von Mathias Haden, 11.02.2016
Der kommerzielle Tiefpunkt als partielle Rückbesinnung auf alte Stärken.
Plattencover können einiges über die dazugehörigen Inhalte aussagen, so weiß man spätestens seit den 50ern. Was wäre etwa On The Beach ohne seine schon im Artwork nur so beißende Melancholie, was das explosive American Idiot-Comeback ohne feuerroter Granate? Manche spielen freilich mit der Aufmerksamkeit für diesen optischen Nebenaspekt, lassen sich zu Banalem wie R.E.M. bei Out Of Time hinreißen und wiederum andere machen in einem ganzen Jahrzehnt voller kreativem Leerlauf nur mit gelegentlichen Artwork-Leckerbissen auf sich aufmerksam. Elton John ist einer dieser Spezialisten. Als der schräge Vogel den steinigen Pfad der 80er beschritt, war sein kommerzieller Höhenflug noch lange nicht am Sinken - eigentlich war er das bis zum Millennium nicht -, in künstlerischer Hinsicht war der einstige Pinball Wizard aber schon lange am Abstellgleis. Fast perfekt ins Bild passt da auch seine fünfzehnte LP, das 1981 erschienene The Fox. Zwar sollte diese zu einem der größten Flops in Johns Karriere heranreifen, mit seinem stilsicheren Artwork konnte man ihr aber zumindest in dieser Causa nichts vorwerfen. Und immerhin ist seit dem letzten Jahr ja auch wieder sein langjähriger Songwriter und Busenfreund Bernie Taupin mit an Bord, hurra!
Musikalisch schaut's dafür weniger berauschend aus, was u.a. daran liegt, dass fünf der elf Stücke Überbleibsel der Sessions vom letzten Album 21 At 33 sind. Am Zeitgeist der frühen Eighties orientiert sich John, liefert New Wave-angehauchten Pop-Rock und setzt wie immer auf eingängigste Hooks. Hat in seinem Schaffen aber noch nie gestört, deswegen ist auch der Auftakt mit dem straighten Breaking Down Barriers ein guter. Hochmelodisch und überaus infektiös fällt dieser dynamische kleine Rocker direkt mit der Tür ins Haus, reißt ganz dem Titel zumindest winzige Barrikaden auf dem Weg um und schafft damit den Erwartungen und der verpassten Gelegenheit, den Track zum richtigen Zeitpunkt enden zu lassen, zum Trotz schon eine Nummer, die auch auf der vorangegangenen LP ein Highlight dargestellt hätte. Just Like Belgium geht wieder mehr in Richtung Pop, setzt ebenfalls auf Uptempo-Beat, Melodienreichtum und endlose catchiness, macht aber keinen Hehl aus Johns im letzten Jahrzehnt akkumulierter Dekadenz: "Remember Belgium / And the Brussles Museum / where we piled on the front steps / like stray cavaliers". Das Herzstück der LP ist aber zweifelsfrei die Suite bestehend aus Carla/Etude, Fanfare und Chloe, die auf der CD-Version des Albums zu einem Track zusammengefasst wurden. Auch wenn John letztlich doch deutlich daran scheitert, seiner fantastische Eröffnungs-Suite Funeral For A Friend/Love Lies Bleeding vom legendären Goodbye Yellow Brick Road Paroli zu bieten, so kann sich diese mit hübschen Streichern und Johns charakteristisch geschwätzigem Klavier augmentierte Ballade, deren ersten drei Stücke zu einem instrumentalen Medley verwoben sind, doch allemal hören lassen.
Dem gegenüber stehen mit einer Handvoll mediokrer Tracks auch weniger erquickliche Minuten. Mit dem gähnend langweiligen, nicht enden wollenden Heart In The Right Place verschreibt sich John fast schon dem Blues und stellt auf beeindruckende Art und Weise zur Schau, warum er eher als Vertoner unzähliger beschwingter Pop-Hymnen in die Geschichtsbücher einging. Als nicht viel spannender entpuppt sich Lead-Single Nobody Wins, die trockene Auseinandersetzung mit verlorenen Liebschaften und banaler Elektronik, auf der er immerhin zum folgerichtigen Fazit vordringt: "...and in the end nobody wins...". Verdammt richtig. Zwei Mal steigt der Protagonist noch gegen die in der Popmusik doch so unliebsame Bedeutungsschwere in den Ring, beide Male muss er als Verlierer von dannen ziehen. Einerseits lässt er sich in Fascist Faces zu einer manierlichen Stellungnahme (When I see your fascist faces / Then I know I've had enough / Trying to trace it or erase it / Is it foolproof or a bluff) hinreißen, vergisst in seinem überschaubaren politischen Rausch aber, ein akkurates, instrumentales Fundament zu legen und poltert geradeaus in die Sackgasse des zahnlosen Pseudo-Hard-Rock. Der andere ist der kontroverse, weil mit etlichen Anspielungen auf seine zu jener Zeit noch nicht bekannte Homosexualität gespickte, Elton's Song, dem zwar ein Preis für seine Ehrlichkeit gebührt, letzten Endes aber an seiner Rührseligkeit und der faden musikalischen Untermalung zu Grunde geht.
Da mit dem gewohnt quirligen Heels Of The Wind und dem soliden Titeltrack am Ende noch Versöhnung betrieben wird, pendelt sich The Fox, das seinem Vorgänger trotz dem Umstand, zur Hälfte aus dessen Überbleibseln zu bestehen, einen Ticken voraus ist, im gesicherten Mittelfeld ein. John setzt nach obskuren Disco-Ausflügen endgültig wieder auf seine Erfolgsformel, spricht gelegentlich Tacheles und hat seinen Seelenverwandten Taupin wieder einen Schritt besser in die Arbeit integriert. Viel besser wurde die frische Dekade für den extravaganten Rotschopf jedenfalls nicht mehr oft. Schon gar nicht in Bezug auf seine kommenden Artworks.