von Kristoffer Leitgeb, 10.10.2014
Musik aus dem Computer und Monotonie vom Fass. Die Franzosen auf durchwachsenen Pfaden.
Wir alle kennen sie, die stillen Helden des Alltags. Die, die immer zur Stelle sind, wenn Not am Mann ist, aber eben doch immer gesichtslos bleiben, auch ohne Ruhm und Ehre ihren Beitrag leisten. So oder viel mehr so ähnlich ist das ja auch mit so manchem Musiker. Wie viele Songs fallen einem denn ein, wo lange vor dem Namen des Interpreten Schluss ist? Oder wissen sie noch, wer vor Jahren mit Bad Day oder aber Grace Kelly die Charts weltweit paniert hat? In diese Reihe gehört das französische Duo, ohnehin schon aus eigenem Antrieb ziemlich gesichtslos, sogar noch mehr als viele andere. Man kennt fast alle ihre Singles, man weiß es aber nicht unbedingt. Nur der Welthit Get Lucky hat sich in jedermanns Gehirn eingebrannt und dort irgendwo auch den Namen Daft Punk hinterlassen. Acht Jahre vorher hinterließ man eher verbannte Erde.
Also, naja, aber wirklich. Ehre, wem Ehre gebührt. Auch damals gab's zwei allseits bekannte Nummern: Robot Rock und Technologic. Letzteres insbesondere aus Werbezwecken in allen Haushalten, weiß aber wohl auch da keiner mit den Titeln etwas anzufangen. Spricht nicht notwendigerweise gegen die Songs, das gebotene Klangschauspiel hinterlässt auch so einen wirklich starken Eindruck. Denn nach dem alten 'nomen est omen'-Prinzip hätten wir mit Robot Rock einen Track, der mit seinem markanten Riff an die frühen 80er und ihren Stadion-Metal erinnert, mit vocoderverziertem Einzeiler und durchaus vitalen Synthie-Spielereien schnell den Weg ins Ohr findet. Andererseits bietet das überdrehte Technologic eine Gute-Laune-Version von Radioheads Fitter, Happier. Mit hochgeschraubter Stimme ein bisschen die technologische Revolution beleuchtet, natürlich in Dance-typischer Einfachheit als Aneinanderreihung von allerlei Tastaturbefehlen. Dazu gesellt sich ein starker, smoother Beat und ähnlich angesiedelte Synthies, die von Natur aus wenig Anziehendes zeigen, im Songkontext aber weniger nervtötend, mehr spielerisch daherkommen.
Was abseits davon geboten wird, ist treffend beschrieben mit dem Wort Abnutzungserscheinung. Denn, soviel sei im Nachhinein gesagt, selbst die beiden Aushängeschilder der LP plagt eine unsagbare Monotonie, die ihnen gerade so nicht zum Nachteil gereicht. Andernorts schafft man das weniger. Opener Human After All kann zwar zu Beginn mit dem überraschend trockenen Riff punkten, bietet ein gelungenes Intro in den neueren Elektronik-Rock der Platte, ist aber insgesamt der Inbegriff zäher Eintönigkeit. Fünf Minuten des Spektakels, das keines ist, sind zu viel, um der störrischen Kombination aus 'Gesang' und schiefen Keyboard-/Synthesizermanipulationen ihre Vitalität zu belassen. Stattdessen gerät der Track so wie manch anderer hier zu einer weniger erbaulichen Übung in Geduld, das Ende sehnt man zwei Minuten früher herbei. Ähnliche Symptome zeigen Television Rules The Nation oder The Prime Time Of Your Life, versinken doch beide in ihrer abgehackten Härte im Nirvana des Vergessens, nerven mehr als es einem Party-Album steht.
Begründung wird geliefert: Es fehlt am Ideenreichtum. Dieser war am Vorgänger "Discovery" noch allgegenwärtig, wurde dort auch für Schandtaten missbraucht. Diesmal würde man sich schon diese wünschen. Denn der allgemeine Trend zeigt in Richtung Einfachheit und Aggressivität. Unmelodische Elektronik paart sich mit E-Gitarren und Beats, die mitunter an die Substanz gehen können. Daraus wird wenig, dass einem Lockerheit oder gar Spaß verkaufen könnte, viel mehr hat die LP bei Zeiten etwas dezent Unheilvolles, überlagern die synthetischen Dissonanzen doch den Rest allzu oft. Ausnahmen bestätigen aber die Regel und so bilden Make Love und der elendiglich lange Closer Emotion die Front der relaxteren Minuten. Vor allem ersterer darf mit einer Ambient-lastigen Instrumentierung rund um dezente Gitarrenakkorde und ein bisschen Klavierspiel als äußerst wichtige, wenn auch verdammt unspektakuläre Albummitte fungieren. Emotion dagegen ist eben, naja, Daft Punk auf gefühlvoll, was dann ähnlich anheimelnd wirkt wie eine zärtliche Umarmung eines Roboters: Tut nicht weh, der kalte Schauer ist aber nicht zu leugnen.
Dem entzieht sich das im Ansatz großartige The Brainwasher, indem es dem Grundton des Albums in extremem Maße gerecht wird. Ein schwergewichtiger Beat, ein angriffiger, abgehackter Synthie-Mix, der sich bei Zeiten als fünfspurig präsentiert, dazu das dezent beängstigende Computerstimmchen. Ein bisschen Apokalypse ist zu spüren und tatsächlich gelingt so ein wichtiger Ausreißer aus der Mittelmäßigkeit, der beinahe zum einzigen Mal die neue klangliche Ausrichtung halbwegs ins Trockene bringt und verständlich macht.
Ja, kann man machen. Vor allem, wenn man Daft Punk heißt und ein paar Milliönchen verkauft hat. So ganz erschließt sich das Projekt "Human After All" aber nicht. Was der Vorgänger um unnötige Filler zu lang war, fehlt diesmal an Ideen. Es ist ein äußerst eindimensionales Erlebnis, das einen hier erwartet. Und es ist eine Dimension, die nicht zwingend zu horrenden Ergebnissen führt, aber doch eine schwierige. Denn es versteckt sich wenig hinter der vordergründigen brachialen Melodiefreiheit, die sich die Band verordnet hat. Da wird's auch mit Ohrwürmern schwer und stattdessen fühlt man sich auf unbehagliche Art ausgelaugt, wenn man es hier durchgeschafft hat. Ein bisschen was für's Best Of bleibt aber auch auf einem schwachen Album der Franzosen noch liegen, da kann man dann gleich eher zugreifen.
P.S.: Die heutige Zuschauerfrage lautet: Wie heißen die Künstler hinter den Hits Bad Day und Grace Kelly? Wer die Frage beantworten kann, meldet sich bitte mit einem Kommentar weiter unten. Als Preis wartet ein von uns handsignierter und selbstgemachter Origami-Schwan. Viel Glück!