von Kristoffer Leitgeb, 28.02.2015
Die Internationalität hält Einzug im Hause Hölzel und mit ihr der Erfolg auf so mancher Ebene.
Ich plädiere dafür, ab jetzt jeden Review mit einem Fun Fact zu beginnen! Also dann, Fun Fact: Popstar Falco gibt's irgendwie nur, weil Reinhold Bilgeri ein Idiot ist. Jetzt hat Bilgeri in seiner ausgedehnten Pop-Karriere so manchen Hit im sagenumwobenen Österreich abgeliefert, die Landesgrenzen blieben aber fast durchgehend auch die seines Erfolges. Und da lehnt der doch glatt ab, Der Kommissar einzuspielen und verschafft somit dem Jüngling, der ja damals eigentlich nur Bassist und sonst gar nix war, die Chance auf den Durchbruch, den Bilgeri selbst nie hatte. Streitigkeiten darüber, ob eine Bilgeri-Version vom Kommissar auch nur annähernd ähnlich anziehend geworden wäre, wie die Realität dann aussah, scheinen berechtigt, den Pfad des Glücks beschritt aber vorerst sowieso ein anderer. Und nachdem eine Wanderung am besten irgendein Ziel hat, war "Falco 3" als kreativer Höhepunkt auch fast unausweichlich.
Wobei dann auch wieder nicht. Hätten die Leute nämlich einfach fleißig "Junge Roemer" gekauft, wäre Robert Ponger vielleicht heute noch Falco-Produzent und daher auch nichts los rund um den gerockten Amadeus. Es kam anders und die Bolland-Brüderchen brachten die weite Welt in Form von Synth-Pop à la Collins oder Police mit sich, was ja anno 1985 auch ganz vielversprechend anmutet. Dass der Erfolg kam, liegt auch daran, dass sich Falco schon einzubetten wusste in die Produktionsmaschinerie der Niederländer und so mehr Charakter in diesen seinen Songs steckte, als es ein Großteil der US-Konkurrenz von sich behaupten konnte. Natürlich funktionierte Rock Me Amadeus vor allem wegen des gleichsam abgezockten und abgedrehten Auftritts am Mikro, da sind die tiefen Dissonanzen am Keyboard und die wuchtige Drum Machine im Hintergrund nur magere Zusätze dagegen. Auch deswegen altert gerade der Übertrack weniger gut als der große Rest auf der dritten LP des Wieners.
Nichtsdestotrotz bleibt schon nach kürzester Zeit die Feststellung, dass das neu austarierte Werkl läuft. Dem Funk des Vorgängers abgeschworen, einen genialen Titeltrack verloren, dafür Ohrwürmer en masse gewonnen. Trotzdem sind charakterliche Verwerfungen seine Sache nicht. Schon America trieft nur so vor archetypischem Falco-Humor, beleuchtet nicht etwa den neuen Kontinent, sondern viel mehr das ambivalente Verhältnis zur Heimat, die aufs Ironischste gut wegkommt ("Wenn der Mr. Smith a Glatz'n hat / Verkauf ma eam an Kamm"). Und dort schielt auch organischerer Sound durch, lassen doch die rhythmischen Synthesizer genug Raum für den erfrischenden Mundharmonika-Klang und diesmal auch wieder ganz normal eingespielte Drums. Kaum weniger gelungen ist das stilistische Überbleibsel von "Junge Roemer", Männer Des Westens, das nicht nur dem vermehrt englischen Text widersteht, sondern mit seinen prominenten Bläsern, den Gitarrenspritzern und dem dynamischen Bass noch weit eher dem frühen Falco entspricht.
Dass Neu nicht schlecht ist, zeigt dann hier aber doch zu viel. Tango The Night macht als fast kompletter Elektroniktrack nur kurz Schwierigkeiten, geht in seiner eigenwilligen Unförmigkeit und den letztlich großartig abgestimmten Synthie-Sounds bald auf. Munich Girls macht es einem als Blues-Nummer und daher einsamem Außenseiter etwas schwerer, profitiert aber von der starken Interpolation vom Cars-Track Looking For Love. Trotzdem bleiben die atmosphärischen Minuten lange am Ende der Beliebtheitsskala, ein eindeutiges Siegeszeichen. Umso eher, fehlen doch noch legendäre Songs in Form von Jeanny und Vienna Calling. Wenig gibt's zu sagen über die allseits bekannte, skandalträchtige Ballade, außer dass selbst ein über sich hinaus wachsender Falco die dezente Überlange nicht ganz kompensieren kann. Vienna Calling braucht wenig Skandal und auch wenig Atmosphäre, um das Duell zu gewinnen. Die unendliche Catchiness obsiegt in diesem Fall, die funkigen Gitarreneinsätze und der großartige Refrain sind kaum zu Fall zu bringen.
Am lange Zeit souveränen Auftritt schraubt gegen Ende ausgerechnet der Falke selbst. Das wie üblich schwache Albumende wird von ihm in Eigenregie produziert, erweist sich als facettenreich, aber sicher nicht als treffsicher. Nothing Sweeter Than Arabia heißt der Versuch das miserable Tut-Ench-Amon vom Vorgänger vergessen zu machen. Der Ausflug ins Pseudo-Arabien gelingt diesmal dank elektronischer Aggressivität und abgehackter Sounds besser, so wirklich anfreunden will man sich mit der endlosen Rhythmus-Abstinenz aber doch nicht. Zum wirklichen Fehler wird aber das Dylan-Cover It's All Over Now, Baby Blue, in dem zum einen die Distanz zwischen Falco und dem Englischen für einmal augenscheinlich wird, genauso wie seine Schwierigkeiten mit dem lahmenden Tempo. Dazu gesellt sich der peinliche, wenn auch musikalisch nicht zu gravierende, Mastering-Fehler, der mittendrin das Outro einspielt. Als wirklich lohnend erweist sich nur der trockene Rock von Macho, Macho - mit Fendrichs Hit weder verwandt noch verschwägert - der zwar weiterhin auf Keyboard setzt, mit seinen starken Gitarrenparts aber gelungene Counterparts setzen kann.
In der Nähe der Ziellinie ist er also doch kurz kollabiert. War er davor wegen ein paar kleinen Schwächen hier und da schon nicht ganz auf Siegkurs, lassen die letzten Minuten den Triumph etwas weiter in die Ferne geraten. So typisch Falco eben. Nichtsdestoweniger kann "Falco 3" auch in der Rückschau zu Recht als sein Magnum Opus gelten. Der offensichtlich gelungene Mix aus seiner später zu oft verlorengegangenen Vitalität und der trockenen Abgeklärtheit der Produzenten macht die LP um nichts weniger frisch als die Vorgänger, verschafft ihr dazu aber noch eine Präzision, die er so nie wieder erreicht hat. Auch deswegen ist "Falco 3" eines der ganz wenigen heimischen Musikprodukte, das den Kampf mit der weltweiten Konkurrenz in puncto Qualität UND Quantität aufnehmen konnte. So ergiebig, wie es letztlich ist, kann man ihm das nur vergönnen.