von Kristoffer Leitgeb, 23.10.2013
Der Falke befindet sich, uninspirierter denn je, klar im Sinkflug.
Tja, die Achtziger. Ein wahrlich schwieriges Jahrzehnt. Was damals angezogen wurde, will heute wohl keiner mehr wissen, was in Discos eingeworfen wurde, kann fast keiner mehr wissen. Und was sich musikalisch so abspielte, nein, das wissen wir schon noch, wir sind nur nicht so wirklich stolz darauf. Denn das, was die Briten und Amis New Wave nennen und wir hier in Mitteleuropa als Neue Deutsche Welle präsentiert bekommen haben, das hat unter anderem Bands wie Modern Talking hervorgebracht. Natürlich soll gesagt sein, da waren auch bessere Leute dabei. The Cure zum Beispiel, die 80er-Reinkarnation von Genesis oder die schrägen Vögel von den B-52's. Nicht zu vergessen auch Falco. Da weiß man jetzt nicht so ganz, wohin er denn gehört. Viele werden entrüstet sagen: Diese Frage stellt sich doch gar nicht! Aber der Hölzel Hans hat in seiner Laufbahn nicht nur Großes fabriziert, Vieles war eher mäßig im Vergleich zu den Kollegen aus Übersee und ab und an waren auch grässliche Minuten dabei. "Wiener Blut" bringt von allem etwas, die großen Momente..., der Plural ist da völlig unangebracht. Der eine große Moment reicht aber sicher nicht, um den Sinkflug des 'Falken' zu stoppen.
Warum das? Weil auf dieser LP nahezu alles, was abseits davon nur vereinzelt falsch läuft, zusammenstößt. Kurz, das Album klingt wenig kreativ, langweilt einen. Da gibt's kaum noch den so sympathischen alten Falco-Stil zu hören, dafür einige fade Synthie-Pop-Tracks. Wenn nämlich auf dem Vorgänger, "Emotional", gute Ideen oftmals über ihren Zenit hinausgespielt wurden und damit mäßige Fünfminüter zustandekamen, so sind es diesmal bestenfalls passable Ideen, die auf ähnliche Art ein noch rascheres Ende finden. Viel bleibt nicht hängen und wenn doch, dann ist man da weniger glücklich darüber. Read A Book zum Beispiel ist eine dieser komplett charakterlosen Nummern, die zwar mit dem Keyboard-unterlegten Refrain irgendwo im Gedächtnis Platz findet, dort will man sie aber eigentlich schnell wieder weg haben.
Um aber zumindest eines möglichst früh zu sagen, der Titeltrack kann's schon ordentlich. Nicht umsonst ist Wiener Blut einer der Dauerbrenner unter seinen Fans. Es ist zum einzigen Mal hier genau das, was man vom Austro-Star hören will. Zwar hat sich der Deutsch-Rap, den er Anfang der 80er erfunden hat, nicht so ganz gehalten. Das niedrigere Tempo verträgt sich mit dem harten Beat und dem im Barock-Stil gehaltenen Keyboard dennoch auffallend gut. Dazu kommt, dass einem hier Gesellschaftskritik entgegenkommt, die in musikalischer Form wohl nur von Falco kommen kann - lässt man zumindest das alte Kabarett-Duo Bronner/Qualtinger außer Acht. Mit gesundem schwarzem Humor, wie er dem echten Wiener eben zu Eigen ist, und gewohnt verschlüsselten Zeilen, zieht Falco über die städtische Schickeria her. Genau so gehört das. Nur scheint der Opener damit denkbar ungünstig platziert, denn da kommt wenig Positives hinterher.
Falco Rides Again plagt da beispielsweise ein unglaublich zähes Tempo, kombiniert mit bestenfalls mäßigen Lyrics und ewig wiederholten Keyboard-Klängen, die nach knapp fünf Minuten eher schwierig zu schlucken sind. Ein Plus ist zwar sicher die starke Arbeit an der E-Gitarre, die da abgeliefert wird, leider scheint Falco genau die aber eher ungern in den Mittelpunkt zu stellen. Denn diese gute Vorstellung zieht sich durch die LP, kommt aber nur im zwischenzeitlichen Lichtblick Untouchable wirklich zum Tragen. Dort kommen die eher ungewohnten, abgehackten Riffs, zusammen mit dem knüppelharten Beat und Falcos stimmlich wohl bester Vorstellung schon sehr gut, wenn auch auf Dauer etwas langatmig. Wo wir dabei sind, das Problem plagt auch dieses Album des 'Falken'. Man kennt es eigentlich schon. Nette Ideen werden überstrapaziert. Problematisch wird hier, dass im Falle von Read A Book oder Walls Of Silence ohnehin schwache Ansätze dann noch totgespielt werden. Anders gesagt, die nerven ziemlich.
Eine Ballade wie Walls Of Silence leidet dann auch daran, dass Falco offensichtlich in puncto Inszenierung sehr wenig Ideen kommen. Da tut sich verdammt wenig, ähnlich wie im sehr schwierigen Satellite To Satellite, so nebenbei Flop-Single. Dort bleiben nämlich außer dem peinlich kitschigen Refrain nur Hölzels sympathische Strophen hängen, die dem Track als gesprochener Monolog eine interessante Dynamik verleihen. Abseits davon trifft aber nur noch wenig Überdurchschnittliches das Trommelfell. Tricks ist eine ganze nette Standard-Nummer, die ordentliche Synth-Sounds und den altbekannten Falco-Sprechgesang bietet. Dazu noch der Text, der den Egozentriker Falco mal etwas in den Vordergrund rückt und das auf nicht schlechte Weise. Außerdem Sand Am Himalaya, ausgestattet mit vielsagendem Text und vergleichsweise ausgezeichnetem Beat.
Das war's dann aber. Viele der Versäumnisse, die Falcos damals schon fünfte LP plagen, sind relativ leicht zu erklären. Denn es lief weder im Privaten - das kannte man ja von ihm -, noch in der Kunst so wirklich rund. "Wiener Blut" ist zusammengestückelt aus Songs von verschiedensten Produzenten, nur teilweise war das das Erfolgs-Duo Bolland/Bolland. Zusätzlich wurde nur ein halbes Jahr vor der Veröffentlichung ein bereits fertiges Album (Titel "Aya") fast komplett verworfen. Denn das Ergebnis der Arbeit ohne die Bollands war für Falco alles andere als zufriedenstellend. Aber auch das Endprodukt war es nicht.
Zu Recht, möchte man meinen. Zwar war Falco immer weit weg von Perfektion, seine Momente hatte er auf früheren Alben aber immer. Diesmal bleibt dagegen wenig übrig. Es sind viele Produzenten, dafür wenig Energie, wenig Ideen, schlicht wenig wirklich Neues, was einem da geboten wird. So ist "Wiener Blut" wohl eher nicht das schlechteste aller Falco-Alben - diese fragwürdige Ehre gebührt "Data De Groove" -, doch mit ziemlicher Sicherheit sein uninteressantestes. Es gibt kaum Gründe sich diese Platte zuzulegen, auch wenn einem vor allem zu Beginn doch ein paar mehr oder weniger starke Songs geboten werden. Fans werden auch hier etwas finden, alle anderen könnten vom angeblich so außergewöhnlich guten Künstler Falco enttäuscht sein.