von Kristoffer Leitgeb, 16.04.2015
Der Zahn der Zeit nagt an Humor und Sound. Zurück bleibt ein verstümmelter Langeweiler.
Reden wir über das Älterwerden. Ja, das tut manchen vielleicht weh. Weil sie schön im 'älter' angekommen sind, weil sie ihre Jugend auf ewig behalten wollen oder weil es auch einfach langweilig ist. Aber man kommt auch als Musikrezensent manchmal nicht daran vorbei. Denn die Verwesungsprozesse setzen bei Künstlern noch viel schneller ein als beim Mr. Normalverbraucher. Deswegen sind sie zwar nicht früher unter der Erde, ganz im Gegenteil, aber dem geschaffenen Werk hängt eben manchmal ein nicht zu leugnender Verwesungsgeruch an. Ist eben so, saure Milch wird normalerweise auch nicht wieder gut. Klaus Eberhartinger & Co. wissen, was das bedeutet. Kollege M kennt's ganz hart von "Amore XL", diesmal ist aber noch nicht aller Tage Abend. Ein bisschen weiter oben ist man am absteigenden Ast mit "Nie Wieder Kunst" nämlich schon noch.
Womit die heimischen Altstars aber eine wunderbar lineare Tendenz erkennen lassen. Seit Mitte der 80er ging's nämlich eher nicht mehr bergauf, dafür dümpelte man öfter mal im Mittelmaß herum. Doch die Sarkasmus-Poesie eines Thomas Spitzer hat noch ihre Stärken. Das beweist man sich und der Welt zu Anfang ganz eindrucksvoll. Der Titeltrack ist als pausenloses klangliches Potpourri zwischen dem dominierenden Elektronik-Pop, Klassik, Volksmusik und fast ein bisserl Industrial genau das, was die Band für ein großartiges Lebenszeichen braucht. Man ist wieder zurück und bietet einen Eberhartinger, der schon zu Beginn seine stimmliche Vielseitigkeit in aller Blüte darzubieten gedenkt. Dazu eine beinahe bedenklich unmelodische musikalische Untermalung, die sich aber in ihrer zerfledderten Natur als wirkungsvoll skurril erweist, und Zeilen, die mit ihrem Abgesang auf die hohe Kunst einmal mehr als humoristische Perle durchgehen.
Na, huiuiui. Alles angerichtet für ein Revival der besten Tage. Und wer könnte es glauben, es geht sogar so weiter. Kurz zumindest. Flugzeug (Liebste Mein) ist zwar mit seinem Techno-Sound ein offensichtliches Zugeständnis an die alkoholisierte Ballermann-Fraktion, bringt ebendiesen neuen Elektronik-Klang der Band aber fast noch am besten über die Runden, auch wenn die thematische Küss Die Hand, Schöne Frau-Rückholaktion auch irgendwann mal alt wird. Nicht so die EAV'sche Neuauflage der Cinderella-Story, die im Stile schottischer Folklore mit treibendem Beat und Pseudo-Dudelsack genau eines schafft, nämlich den wunderlichen Blüten des kompletten Schwachsinns einen vitalen Unterboden zu bieten:
"'Was bist du? Ein Findelkindel?
Bargeldlos und ohne Schuh?'
Rief der Prinz, 'Das riecht nach G'sindl,
Freunde, was sagt ihr dazu?'
Armes Kind, hier hast du was
Kauf dir zwei neue Adidas
Prinz von Ölen zeigt Erregung
Stiert sie roten Auges an
Erwägt die Temporärbelegung
Formuliert den Beischlafplan"
Wer sich fragt, warum ganze drei Songs ein solches Bahö verursachen, dem sei gesagt, dass nach dem grenzdebilen Interlude The Frogs Are Coming irgendwie Schluss mit lustig ist. Und jeder, der die EAV kennt, weiß, dass das nur Schlimmes bedeuten kann. 300 PS funktioniert mit seinem Brachialbeat halbwegs, vor allem weil Eberhartinger besser zum synthetischen Stil passt, als man denken könnte. Doch textlich lässt sich immer weniger aus der Truppe rausholen, musikalisch ist zudem selten Leben in der LP. Bei allem Nonsens, den man auch früher mal geboten hat, die elendige Coming-of-Age-Story von Barbara oder die Ode ans Hundsvieh Edi sind wie viele der übrigen Minuten zwischen Belanglosigkeit und Lächerlichkeit. Ernst gemeint ist da nichts, aber humorvoll finden kann das doch auch kein Mensch. Sogar in der Band selbst müssen da die Mundwinkel einfach im Süden hängenbleiben. Ähnlich müde gestaltet sich dann auch die Musik, die auf banale Keyboard-Spielereien und trägen Background-Gesang setzt, damit aber gar nichts reißt.
Aus dieser unspektakulären Lethargie befreit man sich dann eigentlich nie mehr wirklich. In den besseren Momenten landet man wenigstens noch in der noblen Durchschnittlichkeit, die zwar größtenteils für ziemlichen Durchzug beim Hörer sorgt, im Fall von Die Zeit oder Hallo aber wenigstens noch mal ein bisschen Charme mit sich bringt. Letzterer ist musikalisch das Aktivste, was sich abseits der ersten zehn Minuten bietet, sorgt zumindest für ein paar Erinnerungen an die späten 80er. Ansonsten ist Fadesse angesagt, die sich nur kurz in fast schon fassungsloses Kopfschütteln verwandelt, wenn die verblödeten Zwirch & Zwarbel und Die Geschichte ihren Einsatz haben. Vergesst die Beschreibung, einfach nicht anhören, das muss reichen.
Eine geschlagene halbe Stunde schlägt man so tot, und zwar wirklich tot, ohne irgendwas zu bieten, wofür sich die Zeit lohnen würde. Erst mit der Geschichte des Kebap-Händlers Ibrahim kommt wieder ein wenig dessen durch, was die bizarre Qualität der EAV-Texte eigentlich ausmacht. Trotzdem, die Spur ist lange verloren, man ist selbst mit der passablen Hard-Rock-Parodie von Eierkopf Rudi und dem wirklich wieder lohnenden Closer Leckt's Mi - der 'echte Wiener' lässt grüßen - nur mehr auf dem Pfad der Schadensbegrenzung unterwegs.
Und die gelingt in Wahrheit nicht. Denn der wirklich beeindruckend frische und nach klassischer EAV riechende Beginn ist dafür schon in zu weite Ferne gerückt. Das starke Fundament, das man da kurz aufgebaut hat, kann nicht wirklich stützen, was dann an wackeligem Bauwerk darauf gesetzt wurde. Wäre man nicht so zwanghaft darauf aus, so etwas wie Humor zu bieten, müsste man es Schlafwagen-Pop nennen, den die Helden der 80er anbieten. So ist es die meiste Zeit eher verstörte Verwunderung ob der angeschlagenen Töne, die vor allem textlich fast überall auslassen. Naja, Burli war gestern, Edi ist heute. Da kann ja wirklich nichts Gutes rauskommen.