Die Kraft des berührenden Debüts überlebt diesmal nur einen Song.
Letzte Woche gab's Two Door Cinema Club als Beispiel dafür, wie ein gelungenes Zweitwerk aussehen kann, Damien Rice darf nun die andere Seite übernehmen. Es ist eben doch schwer, die Sache mit der Beständigkeit, vor allem wenn irgendwo im Hintergrund noch Ehrlichkeit und Kreativität zu erkennen sein sollen. Da legt's einen schon einmal gerne aufs Allerflachste hin, bei dem Versuch. Und anstatt hier wie üblich ein paar Beispiele zu nennen, lasse ich dem werten Leser doch einfach mal selbst die Gelegenheit, in den Erinnerungen an große musikalische Triumphzüge zu denken und dann gleich an die Bruchlandungen, die darauf unweigerlich folgten....
So, genug Zeit gehabt. Für den Iren mit dem Herz auf der Zunge ergibt sich zugegebenermaßen auch eine schwierige Prüfung, die er hier angehen muss. Denn das Debüt brachte mit seinem eklektischen und doch immer abwechslungreichen Folk-Rock eine geballte Ladung an Emotion, die einen schwer gebeutelt, aber eben doch beeindruckt zurückgelassen hat. Diesmal: Leere. Was die großen Gefühle anbelangt zumindest, denn sein Folk Rock ist immer noch da. Und wo wir schon bei dem sind, was noch da ist, kurz möchte man auch hier wieder in Tränen ausbrechen. Die Leadsingle und Eröffnung der LP, 9 Crimes, darf getrost als perfekt inszenierte Dramatik in Form einer morbid instrumentierten Klavierballade bezeichnet werden. Der Text passt, der vor allem zu Beginn komplett auf Rice' Piano-Darbietung zentrierte Sound ebenso und dank seiner Weggefährtin Lisa Hannigan wird die erste Minute des Songs zu einer fast unbeschreiblich fabelhaft gesungenen, in der die todtraurige Stimmung alles überlagert.
Leider war's das. "9" zerbricht in der Folge auf eindrucksvolle Art an diesen ohnehin kaum zu erfüllenden Erwartungen, die der Opener einem eingeimpft hat. Stattdessen gibt's mit The Animals Were Gone einen Ausbund an Durschnittlichkeit, dem man zwar Nick Drake anhört, allerdings nichts von dessen emotionaler Performance anmerkt. Überhaupt wirkt das Album enttäuschend schal, gibt kaum einmal eine in irgendeiner Form berührende Vorstellung her, sogar nach wirklich griffigen Zeilen muss man suchen. Zu oft schwimmt Rice hier in vagen Ansagen und Metaphern herum, traut sich gar nicht, irgendwas beim Namen zu nennen. Während das zu Beginn noch glänzend klappt, findet man sich danach mehr und mehr in einer Mischung aus Ahnungslosigkeit und Desinteresse wieder. Daran ändert auch das mühsame Geheule in Elephant oder Me, My Yoke & I nichts, und auch mit dem überaus deplatzierten, plötzlichen musikalischen Kraftakt in Ersterem weiß man wenig anzufangen. Ein lauter Damien Rice ist kein guter Damien Rice.
Da hört man also die zehn Songs und muss hinnehmen, dass musikalisch wenig Neues passiert, ja, noch nicht einmal das bereits Gelungene wieder aufbereitet worden ist, gleichzeitig kann man textlich wenig herauszuzeln und dann der bei Weitem wichtigste aller Makel: Lisa Hannigan, auf dem Debüt klanglich sicher das beste Asset von Rice, wird diesmal hemmungslos in den Hintergrund gedrängt, darf abseits ihres genialen Auftritts in den ersten dreieinhalb Minuten nur die Begleitung von Rice spielen und sich so selten in Szene setzen. Ein Fehler, wie ruhige Nummern a la Sleep Don't Weep oder Accidental Babies beweisen, denen die gefühlvolle Stimme der Irin abgehen. Aber selbst sie kann dann aus einem farblosen Track wie Grey Room (no pun intended) nicht mehr als eine durchschnittliche Fortsetzung von Tracks wie Delicate oder The Blower's Daughter machen.
Während man also ständig vergeblich nach den Stärken des Vorgängers sucht, bringt Coconut Skins dann tatsächlich doch etwas Neues hinein. Ausgelassener Folk-Pop ist es da schon fast, ein bisschen Jack Johnson-Feeling könnte einkehren und so wirklich glauben kann man es nicht, aber es liegt ihm. Die lockere Akustikgitarre ist das Gegenteil von Rice'scher Depressionsuntermalung, auch wenn textlich sicher nicht von eitel Wonne zu sprechen ist, wenigstens aber von ein klein wenig ironischem Unterton. Mittendrin sticht der Song heraus wie ein bunter Hund, kann aber mit dem ebenfalls etwas angriffigeren Rootless Tree für die wenigen lebhafteren Farbtupfer in der ansonsten bescheidenen Darbietung sorgen.
Trotzdem vermögen auch diese im Vergleich großartigen Minuten das Gesamtbild nicht zu retten. Zu oft muss man sich mit biederem Durchschnitt, lebloser Langeweile oder störendem, amateurhaft vorgetragenem Pseudo-Rock wie dem von Me, My Yoke & I begnügen. Die wirklich große Anmaßung wartet aber erst ganz zum Schluss. Denn nachdem Rice einen ja eh nur etwas mehr als eine Dreiviertelstunde mal mehr, mal weniger gelangweilt hat, bietet er zum Schluss eine 16-minütige (!!!) Soloperformance von ihm an tibetanischen Singing Bowls und Weingläsern. Man stelle sich Radioheads Treefingers in komplett unspektakulär, beziehungsweise noch um Einiges unspektakulärer, und in einer unvorstellbaren Länge vor. Wer damit nichts anfangen kann, dem muss Folgendes reichen: Es ist scheiße. So entspannend manche Menschen das finden mögen, nach 50 Minuten wenig mitreißender, bei Zeiten einschläfernder Songs ist das nicht mehr nötig.
Warum also vier Pünktchen? Nun, erinnert man sich noch an diese großartige Eröffnung? Die macht tatsächlich Vieles aus und mit dem kurzen Aufflackern von Vitalität in der Albummitte und Songs, die selten ins Bodenlose absinken, wird ein wirklich vernichtendes Urteil schwierig. Doch dieser eklatante Leistungsabfall muss einem einfach sauer aufstoßen. Aus dem 'King Of Pain' ist ein belangloser, nichtssagender Folk Popper geworden, dem wenig Neues einfällt. Stattdessen werden hier viele Gründe vorgebracht, warum Nick Drake, Elliott Smith oder Joshua Radin besser in dem sind, was Rice macht. Nur 9 Crimes, für das muss man ihm danken.