von Mathias Haden, 31.03.2015
Zwischen erdiger Dynamik und glatter Opulenz - Ein letztes Auf vor dem großen Ab.
Da haben wir sie ja wieder, die glorreichen Achtziger. Unsere liebste Dekade, in der Synthesizer vermutlich sogar im Gospel verwendet wurden, der als Filmstar und nebenbei auch als Präsident bekannte Reagan die Staaten beglückte und Künstler ungestraft davon kamen, wenn sie ihr Album Love Over Gold benannten. So geschehen bei Mark Knopfler und seinen Dire Straits, 1982, drei Jahre vor ihrem angeblichen Magnum Opus Brothers In Arms und den hereinprasselnden Milliönchen. Man hatte sein Line-Up gerade mit Keyboarder Alan Clark und Rhythmusgitarrist Hal Lindes um zwei fähige Mitglieder ergänzt und war auf der Suche nach einem Sound, der mehr Schichten und Facetten bieten sollte, als zuvor. Dabei bildet die vierte LP der Londoner den Übergang vom knackig erdigen, bodenständigen Rock zur überproduzierten Opulenz mit New Wave-Einflüssen. Die Spieldauer der LP wurde länger, die Anzahl der Titel, diesmal sind es dieser nur fünf, indes weniger.
Dieser Zwischenschritt lässt sich auf Opener Telegraph Road tadellos herauslesen. Mit seinen epischen 14 Minuten fällt dieser trotz Pop-naher Melodien nicht nur aufgrund seiner Länge in die Sparte des Prog-Rocks. Langsamer, cleverer Aufbau, Tempo- und Stimmungswechsel; dazu lassen sich die Instrumente schön auseinanderhalten. Zuerst ist es das Klavier, das den immer lauter werdenden Auftakt dominiert, doch schon bald reißt ein smoother Bass die Aufmerksamkeit an sich und schließlich zieht das Knopfler’sche Gitarrengewitter auf. In der Folge bleibt es beim organisch harmonischen Wechselspiel der Mitglieder, das sich irgendwann zu einem funktionierenden Klangbrei zusammenaddiert, während Frontmann Knopfler seine Geschichte über die Verkommenheit der Menschheit erzählt, im Erzählstil dabei wie so oft an Dylan und Springsteen erinnert und einen seiner besten Songs überhaupt raushaut. Man hätte es den Dire Straits im Übrigen auch gar nicht zugetraut, über zehn Minuten den Spannungsbogen aufrecht zu halten aber, nun ja, Telegraph Road ist der freudige Beweis.
Der nächste positive Auftritt ist das düstere Private Investigations. Auf diesem gerät Knopfler zum mysteriösen Privatdetektiv zwischen dem lieben Alkohol und der bitteren Verzweiflung, während die unglaublich spannungsgeladene Atmosphäre immer wieder überwältigt. Die refrainlose Nummer baut mit ihren Synthies und akustischen Gitarren ein intensives Setting auf, schafft es im Verlauf dann immer wieder, mit seinen krachend verzerrten E-Gitarren und dem immer präsenter werdenden Klavier, die Stimmung komplett zu kippen und fast schon zu erschrecken. Zugegeben, Knopfler ist ein weit besserer Gitarrist als Sänger, sein Sprechgesang ist ohnedies etwas schwierig, aber dieser schmiegt sich im besagten Track doch verdammt gut an die dunkle Atmosphäre und unheilvolle Stimmung an. Mit einem intensiven Abgang macht der Track noch einmal Werbung in eigener Sache und der Protagonist beweist sich als guter Songwriter:
"And what have you got at the end of the day?
What have you got to take away?
A bottle of whisky and a new set of lies
Blinds on the windows and a pain behind the eyes"
Die behutsam aufgebaute, aufreibende Stimmung und die Euphorie über einen überraschend überzeugenden Auftakt werden in der Folge rasch über Bord geworfen - und das fast schon eindrucksvoll. Mit dem flotten Industrial Disease gibt’s den waschechten Vorläufer für das spätere Walk Of Life. Nicht ganz so simpel und auf Kommerz getrimmt, aber mit seinem lockeren, Keyboard-dominierten New Wave-Sound doch etwas seicht und zu weit entfernt, vom dynamischen Rock der Siebziger. Naja, mit knapp sechs Minuten immerhin der kürzeste Track der LP. Besser macht es allerdings auch der Nachfolger und Titeltrack nicht. Dieser schlägt in dieselbe Kerbe, wirft zwei Blicke voraus auf den Pomp des Folgealbums und lässt den Song an sich in triefendem Kitsch ertrinken:
"It takes love over gold
And mind over matter
To do what you do that you must
When the things that you hold
Can fall and be shattered
Or run through your fingers like dust"
Immerhin erinnern uns die Dire Straits, dass man sich nicht zu früh der Euphorie hingeben soll. Toll gestartet, unglaublich abgeflacht und mit Closer It Never Rains gibt es immerhin noch eine einigermaßen ordentliche, von der Thematik vielleicht auch wieder zu positive Versöhnung im poppigen Stil.
Mit Love Over Gold bereiten uns Mark Knopfler und seine Kumpanen eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Zwischen tollen Ideen und tadelloser, musikalischer Umsetzung und dem sich anbahnenden, toten Spirit des Nachfolgers pendelt sich hier das prüfende Metronom ein. Auf Minuten heruntergebrochen, bieten die fünf Tracks aber insgesamt doch locker mehr erfreuliche als ungenießbare, ist doch gerade das Einstiegsepos ein beachtlicher Fels in der Brandung. Wie auch immer, die Dire Straits zeigen auf jeden Fall ihr ohnedies nicht angezweifeltes Talent, bewegen sich aber immer wieder gefährlich nahe an die Klippen des aalglatt produzierten Rocks von Brothers In Arms. Somit bleiben der LP der Status als ordentliches Übergangsalbum und zwei essentielle Kompositionen für ihre Greatest-Hits-Zusammenstellungen.