Dead Kennedys - Fresh Fruit For Rotting Vegetables

 

Fresh Fruit For Rotting Vegetables

 

Dead Kennedys

Veröffentlichungsdatum: 02.09.1980

 

Rating: 8 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 08.11.2014


Ein Besuch dort, wo sich Elvis, die Beach Boys und die Ramones "Gute Nacht" sagen.

 

Lee Harvey Oswald soll ja nach Meinung vieler US-Amerikaner nicht wirklich als einsamer Schütze gehandelt haben. Irgendwas wird schon dahinterstecken, ob CIA, KGB oder FCB. Gut, Letzterer ist eher unwahrscheinlich, aber so ganz trennt man sich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten dann doch nicht vom Gedanken der ewigen Verschwörung gegen die eigene Nation. Warum das alles, fragt ihr? Nun, die zu schlagende Brücke beginnt bei Oswald, führt uns zu seinem Opfer John F. Kennedy und über seinen toten Bruder direkt zu unseren heutigen Stars. Das punkige Quartett der Dead Kennedys - wie eigentlich eh immer aus: Kalifornien - hat ja immerhin ein bejubeltes Debüt geboten und damit dem Punk eine weitere chaotische Facette hinzugefügt. Nicht nur die, wie man merkt.

 

Denn damals, ja, da konnte auch in diesem Genre noch musikalisch revolutioniert werden. Und so glänzt die Band rund um Jello Biafra (nicht nach dem Namen fragen!) mit einer für damalige Verhältnisse einzigartigen Mischung aus hartem, schnellem Punk, altgedientem Surf Rock und dem bassgetriebenen Post-Punk, der sich Anfang der 80er andernorts abspielte. Mit all dem zimmert die Band ein unglaublich unterhaltsames, skurril verqueres Beinahe-Meisterwerk ab. Schon mit Kill The Poor wähnt man sich in merkwürdigen Gefilden, ist doch Gesellschaftskritik noch seltenst mit solch makabrem Humor, gleichzeitig aber mit einer an Parodie grenzenden musikalischen Mischung präsentiert worden. Ein kurzer bluesgeprägter Einstieg wird zum ersten Beweis für Biafras auf grässlich unfähige Art perfektem Organ, nur um letztlich mit rohstem Gitarrensound und großartiger Drumperformance schnell auf Punk-Tempo zu erhöhen. Eine Eröffnung, die kaum besser als solche passen könnte.

 

Denn man bewegt sich oft in ähnlichen Gefilden. Einerseits werden pointiert-offensive Texte serviert, die einen bizarren Humor offenlegen, andererseits paaren sich schnelle und unbearbeitete Riffs mit Erinnerungsstücken an den Rock der 60er und die berühmten Vorgänger von den Ramones. So schlängelt sich die Band durch Titel wie Let's Lynch The Landlord oder Chemical Warfare und überzeugt dabei ohne Unterlass mit ihren energiegeladenen Performances, die zwar Leadgitarrist East Bay Ray mit seinen Riffwänden immer brauchen, dabei aber dank prägnanten Drum- und Bassspielchen nie zu eintönig daherkommen. Die großen Momente spart man sich trotzdem lange auf. Erst zur Albummitte kommt mit California Über Alles der erste der Volltreffer, die die LP eindrucksvoll prägen. Was mit einer großartigen Vorstellung der Rhythm Section beginnt, mutiert zu einem aggressiven Kommentar zum Kalifornischen Gouverneur Jerry Brown, dessen New-Age-Politik die Band nicht ohne Augenzwinkern bearbeitet:

 

"I am Governor Jerry Brown

My aura smiles

And never frowns

Soon I will be president...

 

Carter Power will soon go away

I will be Führer one day

I will command all of you

Your kids will meditate in school!"

 

Während man mit dem kurzen Your Emotions auch ein ironisches Loblied auf die Apathie zum Besten gibt, ist es ein eindrucksvolles Ende, das das Debüt der Band dann zum wirklichen Erfolg macht. Holiday In Cambodia, nicht zu Unrecht einer der gefeiertsten Punk-Tracks, wird zum bedenklich unterhaltsamen Mix aus Surf Rock und Punk, der nach dem genialen Gitarrenintro mit treibendem Bass zum großartigen Ohrwurm wird. Bedenklich ist all das deswegen, weil mit dem Ausflug in das Kambodschanische Diktatoren-Regime von Pol Pot keineswegs für lockere Stimmung gesorgt ist. Nichtsdestotrotz spart Biafra auch hier nicht mit seinem gewöhnungsbedürftigen Humor, der einem im wahrsten Sinn des Wortes merkwürdige Zeilen hinterlässt. Zum Abschluss schmeißt man noch das Elvis-Cover Viva Las Vegas hinterher, das in seinem unnachahmlichen Stil das Original schnell überstrahlt und zu einem würdigen Finale taugt.

 

Dass auch für dieses Quartett nicht immer alles glatt läuft, diesen Beweis vergisst man bei den Dead Kennedys aber auch nicht. Das hyperaktive Drug Me wird zur anstrengenden, in schwindelerregendem Tempo runtergespielten Nummer. Weniger anstrengend, dafür dank musikalischer Trivialität und textlicher Dümmlichkeit ziemlich belanglos erweisen sich dann in einem markanten Durchhänger Nummern wie I Kill Children (noch ganz witzig), Stealing People's Mail (bedenklich schwachsinnig) und Funland At The Beach (naja). Die reißen in das Album ein markantes, aber dann doch kein allzu tiefes Loch.

 

Auch deswegen markiert "Fresh Fruit For Rotting Vegetables" einen äußerst erfolgreichen Start in eine kurze und holprige Karriere. Zerlegt man die Platte in ihre Einzelteile, man könnte sie genüsslich in der Luft zerreißen. Biafras Stimme ist schwere Kost, in konstanter tonaler Schräglage sicher nicht jedermanns Sache. Auf die Produktion gilt es kaum näher einzugehen, die wurde nämlich - so scheint's zumindest - eher stiefmütterlich behandelt, sodass die Gitarren rohest klingen. Die Texte sind in ausgeglichenem Maße brutal und zum An-den-Kopf-Greifen, vermischen Spaß und Ernst auf Ebenen, auf denen man es nicht erwartet und vielleicht auch gar nicht will. Wirft man aber alles in einen Topf, tja, dann kommt etwas....naja, das hier heraus. Man muss es nehmen als das, was es eben ist. Und dieses Etwas ist dann mitunter erstaunlich gut, bei Zeiten gar eindrucksvoll. Fast schon wieder blöd, wenn man als Parade-Punker so gute Arbeit abliefert. Jungs, das muss auch schlechter gehen!

 


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