David Bowie - Scary Monsters (And Super Creeps)

 

Scary Monsters (And Super Creeps)

 

David Bowie

Veröffentlichungsdatum: 12.09.1980

 

Rating: 8 / 10

von Daniel Krislaty & Mathias Haden, 21.03.2015


Artifizielle Rockopera beschwört vom Hexenmeister höchstselbst. Beep, Beep!

 

Die schrillen 80er und der androgyne David Bowie, das muss sich doch angezogen haben wie das Licht die Motten. Zumindest der erste Albumauftritt des Jahrzehnts übt sich dementgegen eher in moderatem Pragmatismus, zurückgeschraubtes Risiko und handelsübliche Rhythmen katalysieren Bowies Affektion für musikalische Extravaganz. Und doch, Scary Monsters fordert trotz zielsicherer Orientierung, kommerziellen Erfolg zu erzielen, ein aufmerksames Hörbewusstsein, um in Bowies beherrschtes Gedankenchaos einzutauchen. Wer auf Autopilot stellt, verliert. Das Resultat hält abwechslungsreiche Unterhaltung mit einer gut ausgewogenen Spannungskurve zwischen asketischer Unbefangenheit und pompösem Überdruss bereit.

 

Als erste Single folgt das gedankenverlorene Ashes To Ashes ein wenig dem Schablonendenken eines ausgezeichneten Popsongs in Vollendung. Der sehr eingängige Refrain und die ebenso sympathischen Melodien erreichen ihren Höhepunkt im losgelösten Ende und lassen nicht viel Raum zu meckern. Im darauffolgenden Fashion zieht der Gastgitarrist Robert Fripp, seines Zeichens visionärer Kopf der Band King Crimson, wie so oft auf Scary Monsters mit an die groovy Natur des Liedes angepassten, funkigen Riffs die Aufmerksamkeit auf sich. Bemessen an die gesamte Laufzeit ergeht sich die eher schale Disconummer jedoch zu sehr in monotonen Wiederholungen und Langatmigkeit.

 

Zu den unbestreitbaren Glanzpunkten muss zweifellos Up The Hill Backwards gezählt werden. Mit abregendem Chor im Rücken und auch ansonst ungehörter Leichtigkeit tänzeln Bowie und seine Mannen entspannt durch den Nonsens der Zeilen. Aufwühlender spielen sich da bereits wieder die Noten des Covers von Kingdom Come. Während Tom Verlaines meisterhaftes Gitarrenspiel des Originals hier von Fripp sauber gematcht wird, bleibt auch allgemein Bowies Version trotz deutlich bunterer und ausgefallener Klangdichte der Vorlage, was Struktur und Tempo anbelangt, auffallend treu. Erstklassiger Song bleibt erstklassig. Ebengleiche Lobgesänge gebührt dem in juveniler Erinnerung schwelgenden Teenage Wildlife. Auf den knapp sieben Minuten spielen sich wandlungsfreudige Dramaturgie und ein ekstatischer Bowie gegenseitig in einen Rausch, dem auf Scary Monsters nicht mehr beizukommen ist.

 

Ein wenig über die Stränge des guten Geschmacks schlägt hingegen Scary Monsters (And Super Creeps). Auch wenn sich das zum wiederholten Male fantastische Gitarrenspiel jeglicher Kritik entzieht, erreicht der sterile Hochglanz mitsamt synthesizerzersetztem Gesinge nicht wirklich die Höhen der drei zuvor genannten Songs. Ähnlich wie der Titeltrack verirrt sich ebenso Scream Like A Baby ein wenig in den Allüren eines komplexen Künstlerschmuses, dessen Handvoll gelungener Momente – in dem Fall das Finale – aber nicht unerwähnt bleiben dürfen.

 

Alles in allem schenken uns Bowie und dessen Wegbegleiter ein wahrlich besonderes Album mit Ecken und Kanten, über das noch viel zu sprechen und zu hören ist. Die spröden Grenzen zwischen kompositorischem Rückgrat sowie improvisatorischem Freigeist sind oft verwischt und schaffen schlussendlich einen wunderbaren Kompromiss für ein anspruchsvolles Hörerlebnis, ohne sich zu sehr im Morast abgehobener Opulenz zu wälzen. Beep, Beep.

 

D-Rating: 7.5 / 10

 


Der Einstieg in ein neues Jahrzehnt mit dem Besten des vergangenen.

 

Rote Haare, leuchtender Lippenstift, als Pierrot der Clown verkleidet… das Chamäleon macht seinem Namen alle Ehre. Was nur wenige Jahre - in Bowies Karriere allerdings vielen Szenerienwechseln gleichkommend - zuvor gar nicht so abwegig erschien, spätestens nach seinem Ausflug ins Filmgeschäft mit 'The Man Who Fell From Earth' aber langsam abgeklungen war, erlebt am vierzehnten (!) Album nun sein Revival: der Kanarienvogel fliegt wieder. Egal wie exzentrisch seine Figuren in den letzten Jahren waren, jetzt treibt er es erst wieder richtig bunt…

 

… und vergisst nicht darauf, seine Extravaganz mit ordentlich Power rechtzufertigen. Spätestens mit dem zweiten Track Up The Hill Backwards kommt das erste 80er-Stück, das man aus musikalischer Sicht getrost noch zu seinem 70er-Oeuvre zählen darf, mächtig in Fahrt. Ob es nun der groovende Bass ist, der die Aufmerksamkeit auf sich zieht, oder das vom Kollegen bereits genug gepriesene Fripp-Gitarrengewitter - gemeinsam mit einem unglaublich präsenten Protagonisten treibt man sich hier gegenseitig zu Höchstleistungen.

Wie so oft bei unseren Artists of the Week können wir uns auch hier freudig die Hände reichen, wenn es um die Favoriten der LP geht. Ashes To Ashes verweist mit seinem einzigartigen, synthetischen Sound zumindest eines der wenigen Male der LP auf jene offene Tür, durch die man einen kleinen Blick auf die sich anbahnenden Eighties erhaschen kann. Neben seiner genialen Instrumentierung ist aber auch der Text, der eine Fortsetzung zu Space Oddity darstellt, der überzeugt: "I've never done good things / I've never done bad things / I never did anything out of the blue, woh-o-oh".

 

Auch auf den weiteren starken Tracks spielt sich die Begleitband immer wieder in den Fokus. Während Bowie in seinem vom Kollegen passend als "ekstatisch" bezeichneten Gesang, bei dem er eigentlich schon den Crooner gibt, alle Register zieht, liefern ihm Gitarre und Synthesizer die richtige Bühne. Auch Opener It’s No Game macht mit seinen dissonanten, dröhnenden Gitarrenklängen, seiner beklemmend unharmonischen Atmosphäre und den japanischen Wortfetzen, die zwischendurch von einer Frau einfach reingeworfen werden, verdammt viel Spaß - auch wenn der zweite, als Closer fungierende Part dem ersten keine einzige Facette hinzufügen kann und deshalb durchaus überflüssig ist.

Bis auf einen weiteren Ausrutscher, der mit dem eigentlich grotesk einfallslosen, aber mit verzerrtem Gesang und erneut frickelnden - eher frippelnden - Gitarren ordentlich arrangierten Scream Like A Baby dafür mächtig ausfällt, gibt es auf den 10 Tracks ansonsten wenig auszusetzen. Und den Titeltrack auf so kecke Art und Weise auszumustern… also wirklich Herr Kollege, da rückt die erhoffte Gehaltserhöhung wieder in weite Ferne.

 

David Bowie, König der Siebziger, ist endlich in den Achtzigern angekommen - oder auch nicht: Scary Monsters (And Super Creeps) recycelt nämlich so ziemlich jede Idee und jedes angeeignete Stilmittel seiner vergangenen Phasen und mischt sich so einen überraschend funktionierenden Klangbrei zusammen, der auch 25 Jahre nach Erscheinen noch so erquickend frisch schmeckt, als hätte ihn eine dieser Revival-Bands der letzten Dekade aus dem Ärmel geschüttelt. Und um mein Plädoyer ebenfalls mit einem kleinen, passenden Zitat zu beendigen, back to the start: Shirueto ya kage ga kakumei o miteiru… *Hüstl*, ich meinte natürlich das Ende vom Start:

"SHUT UP!"

 

M-Rating: 8.5 / 10

 


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