von Kristoffer Leitgeb, 03.05.2014
Des Falken letzter großer Auftritt wird zum ambivalenten Techno-Rock-Erlebnis.
Aufgesetzt und vollkommen ehrlich. Emotional und distanziert kühl. Unsicher und arrogant. Mit genialen Einfällen und bedenklichen Geschmacksverirrungen. All das war Falco, ab und an sogar alles gleichzeitig. Nur ein Grund, warum auch nach seinem Tod hierzulande wenige daran denken, unseren einstigen Weltstar zu vergessen -der andere könnten die ständigen Versuche sein, seinen Heldenstatus kommerziell auszunutzen. Und Falco wäre ja nicht Falco, würde er nicht auch auf seiner letzten LP, sozusagen seinem ganz persönlichen Requiem, genau diese ureigenen Eigenschaften zur Schau stellen. Dazu gesellt sich eine bis dahin nur selten gezeigte Vorliebe, die ihn wieder einmal dem Zeitgeist nahebringt und wieder einmal aus einer möglichen Glanzleistung eine musikalische Erfahrung mit schizophrenen Anwandlungen macht.
Aus dem Synthie-Pop-Spezialisten ist nämlich in den Jahren der Abgeschiedenheit ein allzu offensichtlicher Techno-Freak geworden. Die Beats duellieren sich darum, welcher der wuchtigste ist, Keyboards und aggressive Synthesizer werden bis zum Exzess malträtiert. So war das Ende der 90er eben. Und für den Wiener bedeutet das, dass er sein bei Weitem härtestes Album zusammenstellt. Was in früheren Jahren mit dem trockenen Rocker Untouchable oder dem abgehackten Sound von Dance Mephisto nur selten zum Vorschein kam, wird hier zum Programm. Und es begegnet einem von der ersten Sekunde an. Denn Opener No Time For Revolution zeigt gleich einmal mit brachialem Beat, atmosphärisch düsterem Riff und offensiven Synthie-Spritzern auf. Dass all das aufgeht, überrascht weniger, wenn man Falcos ohne Frage starke Performance hinzuaddiert, die sich mit seiner scharfen Zunge und dem rohen, wenig melodischen Gesang perfekt einfügt.
Während man da noch gewillt ist von Elektronik-Rock zu sprechen, geraten Der Kommissar 2000, Remix des Debüt-Hits, und die bereits 1995 veröffentlichte Single Mutter, Der Mann Mit Dem Koks Ist Da zu wahren Techno-Tracks. Vor allem Letzterer verzichtet vollkommen auf jegliche Instrumentierung fernab des Computers. So brachial hat man Falco noch nicht gehört und so ganz sicher ist man sich dann auch nicht, ob es denn sein soll. Aber mit dem simplen, gerade noch nicht zu harten Beat und dem lebendigen, gerade noch nicht zu erdrückenden Rest, sprich Elektronik en masse, kommt fast unweigerlich Sympathie auf. Vielleicht auch nur, weil die Drogen-Songs des Falken doch immer ein Treffer waren.
Ab und an präsentiert sich die LP dann aber auch doch wieder so, wie man es in alten Zeiten gewohnt war. Shake ist reinster Party-Pop mit tollem Bläser-Satz im Refrain und einem weit lockereren Falco, leider aber etwas zu wenig Abwechslung auf fast vier Minuten. Egoist dagegen ist zwar mit seiner unmelodischen Aggressivität und der spärlichen Ausgestaltung ganz im Einklang mit den Techno-Hämmern, dafür aber dank typisch arroganten Zeilen und funkigen Gitarren die offensichtlichste Reminiszenz an seine frühen Tage. Und mit der herausragenden Ballade Out Of The Dark, deren allseits bekannte Zeile "Muss ich denn sterben, um zu leben" für so manch unnötige Suizid-Spekulation gesorgt hat, erwartet einen nicht nur die emotionalste Performance Falcos seit Jeanny, sondern neben Titanic, Junge Roemer und Wiener Blut wohl auch der stimmigste, ausbalancierteste Track seiner Karriere. Zu dem großartigen Beat gesellen sich nur mehr leichte Klavier-Klänge, wenig aufdringliche Synthesizer und ein Gitarren-Solo, das besser nicht hineinpassen könnte.
Doch während man hier irgendwo zwischen bedrücktem Mitfühlen und respektvollem Applaus steckt, ist man wenig später schon zum Gegenteil gezwungen. Denn die beunruhigend schlechten Minuten, die sich in der zweiten Hälfte der Platte hören lassen, machen eine positive Bilanz unmöglich. Es beginnt mit dem trägen und unnötig brachialen Hit Me, dessen starke Strophen schnell vom miserablen Refrain und der unweigerlich eintretenden Langeweile verdrängt werden. Das wohl Schlimmste, was in einer mit Sicherheit nicht fehlerfreien Karriere passiert ist, kommt jedoch erst mit Cyberlove. Neben dem schmerzhaft harten Beat und der Eintönigkeit drängt sich vor allem der schlicht peinliche Refrain auf, der an übelsten Techno-Trash der unerträglichsten Art heranreicht. Wenn sich dann noch als Closer die banale, überlange Single Naked dazugesellt, in der außer dem Beat überhaupt nichts da zu sein scheint, dann wird's schon reichlich schwierig damit, der LP Sympathie entgegenzubringen.
Überhaupt werfen so manche Minuten hier unweigerlich Fragen auf. Immerhin ist es weithin bekannt, dass an dem Album, das ursprünglich "Egoisten" heißen sollte, über Jahre gearbeitet wurde. Auch, dass eine Reihe anderer Songs fertig aufgenommen waren. Gerade deswegen verwundert die Auswahl der Tracks, die sich in der zweiten Hälfte der ohnehin nur neun Lieder finden. Letztendlich wohl nur ein weiterer Beweis dafür, wie unsicher Falco seit seinem Mega-Erfolg mit Rock Me Amadeus war, was musikalische Belange anging.
Nichtsdestotrotz bleibt man bei aller Verwunderung und teilweisen Antipathie bezüglich dieses radikalen Stilbruchs noch oft genug nach einem Song mit einem positiven Fazit zurück, um "Out Of The Dark (Into The Light)" nicht als Flop abstempeln zu müssen. Auch wenn sich nämlich abseits des genialen Titeltracks nichts findet, was einem wie vollendete oder gar großartige Arbeit vorkommt, macht Falco insbesondere zu Beginn allemal Einiges richtig. Die neu gefundene Härte und der bei Zeiten ernstere Grundton liegen dem Wiener durchaus, auch wenn der Fokus mehr und mehr verloren geht und seine Zweifel an der Qualität der Platte nicht ganz unverständlich sind. Aber es ist eben doch der gute, alte Hans Hölzel. Immer mit dem Mut, zu neuen Ufern aufzubrechen, der Angst davor, auch wirklich dahinterzustehen, und immer zwischen Genie und Wahnsinn.
Anspiel-Tipps: