von Mathias Haden, 13.10.2013
Überproduzierter 80s-Rock im Kampf gegen den Zahn der Zeit.
Lange noch, bevor mit Downloads und Filesharing ein neues, praktischeres Medium die Musikgesellschaft überrumpelte, drehte die Schallplatte unumstritten ihre friedlichen Runden. Mit den 80ern wurde dann die angeblich hochwertige CD eingeführt und viele Konsumenten trennten sich für teils Spottpreise von ihrer Plattensammlung. Heutzutage sind LPs wieder im Aufwind, während die CD-Verkäufe langsam (zumindest langsamer als erwartet), aber sicher zurückgehen. Warum ich das hier erzähle? Nun ja, das 1985 veröffentlichte fünfte Album der Dire Straits, Brothers In Arms, war das erste, das eine Million CD-Ableger absetzte und somit als Paradebeispiel für den damaligen Wandel gilt. Mittlerweile gilt das Werk mit über 30 Millionen verkauften Exemplaren als eines der meistverkauften Alben und ist gern gesehener Gast auf diversen Bestenlisten. Legt man den historischen Hintergrund aber beiseite, findet man hier nicht nur eitlen Sonnenschein.
Aber alles zu seiner Zeit. Die britische Band Dire Straits um Sänger und Jahrhundertgitarrist Mark Knopfler hatte in der Zeit um die Aufnahmen mit einigen personellen Änderungen zu kämpfen. Brothers In Arms wurde zu einem der ersten komplett digital aufgenommen Alben. Mit fast 10 Minuten längerer Laufzeit, ohne aber um einen Song erweitert zu werden, stellte es zu der Zeit ein Unikat dar. Mit zwei gewonnen Grammys, internationalem Charttriumph und Lobpreisungen allerorts ging es danach auf eine erfolgreiche Welttournee auf die dann eine Pause folgte.
An der Tatsache, dass hier eine sehr fähige Gruppe von Musikern, angeführt von einer der Stilikonen ihrer Zeit, am Werk ist, gibt es natürlich keinen Zweifel. Knopflers signifikantes und ebenso geniales Gitarrenspiel dominiert hier über weite Strecken und die beiden Keyboardspieler haben auch ihre Momente. Die bekanntesten Songs, Money For Nothing und Walk Of Life, machen natürlich eine Menge her, hat man auch schon dutzende Male im TV gehört. Auch der Rest hält sich aufgrund einer qualitativ hochwertigen Band und einer Reihe talentierter Gastspieler wacker. Beeindruckend etwa das magisch umwerfende Saxophon im schönen Jazzrocker Your Latest Trick oder Knopflers berührendes Geflüster auf dem Closer in Form von Titeltrack Brothers In Arms. Letzterer behandelt wie die zweite Hälfte allgemein das Thema Krieg und Militarismus. Mit Zeilen wie "But it's written in the starlight / And every line in your palm / We are fools to make war / On our brothers in arms" wispert Knopfler einige der schönsten in einem Anti-Kriegs-Song.
Was kann man einer Band also vorwerfen, die mit einem der besten Gitarristen aller Zeiten und einigen knackig prägnanten Riffs, sowie einigen moralischen Appellen punktet? Gar nicht mal so wenig, wie man annehmen sollte. Allerdings gestaltet sich die Suche nach den Problemen schwierig. Die Texte sind großteils ansprechend und auch die Musiker wirken stets gut positioniert. Auch die angeordnete Bläsersektion fügt sich gut ein. Knopflers Stimme, die irgendwo zwischen Dylan und Springsteen liegt, ist zwar nicht jedermanns Sache, trägt aber die einzelnen Tracks über die Gesamtspielzeit von 55 Minuten ganz gut. Apropos Spielzeit: Diese ist dann auf lediglich 9 Stücke aufgeteilt ziemlich überzogen. Songs wie das solide Ride Across The River basieren auf guten Ideen. Nach der Hälfte eines Songs hat man allerdings im Prinzip schon gehört, was man hören wollte, der Rest zieht es dann unspektakulär in die Länge und gibt dem Gesamteindruck eine fade Note.
Grundsätzlich wirkt hier fast alles einfach überproduziert und fällt damit in das Klischee des vorhersehbaren Achtziger-Jahre-Albums. Zu glatt poliert, zu wenig spannend Knopflers starke, aber eintönige Riffs. Das poppige Walk Of Life lädt beim ersten Mal Hören noch zum Tanzen ein, später nerven die übertriebenen, weil allgegenwärtigen Synthies nur noch. Und auch der bereits als Highlight erwähnte Hardrocker Money For Nothing mit seinem starken Riff hätte sich als schmutziger Rock 'n' Roller besser präsentiert denn als sterile Mainstreamnummer. Der Rest kämpft mit überlangen Spieldauern und auch mit der Produktion, manchmal wäre weniger echt mehr gewesen. Etwas ungeschliffener, etwas kantiger, etwas improvisierter. Wirklich schwach ist allerdings nur die mühsame, aber mit 3:41 wenigstens kürzeste Nummer One World. Diese quält sich trotz energischem Gitarreneinsatz nur so dahin. Ein Hauch von Lethargie liegt in der Luft.
Und so ist Brothers In Arms alles in allem ein Werk, das den Zahn der Zeit nicht heil überstanden hat. Selbst die Höhepunkte, die ja durchaus vorhanden sind, nutzen sich innerhalb kurzer Zeit ab. Zerlegt man das Album in seine neun Einzelteile, wird man bei keinem (vielleicht dem einen) zu hart ins Gericht gehen können. Es ist mit Sicherheit kein schlechtes Album und durchaus konstant. Leider eben konstant langweilig und unspektakulär. Verkäufe waren noch nie ein Indiz für Qualität und so kommt es auch, dass die fünfte Veröffentlichung der Dire Straits nicht das halten kann, was der Mythos darum verspricht.