von Mathias Haden, 10.10.2013
Death Cab for Cutie beißen sich an den eigenen Ansprüchen die Zähne aus, kreieren letzten Endes aber ein annehmbares Gesamtwerk.
Das ist immer so eine Sache mit Nachfolgern von erfolgreichen Alben. Nur zu oft bezeugte die Geschichte bereits eine extreme Kursänderung als Reaktion auf überschwängliche Kritiken. Kurt Cobain hatte beispielsweise nach seinem Millionenseller Nevermind die Nase gestrichen voll vom Erfolg und ordnete für den in der Retrospektive auch als Klassiker betrachteten Nachfolger In Utero eine 180°-Wendung an. Andere Musiker versuchen hingegen, vom unverhofften Ruhm noch weiterhin zu naschen und verfolgen weiterhin dasselbe Erfolgskonzept. In diese Kerbe dürfte man auch Washingtons 1997 gegründete Indie-Pop-Rock-Band Death Cab for Cutie einreihen. Das Quartett rund um Mastermind Ben Gibbard hatte 2003 mit ihrem vierten Studioalbum Transatlanticism seine große Stunde und wollte sich verständlicherweise noch nicht aus dem Rampenlicht verabschieden. Zu schön der Genuss, seine Songs in diversen amerikanischen Sendungen hören zu können. Dazu noch das Angebot von Atlantic Records, unter deren Fittiche genommen zu werden. Die Vorzeichen standen also recht günstig, einen weiteren Schritt in der Entwicklung nehmen zu können.
Der gelingt auf Plans, dem nunmehr fünften Album nur partiell, soviel sei hier schon verraten. Man merkt der Band zu jeder Zeit die Bemühung an, eine erneute Großtat abzuliefern. Das Ergebnis ist allerdings recht ernüchternd. Death Cab for Cutie ist zu ambitioniert, ein zweites Transatlanticism zu erschaffen und wirkt auf eigenem musikalischen Terrain fast schon ein wenig verkrampft, um etwas Zählbares zu kreieren. Mit dem Opener Marching Bands of Manhattan scheint die Welt noch in Ordnung. Gibbards beinahe-Falsetto trägt den Song mit einer Leichtigkeit, die man zwei Jahre zuvor noch auf dem exzellenten Expo '86 gehört hatte.
Grundsätzlich kann man sagen, dass das Album vor allem in der ersten Hälfte noch zu überzeugen weiß und einige Perlen bereithält. Das schöne, an R.E.M. erinnernde, Soul Meets Body und auch das fesselnde Getrommel auf Summer Skin. Mehr aber noch auf dem Höhepunkt des Longplayers, dem sanften Lovesong I Will Follow You Into The Dark. Dieser ist mehr ein Ben Gibbard-Akustiksoloausflug als ein wirklicher Bandentwurf. Diese berührende Ballade ist heute einer der bekanntesten Songs der Band und führt vor Augen, was für ein talentierter Songwriter Gibbard ist. In erster Linie ist es aber der kreative Rettungsanker eines Albums, das sich in der zweiten Hälfte immer mehr in belanglosen Keyboardsounds verliert. Zu unspektakulär plätschern die Minuten dahin, zu uninspiriert das Auftreten der Musiker.
Zugute muss man ihnen aber halten, dass hier eine Band am Werk ist, die keineswegs lustlos agiert oder eine vertragliche Frist einhalten will. Death Cab for Cutie versuchen hier Großes zu erschaffen, scheitern aber daran. Ersichtlich wird das beispielsweise beim unspektakulären Different Names For The Same Things oder dem kitschigen Someday You Will Be Loved. Sie vermitteln nicht die Tiefe, wie noch auf dem Vorgänger. Großartige musikalische Momente wie auf Soul Meets Body bleiben Mangelware.
Trotz aller Kritik muss an dieser Stelle gesagt sein: Plans ist keinesfalls ein schlechtes Album. Es ist ein solides Gesamtwerk, das lediglich an seinen eigenen Ambitionen zerbricht. Gibbards emotionaler Gesang gibt auch dem schwächsten Song noch das gewisse Etwas, das Fans so an der Band lieben. Hier kommen wir auch zum wirklichen Problem, denn der Frontmann hebt sich teilweise zu sehr von seinen Kollegen ab. Lediglich Chris Walla hat hier mit dem Keyboard noch seine Momente, wie im überlangen What Sarah Said oder auf Brothers On A Hotel Bed. Das ausgewogene Zusammenspiel zwischen seiner Gitarre und den Keyboards wie man es auf Transatlanticism noch gehört hat, fehlt hier aber eindeutig. Hervorzuheben ist hierbei noch das ergreifende Your Heart Is An Empty Room, auf dem besagte Kombination Gibbards Stimme hervorragend begleitet.
Erst im Schlussspurt gehen den beteiligten Herrschaften dann völlig die Ideen aus. Vor allem der langweilige Closer Stable Song zeigt, dass hier die Munition schon früh verschossen wurde und hier noch ein Filler raufgepackt wurde, um auf die Länge von etwa 44 Minuten zu kommen.
Wenn sich eine Band zu hohe Ziele steckt, dann kann es passieren, dass sie sehr tief fällt. Death Cab for Cutie gelingt es mit Plans aber, dieses Schicksal gerade noch abzuwenden. Zu verdanken haben sie dies einem Sänger, der sein Potenzial in gesanglicher Hinsicht sehr, und in Bezug auf sein Songwriting auch zufriedenstellend abrufen kann. Gibbard ist es nämlich, der mit seiner signifikanten und berührenden Stimme das Album über die Dreiviertelstunde trägt und noch halbwegs sanft zu einem Abschluss bringt. Mit ein bisschen mehr Gitarreneinsatz und, auf Albumlänge gesehen, präsenteren Drums wäre hier allerdings mehr drin gewesen.