Creed - Weathered

 

Weathered

 

Creed

Veröffentlichungsdatum: 20.11.2001

 

Rating: 4.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 19.07.2019


Der abgehärtete Höhepunkt einer Tiefpunktkarriere.

 

Ha, das hättet ihr euch so gedacht, dass es in alle Ewigkeit keinen weiteren Creed-Review gibt! Zugegebenermaßen hätte die nicht vorhandene Langzeitrelevanz der Post-Grunge-Nervensägen um Scott Stapp genug Rechtfertigung geboten, um sie überhaupt nie zu reviewen. Doch auf der Suche nach unterwältigenden musikalischen Phänomenen stößt man eben irgendwann einmal auch auf dieses, das immerhin auch eine ganze Generation mitgeprägt hat, die rund um die Jahrtausendwende nirgendwo hin flüchten konnte, weil überall With Arms Wide Open war. Diese mit riesigem kommerziellem Erfolg verbundene Omnipräsenz wäre auch anstrengend, würde sie eine gute Band betreffen. Doch Creed sind bestmöglich beschrieben durch ihre in Pathos getränkten, potthässlichen Cover Artworks: Auf dem Puls der Zeit, nach fünf Jahren aber nur mehr peinlich. Und so war die Herrlichkeit auch kurzfristig, Stapps Unausstehlichkeit sei Dank. Denn "Weathered" war erfolgreich genug, um eine Forsetzung zu ermöglichen. Ein Glück, hat man sich das erspart.

 

Auf der anderen Seite ist die dritte LP der Band ein Entwicklungsschritt, den man nicht ganz ignorieren sollte. Auf einer dritten Seite kann man die Frage stellen, ob solch minimale Veränderungen und vor allem kaum nennenswerte Verbesserungen relevant genug sind, um wirklich als Entwicklung durchzugehen. Aber man hört sie, selbst wenn man es mit mäßiger Aufmerksamkeit für das Gebotene nicht einmal darauf anlegt. Hauptverantwortlich dafür ist, dass zumindest zwischenzeitlich der Geist der Geradlinigkeit und Härte Einzug hält. Der war zwar auf den Vorgänger schon auch ganz vereinzelt auf Kurzbesuch, hier startet die um ihren Bassisten reduzierte Band allerdings gleich im richtigen Tonfall. Bullets und Freedom Fighter sind zwei der besten Beispiele dafür, dass selbst Creed ein passables Best-Of-Album abliefern könnten. Hauptverantwortlich dafür ist Mark Tremontis unbarmherzig harte Arbeit an der Gitarre, durch die er einen großartigen Riff bestmöglich präsentiert. Zumindest ist das die Geschichte hinter Bullets, in der sogar Stapps melodramatischer Gesang auf ein Minimum reduziert wurde und weit eher durch wutgetränktes Geschrei überschattet wird, das den Refrain ausfüllt. Das wirkt, verdammt gut sogar - und im Vergleich zu archetypischen Songs der Band klingt es wie eine musikalische Offenbarung. Freedom Fighter schließt daran nicht nahtlos an, weil es sich vergleichsweise etwas schleppender präsentiert und die Strophen etwas brustschwach mit hartem Rockriff verkleidet sind. Doch trotz Schwächen auf der textlichen Ebene, die sich bei allem effektiven Einsatz von spürbarer Wut nicht ganz vom Pathos befreien hat lassen, ist das ein mehr als gelungener Start.

 

Das erwartbare und unausweichliche Erwachen folgt natürlich, weil Who's Got My Back? abseits des indianischen Gesangs im Intro eine Rückkehr zum schmerzhaft bedeutungsschwangeren und verweichlichten Post-Grunge der erfolgreichsten Creed-Songs bedeutet. Glattpoliertes Gezupfe an der Gitarre kann schon funktionieren, das kann man nicht einfach so in Abrede stellen. Mit Stapps gepresstem Gesang im Vordergrund und diesem plakativsten Haschen nach Emotion und Atmosphäre kehrt man aber unweigerlich zum Vergleich mit der veralteten, grausam hässlichen Collage auf dem Cover. Wenn etwas so offensichtlich bearbeitet und synthetisch ist, sollte es mehr anzubieten haben als Egozentrik, aufgeblasene Dramatik und weltschmerzliche Übersteigerung in lächerlichster Form. Doch das waren und sind Creed, weswegen man sich auch damit abfinden muss, dass diese Hybridform aus stadionfreundlicher, rockiger Opulenz in geschliffener Form und weichgespülter Weinerlichkeit immer noch das Gros des Repertoires bildet. Man schafft es trotzdem, sich diesbezüglich meistens etwas zurückhaltender zu präsentieren, weswegen selbst schwierige Minuten wie die von One Last Breath dank eines einigermaßen gelungenen Refrains hörbar werden.

 

Vor allem zum Ende der LP sieht man sich allerdings mit einer zunehmenden Zahl solcher Songs und dem Gipfel des Kitschs, Don't Stop Dancing, konfrontiert. Eine grausame Hoffnungshymne, die sich bis zu einem Maß an geschmacklich fragwürdigem Schmalz steigert, um zu einem rundum lächerlichen Refrain zu gelangen:

 

"Children don't stop dancing
Believe you can fly
Away, away"

 

Wäre man da nicht ohnehin schon an einem Punkt, wo man mit Weghören beschäftigt ist, würde einem nur eine Frage bleiben: Sollens jetzt tanzen oder wegfliegen, die Gschroppn? Man weiß es nicht und geht davon aus, dass auch Scott Stapp es nicht so wirklich gewusst haben kann. Natürlich wäre all das verschmerzbarer, wenn nicht eine lähmende Schwere in der Musik Einzug halten würde, die bereits davor eher Adult-Contemporary-Potenzial suggeriert, als dass man dem blueslastigen, natürlich trotzdem noch vom Grunge zehrenden Sound Effektivität oder interessante Aspekte zugestehen könnte. Dafür sind diese im gemäßigten Tempo praktizierten Wechsel zwischen leichten, aber dann doch vom Produzenten zu großem Volumen gebrachten Akustikzupfern und mäßig definierten Riffwänden in den dröhnenden Refrains zu aufgelegt und banal. Relativierend muss man anmerken, dass auch ein vollkommen ruhige, teilakustische Abschluss Lullaby nicht wirklich eine Verbesserung darstellt, auch wenn die ausgelutschten Songstrukturen kurzzeitig aufgegeben werden. Das bringt einen an den Punkt, wo die wenig überraschend sehr erfolgreiche Leadsingle My Sacrifice beinahe zu einem Lichtblick, wenn auch einem durchschnittlichen, mutiert. Obwohl sie eigentlich nur als inoffizieller zweiter Teil von With Arms Wide Open bezeichnet werden kann. Immerhin eine etwas härtere Fortsetzung.

 

Wirklich glücklich - also nicht wirklich glücklich, aber naja - wird man aber eigentlich nur mehr mit dem Titeltrack. Weathered ist der einzige, offensichtlich dem Blues Rock zugewandte Song der Band, der tatsächlich wirksam zusammengebaut und intoniert ist. Deshalb werden Erinnerungen wach an die bessere Seite der Mitt-90er-Metallica-Inkarnation, die ja genauso ihre Schwierigkeiten mit einem verweichlichten und behäbigen Hard Rock hatte, ihn aber bei Zeiten sehr eindrucksvoll durchbrochen hat. Creed gelingt das mit Weathered ebenfalls, auch wenn man die langatmige zweite Songhälfte mit ihren vielen Wiederholungen des Refrains gern etwas gekürzt hätte.

 

Unterm Strich ist das allerdings immer noch ziemlich wenig. Das reicht immerhin für das beste Album der Band, aber Creed sind definitiv nicht in der Lage, sich einigermaßen auf ihre Stärken zu konzentrieren. Die liegen realistisch betrachtet fast ausschließlich bei Mark Tremonti, soweit sich das heraushören lässt. Nachdem aber Scott Stapp Frontmann und als solcher dauernd gesanglich tätig ist, noch dazu für die Texte verantwortlich zeichnet und wahrscheinlich nicht wenig Anteil daran hat, dass die Band so weichgespült, klischeehaft und in jedem Ton um große Bedeutung kämpfend klingt, bringt einem ein starker Gitarrist nicht viel. "Weathered" lässt den aber wenigstens etwas mehr zur Geltung kommen und lässt bei Zeiten die Melodramatik zumindest so weit links liegen, dass sie sich musikalisch nicht manifestiert und die Texte nur Nebensache sind. Dann klingt das Ganze eigentlich ganz ordentlich, aber das sind schon gewaltige Limitierungen, die dadurch umso offensichtlicher werden. Da wundert es auch nicht, dass nach diesem Album Schluss und mit Alter Bridge eine Band ohne Stapp geformt war.

 

Anspiel-Tipps:

- Bullets

- Freedom Fighter

- Weathered


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