von Kristoffer Leitgeb, 18.12.2013
Ein solides Comeback als Zeugnis davon, dass in Würde altern möglich ist.
Tja, waren das nicht schöne Zeiten, damals? Gemeint sind die 80er. Gut, ich hab sie nicht miterlebt, aber sie sollen zumindest ganz nett gewesen sein. Aber auch nur dann, wenn man sich weit von der einem Tsunami ähnlichen Neuen Deutschen Welle ferngehalten hat - zugegeben, auch da war nicht alles schlecht. Die Auswahl an anderweitiger Freizeit-Beschallung war allerdings zumindest im deutschsprachigen Raum doch beschränkt. Aber es gab ja die Toten Hosen. Da wurde Punk gemacht, so wie er gehört. Mit ordentlich Dampf dahinter, ein wenig Gesellschaftskritik und dem nötigen Humor. Zwei Jahrzehnte später sind die Punk Rocker zu respektablen Mid-Tempo-Rockern geworden, die den Begriff 'Erwachsenwerden' durchaus ernst genommen haben.
Und so liegen die Zeiten von Eisgekühlter Bommerlunder oder Zehn Kleine Jägermeister längst hinter den Düsseldorfern. An Energie ist allerdings über die Jahre augenscheinlich nicht so viel verloren gegangen, denn mit ihrer Comeback-LP "In Aller Stille" finden die Deutschen dann doch wieder zurück zu einem härteren, roheren Sound, als man es im neuen Jahrtausend von ihnen gewohnt war. Als perfekter Einstieg dient da die Single Strom, deren Beginn mit den Zeilen "Hört her und öffnet eure Ohren / Wir sind zurück wie neu geboren" die Marschroute für die nächsten 40 Minuten vorgibt. Mit treibendem Beat und Top-Riff schafft's der Song dann auch verdammt schnell in die offenen Ohren, überzeugt mit einer Art aufpoliertem Punk-Revival der Band.
Ein wenig täuschen die ersten Minuten dann aber doch. Denn es wird mitunter bedeutend ruhiger. Frontmann Campino hat mit seinen nachdenklichen Texten und den ruhigen Melodien schon auf den vorherigen Alben eine starke neue Seite gezeigt, die hier eine Fortsetzung findet. Ruhige Akustik-Gitarren und leichte Streicher dominieren die ordentliche Ballade Tauschen Gegen Dich, ein starker Klavier-Part mit dezenter Unterstützung von Gitarrist Kuddel erwartet einen zu Beginn von Ertrinken und sogar eine Frauenstimme findet ihren Platz auf dem Album. Die zweite akustische Nummer, Auflösen, gerät nämlich zum etwas schwierigen Duett von Campino mit seiner Theater-Kollegin Birgit Minichmayr, die eine eindrucksvolle Performance abliefert.
Trotzdem verpassen es die Jungs dann doch nicht, ihre Instrumente etwas lauter sprechen zu lassen. Mit Die Letzte Schlacht kommt ihnen sogar ein waschechter Protest-Song aus, der einen an das 87er-Album "Ein Kleines Bisschen Horrorschau" zurückdenken lässt. Es sind starke Minuten, die einen in den schnelleren Liedern erwarten. Was auf Innen Ist Alles Neu noch wie eine unbeholfene, angefressene Misanthropen-Nummer wirkt, wird mit Teil Von Mir zur beklemmenden Beziehungsabrechnung, eingeleitet vom vielleicht besten Riff der LP. Gerade in puncto Stimmung kann die Band diesmal doch ordentlich punkten, geraten doch Leben Ist Tödlich, Pessimist oder Angst atmosphärischer und bis zu einem gewissen Grad auch emotionaler als zu erwarten war. In Wirklichkeit überflügeln die härteren Momente hier auch ganz eindeutig die ruhigen, deren Höhepunkt in Form des etwas zu spärlich instrumentierten Tauschen Gegen Dich vor allem wegen Campinos beschränkten Gesangsfertigkeiten nicht so wirkt, als wäre er bestmöglich umgesetzt.
Natürlich hat das Album auch abseits dieser mageren Kritik seine markanten Schwächen. Wir Bleiben Stumm zum Beispiel ist der Inbegriff der langweilen Hosen-Nummer, biederer Soft-Rock, dessen Text um nichts tiefgründiger erscheint als in den Up-Tempo-Songs. Oder Disco, dessen Beat und mieseste Synthies einen auf ungute Art in die beschriebene Szenerie hineinziehen. Bei Auflösen erkennt man dagegen eine verpasste Chance, hätte das Duett doch zu einem emotionalen Höhepunkt werden können, würde das Ganze nicht zu kitschig wirken und von Minichmayrs Stimme etwas erdrückt werden. Und letztlich mangelt es auch den guten Momenten an Originalität. Denn dass man das Intro von Leben Ist Tödlich kurz vorher schon einmal gehört hat, ist ein guter Indikator für die Gleichförmigkeit von so manchem Track hier. Die Arbeit an den Gitarren ist ordentlich, keine Frage, verkommt aber trotz Tempo-Unterschieden bis zum Ende zu einer eher eintönigen Geschichte.
Schade, denn im Großen und Ganzen haben die Hosen und allen voran Campino hier gute Arbeit geleistet. Die Texte sind sympathisch nachdenklich, wenn auch manchmal nicht direkt genug, musikalisch haben die harten Riffs ihren Platz noch nicht ganz räumen müssen und trotzdem bietet einem die Platte genug Abwechslung. Lediglich der große Wurf bleibt über die dreizehn Songs aus. Denn abseits vom Opener Strom scheitert hier alles daran, wirkliche Ohrwurm-Qualitäten zu beweisen, im Gegenzug gelingt es dann doch nicht ganz, genug Gefühl in die Songs zu packen.
Und so stecken die einzelnen Tracks und auch "In Aller Stille" im Gesamten in einer schwer zu beurteilenden Zwischenwelt. Fernab von musikalischer Grässlichkeit und meistens auch frei von Langeweile, allerdings ohne den nötigen Funken an Genialität. So gehört der LP ein Platz im oberen Mittelfeld. Solide Arbeit wurde abgeliefert, mehr wohl aber nicht. Nichtsdestotrotz haben es die ehemaligen Punk Rocker zu respektablen Stadion-Rockern gebracht, mit genug Härte und Kreativität, um auch die nächsten Jahre und Jahrzehnte ihre Daseinsberechtigung zu haben. So ist Album Nummer 14 der Toten Hosen ein 'Must Have' für alle Fans, der Rest der Welt kann auch ohne die Platte existieren, wird sich aber bald damit anfreunden können.