von Kristoffer Leitgeb, 08.05.2020
Gefühlsechter Mundart-Folk ohne große Allüren, aber auch ohne Treffergarantie.
Freiheit kommt in vielen Farben und Formen. Manchmal in ganz großen und geschichtsträchtigen, manchmal in reichlich trügerischen und scheinheiligen, manchmal auch in kleinen. Vermeintlich kleinen zumindest, weil es dann oft die wichtigsten Freiheiten sind, die man überhaupt haben kann. Jene, zu denken und zu fühlen, was man will und von Natur aus muss, ohne sich dafür zu schämen. Und die Freiheit, das auch mutig in die Welt hinaustragen zu können. Das klingt erst einmal einfacher, als es denn am Ende oft ist. Musiker haben dahingehend naturgemäß ein bisschen einen Vorteil, weil sie ihre Gefühle in schöne Melodien oder zumindest einen klanglichen Mantel hüllen und sie damit ein bisschen weniger direkt machen können. Noch dazu wird aus einer zum Lied geformten, den Hörer erreichenden Gefühlswallung schnell einmal etwas, das Eigendynamik bekommt und ein weit generelleres Gesicht erhält, als es vielleicht ursprünglich gedacht war. Wie dem auch sei, es ist immer noch eine Kunst für den Künstler, die eigenen Gefühle in gerade diese Form zu bringen, dass sie auch für ganz andere noch spürbar sind, ihnen etwas bedeuten. David Und Der Wolf versuchen sich mit ihrem gemeinsamen Debüt daran und treffen zumindest manchmal ins Schwarze.
Das klingt jetzt etwas gar kritisch. Positiver formuliert, spricht die Ehrlichkeit, die Natürlichkeit und Lebensnähe aus jedem dieser zwölf Songs. Dabei ist es mehr als hilfreich, dass sich kein einziger davon irgendwie gearteter Extravaganz oder Stromlinienform ergibt. Stattdessen sind es intime Klänge, oft genug reduziert auf ein Zweigespann an akustischen Gitarren, das sporadisch vom Akkordeon oder dem (Kontra-)Bass unterstützt wird. Entsprechend ist man nicht auf ein Spektakel aus, sondern eher auf berührende, bodenständige Minuten, in denen sich kein Blatt vor den Mund genommen wird, wenn es um die Liebe und das Leben geht. Die beiden dafür verantwortlichen Herren, David Stellner und Wolfgang Schöbitz, beweisen auch sehr rasch ihre Fähigkeiten auf ebendiesem Feld, was auch daran liegt, dass die beiden Niederösterreicher sich netterweise des Dialektgesangs bedienen und man deswegen umso weniger Distanz der beiden zu den gesungenen Zeilen vermutet. Das kann ganz unterschiedlich ausschauen, im besten Fall ist es aber ein locker-flockiger Gassenhauer wie Rien Ne Va Plus, dem der g'schwinde Paarlauf der Gitarren genauso gut tut wie das leichte Augenzwinkern auch beim Am-Boden-Liegen und der Erkenntnis, dass allein kein Weg mehr nach oben führt.
Viele dieser Kompositionen sind dennoch ruhiger und intimer Art, was mitunter nicht weniger mitnimmt. In Ana Finstan Gossn ist bereits mit seinen einleitenden Zeilen dank des großartigen Stimmeinsatzes ein berührender Moment:
"In ana finstan Gossn
Von mein Leb'n
Hots mi valossn
Hätt ollas für sie geb'n
Und jetzt steh I do
Waß ned wohin"
Der stimmlich eindringliche, weil unpoliert wirkende Anfang erfährt eine würdige, sich stetig steigernde Fortsetzung, bald einmal mehrstimmig, vom Akkordeon nicht gestört, sondern verstärkt. Und es geht sich im Laufe der emotionalen Reise sogar noch ein Lichtblick aus, der spät aber doch mit dem friedvollen Langsam bei dem die Lebenslust einen zweiten Frühling erlebt und wieder etwas Einklang zurückkommt. Nichts gelingt dem Duo so gut und vollumfassend, wie dieses Gefühl mit ihrem zurückhaltend-ruhigen, fast schon an Nick Drake erinnernden Akustiksetting einem Song einzuflößen.
So herausragend das gelingt, ist es von dort dennoch noch ein weiter Weg zu einem rundum erstklassigen Album. Letztendlich wird daraus auch nicht so ganz etwas, weil viele der umgebenden Tracks zwar definitiv ihre Qualitäten haben, aber nie so vollends überzeugen, wie es diese drei tun. Steh Auf, Nimm Dein Bett Und Geh ist eine starke postromantische Abrechnung, die ähnlich gemütlich und locker wie Rien Ne Va Plus daherkommt, sich aber ein bisschen mit dem kantigen Klang des unerwarteten Hochdeutsch selbst im Weg steht. Wos Wurscht Is gelingt als Blick auf die wichtigen und unwichtigen Dinge des gesellschaftlichen Lebens zwar textlich, stottert aber musikalisch, fast komplett auf den Bass reduziert, ziemlich dahin. Und I Warat Gern endet an einem Punkt, wo der gefühlvolle Gesang von der melodiefreien, spärlichen Begleitung eher behindert als verstärkt wird. Man hat es also mit so manchem Song zu tun, der wohl genauso viel Potenzial mitbringt wie die besten Minuten des Albums, aber auch einen markanten Haken mitbringen, der aus einem möglichen großartigen Song "nur" einen starken werden lässt.
Verbindet man das damit, dass Wei Du Tramst oder Wir San Beide generell wenig auslösen und weit mehr an einem vorbeiziehen, als es ihnen gut tut, bleibt doch ein bisschen Spielraum nach oben. Das Debüt des heimischen Duos ist dennoch eines, das es mal anzuhören lohnt, weil die beiden unkaschiert ehrlich klingen und ihren Emotionen auf unverfälscht freien Lauf lassen, ohne sich dabei in großspuriger Melodramatik einerseits oder Oberflächlichkeit andererseits zu verlieren. Stattdessen bekommt man Mundart-Folk, der dem Credo "Weniger ist mehr" sehr erfolgreich Rechnung trägt und sich in musikalischer Zurückhaltung übt. Vielleicht passiert gerade das etwas zu sehr, sodass man gerade jene Minuten am meisten in Erinnerung behält, die sich etwas prägnanter inszenieren, wie das eben Rien Ne Va Plus hinbekommt, ohne musikalisch dafür mehr als zwei Gitarren zu brauchen. Kommt dazu noch die intime Emotionalität, ist man hier auf einem sehr richtigen Weg, den es nur weiterzugehen gilt.