Elton John - Made In England

 

Made In England

 

Elton John

Veröffentlichungsdatum: 20.03.1995

 

Rating: 6 / 10

von Daniel Krislaty, 02.08.2014


Wer nach bekömmlichem aber nicht weiter großartigem Pop-Schmaus sucht, greife zu.

 

Beflügelt vom kommerziellen und von Preisen nur so überhäuften Erfolg seines 'König der Löwen'-Soundtracks, versucht sich Elton John zu einer seiner musikalisch womöglich meistbeschäftigten Zeit seiner bald 50-jährigen Karriere an dem gefühlt X-ten Album. Innovativität mag dabei möglicherweise am Weg ein wenig abhanden gekommen sein, aber das verzeiht man dem wohl bekanntesten Zahnlückengrinser selbstverständlich schnell. Immerhin sollte klar sein, was man bekommt, wenn 'Elton John' draufsteht: Lupenreinen, vergleichsweise zeitlosen und vielleicht etwas unberechenbaren Pop, der im Fall von Made in England aber nur bedingt greift.

 

Bereits das erste Lied, das beeindruckende Believe, bestätigt zunächst Johns Talent, scheinbar eine catchy Ballade nach der anderen vom Stapel lassen zu können. Die erfolgreichste Single des Albums, welche sogar für die Grammys nominiert wurde, spricht dabei durch die doch melancholische Brille der dramatischen Begleitung die einzig wahre Inspirationsquelle des Pop-Giganten an: Liebe. Und nicht weniger eingängig geht es mit dem Titeltrack weiter, auch wenn sein beinahe durchgängiger patriotischer Ausruf "I was made in England" doch das gesunde Maß – selbst für Pop-Standards – bei weitem übersteigt. Böse und unaufmerksame Zungen könnten sogar behaupten, dass das Lied textlich ansonsten überhaupt nicht stattfindet. Vielleicht nicht der dickste oder komplexeste Wörtersalat verlieh ihm John dafür jedoch die ein oder andere rührende persönliche Note.

 

"If you're made in England

You're built to last

You can still say 'homo'

And everybody laughs

 

But the joke's on you

You never read the song

They all think they know

But they all got it wrong"

 

Mit dem halbminütigen Outro des Streicherensembles schließt der Titeltrack ab und führt zugleich in die eher ruhige, nachdenkliche Umgebung von House ein. Der deutlich abstraktere Text als zuvor beginnt mit den banalen Zeilen "This is my House / This is my Bed / This is where I sleep…" und schafft es auch im weiteren gewöhnungsbedürftigen Verlauf nicht wirklich einen Fuß in die Tür zu bekommen bzw. fehlt es einfach an Entwicklung des bloß so dahinplätschernden Gesamtbildes.

 

Die eindeutig passendste Symbiose zwischen filigraner Orchesterbegleitung und der herkömmlichen Pop-Masche gelingt Elton John mit Latitude. Anders als bei einigen anderen vergleichbaren Beispielen, die Made in England noch zu bieten hat, bremsen die liebevollen Bläser- und Streicher-Arrangements den Titel nämlich hier alles andere als aus, sondern schmiegen sich exakt der durch wilde Banjoakkorde vorwärtsgepreschten Dynamik an. Ebendiese lässt das recht charakterlose Cold vermissen, das vom gelegentlichen Schmerz, die Liebe verursachen kann, predigt und dem auf die knapp 6 Minuten Laufzeit die Puste nach Aussagekraft und Variation gehörig ausgeht.

 

Knallrot positiv herauszustreichen bleibt hingegen Belfast, das sich den Luxus einer kleinen aber feinen Klassik-Nummer am roten Teppich des Intros gönnt, bevor sich ein einsames Piano in der Ferne meldet und zum sanften Angriff – oder zumindest Fingerzeig – auf ein politisch heikles Thema der näheren Vergangenheit der britannischen Inseln bläst. Elton John hält aber nichts als Bewunderung für die Leute und Mitgefühl für das damalig zerfahrene und gespaltene Schicksal der nordirischen Hauptstadt, welche auch als Terrorismushochburg der westlichen Welt galt, bereit. Passenderweise erbarmt sich die angesprochene symphonische Unterstützung daraufhin und rundet das ergreifende Lied mit traditioneller irischer Musik sehr gelungen ab.

 

"Who's to say on whom heaven smiles

Our different ways we try hard to recognise

No more enchanted evenings

The pubs are closed and all the ghosts are leaving

But you'll never let them shut you down

Belfast"

 

Einerseits süß und liebenswert, weil witzig geschrieben, andererseits wieder einmal zu eintönig und erschöpfend weiß sich Man nicht ganz zu helfen. Musikalische Abnützungserscheinungen, die auch nicht durch phasenweise Orgel- statt Klavierklänge restliche Verwandtschaften mit Zuvorgekommenen zu verdecken wissen, machen sich nun an der Ausfahrt des Albums schon mehr als nur bemerkbar. Besser stellt sich da schon Lies an, in welchem John nicht bloß gutes Ohr für Rhythmen unter Beweis stellt, sondern auch mit seinen 'Klimper'-Fähigkeiten improvisierter Pianostafetten sich beeindruckend profiliert.

 

Bei Zeiten wirkt Made in England beflügelt durch den Unterton der klassischen Musik majestätisch, während in so manch anderen Momenten die LP der eigenen Einfältigkeit brutal verfällt. Diese zweischneidige Beziehung innerhalb der gesamt knapp 52 minutenlangen Platte lässt jedoch aufgrund der beiden absoluten Highlights Latitude sowie Belfast, das Salz und der Pfeffer in der Suppe, doch ein positives Endresümee zu. Auch wenn das Gebräu schlussendlich schlicht durch zu viel des gleichen Einheitsbreis überwürzt wurde, überzeugen nicht zuletzt auch die beiden gelungenen Singles Believe wie Made in England und die generelle orchesterbezogene Stilrichtung der Aufnahmen, welche Elton John übrigens seinem damaligen Boyfriend und jetzigem Mann gewidmet hat.

 

Anspiel-Tipps:

- Believe

- Latitude

- Belfast


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