von Kristoffer Leitgeb, 28.02.2020
Für alle Fans des Beobachtens trocknender Farbe wartet hier ein spannendes musikalisches Abenteuer.
Bei manchen Alben weiß man jetzt nicht so wirklich, warum man sie hat. Also schon irgendwie. Vielleicht ist es
einem vermacht worden und war also schon vor einem selbst da. Oder man hat es irgendwo mal in der Ramschecke um 1€ gesehen und sich gedacht, ich mag da den einen Song, da könnte es diesen
extravaganten Preis fast wert sein. Spätestens nach dem Anhören eröffnen sich aber nicht wirklich zu klärende Fragen hinsichtlich der Motivation hinter all dem, hinter einem bewussten,
willentlichen Kauf, selbst wenn er weniger teuer war als 1 Liter Milch. Als Reviewer kann man sich wenigstens noch damit trösten, dass man etwas für ganz unten hat, für das sich nur noch ein paar
einigermaßen passende Worte finden müssen. Genau dafür sind auch die Prinzen da, die primär deswegen da sind, weil Alles Nur Geklaut ein ziemlich cooler Song mit coolem Video ist, wenn
man gerade in einer Stimmung ist, die die Ansprüche in Sachen musikalischer und textlicher Tiefe nicht allzu hoch werden lässt. Sonst ist da nicht wirklich viel außer der Gewissheit, dass diese
seit mittlerweile fast einem Vierteljahrhundert jeglicher Relevanz beraubte Band wenig anderes zu bieten hat. "Alles Nur Geklaut" baut alles auf dieser Tatsache auf.
Aufgrund dessen wird man auch sehr bald eines Irrglaubens beraubt. Denn es wirkt natürlich im ersten Moment schon so, als könnten die Leipziger ein bisschen eigenen Charakter in die Musik und vielleicht gar noch etwas Humor einbringen. Immerhin ist dieser fünfköpfige Chor ausgewachsener Sängerknaben auch mit der Mission angetreten, mehrstimmigen Harmoniegesang und das womöglich noch im A-Cappella-Format zu pflegen, diesen massentauglich zu machen. Während 1993 der Höhepunkt der Massentauglichkeit erreicht war, scheint das nicht wirklich mit interessanten Eigenheiten irgendeiner Art zu tun zu haben. Musikalisch zum Erfolg geformt von der seit NDW-Tagen immer irgendwo im deutschen Pop herumgeisternden Annette Humpe, fühlt man sich gefangen in einer zwecks Aktualität synthetisierten Form des Schlagers. Meinetwegen werden überall Versuche angestellt, sich daraus zu befreien, indem die fünf Sänger ihre immerhin gut abgestimmten Harmonie mal mit aggressivem Sprechgesang abwechseln, bis dieser irgendwann überhaupt in eine Art Pseudo-Rap mündet. Das ändert nur wenig daran, dass träge Beats, unterkühlte Elektronik und geschliffene Riffs letztlich nichts formen, das Spannung, Atmosphäre oder sonst etwas in sich tragen würde. Womöglich dem zentralen Gimmick des Harmoniegesangs geschuldet, ist die Musik fast durchgehend form- und facettenlos, unabhängig davon, ob man nun auf den Eurodance-Mix von Liebe Im Fahrstuhl, den stampfenden Rock von Du Spinnst Doch oder die übrigen, leblosen und kaum die Percussion übersteigenden Arrangements schaut.
Einziger wirklicher Lichtblick inmitten all dessen ist und bleibt der Titeltrack, dessen wenig subtiler, aber gerade deswegen immer noch nachhallender Refrain auch weiterhin nicht schwächelt. Was schon eher das Bild trübt, ist die Tatsache, dass das Video unterlegende "Gitarrenmix", der sich bekanntlich ungewohnt wohl als Grunge- und Metal-Parodie geriert, am Album ja nicht zu finden ist. Stattdessen bekommt man Synth-Pop, der so sehr nach 80ern klingt, dass es zwar auch schon wieder irgendwie als Persiflage durchgeht, trotzdem aber langweiliger und tatsächlich auch weniger gut kompatibel mit den mehrstimmigen Vocals wirkt. Ändert nichts daran, dass an die Hitwürdigkeit dieses Songs hier absolut nichts auch nur annähernd herankommt. Einziger, noch irgendwie als positiv hervorzuhebender Track wäre Aua, das seine gesellschaftskritische Botschaft - den Zeichen der damaligen Zeit primär gegen den Rechtsextremismus gerichtet - zwar auf fragwürdig schlichte Art präsentiert, immerhin aber eine Botschaft hat. Das ist hier schon eine seltene Sache. Die dissonanten Synths machen sich in Verbindung damit auch gar nicht schlecht, genauso wie einer der so vielen hier anzutreffenden, dem Hip-Hop entlehnten Beats für einmal wirkliche Dynamik mitbringt.
Damit kann man die positiven Eindrücke aber dann auch wieder abschließen. Der Rest ist ein Tal der Langeweile, das
interessanterweise so ziemlich nie wirkliche Misstöne hervorbringt. Die Musik klingt also nicht schlecht in dem Sinne, dass man unbedingt weghören wollen würde. Die Kombination nicht existenter
musikalischer Ideen, schnell einmal unspannender Harmoniegesänge und unsagbar uninteressanter, humorarmer Texte führt jedoch dazu, dass sich hier nichts so anhört, als sollte es angehört werden.
Die klinisch tote Sternchenballade Überall? Das stumpfsinnig-fade Romantikstück Mein Portemonnaie? Oder dann eben doch das ziellos dahinstampfende Du Spinnst Doch?
Warum das alles? Wir sprechen da von kompletter Belanglosigkeit irgendwo zwischen witzlosen EAV-Serenaden und Pur. Falls letztere keiner mehr
kennt, gut, denn es war die wohl mühseligsten Erscheinung des deutschsprachigen Pop in den 90ern - und das war die Zeit von Blümchen! Vielleicht kommt man an der einen oder anderen Stelle noch
weit genug, die einfach nicht mehr lustigen Anwandlungen der letzten Ärzte-LP herannahen zu sehen. Das sollten aber dann auch genug
Referenzpunkte sein, um klar zu machen, dass das hier nicht funktioniert. Nicht, weil man sich der stilistischen Grausamkeit hingibt, sondern weil das unfassbar nichtssagend klingt. Und zwar so
sehr, dass man ob der offensichtlichen Bemühungen der Band, das nicht so sein zu lassen, ein bisschen Mitleid entwickeln könnte, da all das nichts hergibt.
Mehr wird es dementsprechend rezensorisch auch leider nicht, denn "Alles Nur Geklaut" macht nicht den Eindruck, als müsste darüber mehr gesagt werden. Ja, Ich Kann Nicht Rappen, Sicherheitsmann und das netterweise tatsächlich a cappella besungene Schlaflied sind in Ordnung, aber auch nur das und deswegen nicht plötzlich spannungsgeladen. Dieses Album ist also, was man vielleicht sowieso davon hat erwarten müssen, nämlich stinklangweilig in kaum geahnten Dimensionen. So sehr, dass der dem Englischen Mächtige es fast als cringy bezeichnen wird müssen, weil es so neben der Spur ist. Man kommt deswegen nicht ganz um die Frage herum, warum das eigentlich hunderttausende Male verkauft wurde, allerdings kann eine tatsächlich starke Leadsingle manchmal Berge versetzen, vor allem wenn sie noch dazu genauso heißt wie die LP. Rund um diesen einen Song bauen die Prinzen aber rein gar nichts auf außer einer ideen- und witzlosen Ödnis, die noch nicht einmal schlecht genug ist, um sich als antimusikalisches Mahnmal verewigen zu können. Stattdessen ist diese Vorstellung so zahm, dass man neben Gähnen eigentlich nur noch etwas anderes aufdrehen will.