoller erster Auftritt von Father John Misty ist. In Anbetracht der mitgebrachten Erfahrung von Josh Tillman womöglich kein ganz so überraschender, aber deswegen nicht weniger eindrucksvoll. Die LP entspricht zwar nicht ganz dem, was das farbenfrohe Cover verspricht - durchaus positiv in Anbetracht dessen, dass das eine psychedelische Aufarbeitung von "Steven Universe" vermuten ließe, wäre es nicht älter als die Animationsserie. Doch im Universum Tillmans ist das hier das Maximum der Extrovertiertheit und der Farbenfreude. Schaden richtet das keinen an, im Gegenteil ist es eine Absage an jegliche Abnutzungserscheinungen. Und weil man von denen nichts hört, sieht oder spürt, kann man stattdessen getrost von einem idealen stilistischen Hin und Her sprechen, bei dem jede Up-Tempo-Erleichterung im richtigen Moment in melancholische Sentimentalität und Dramatik mündet. Was sollte man da noch verlangen als eine Fortsetzung dessen?
Anspiel-Tipps: