von Kristoffer Leitgeb, 17.01.2015
Creed speien einen seelenlosen Brocken aus, der unter anderem die Frage aller Fragen aufwirft.
In Wirklichkeit ist ja das mit der Qualitätsprüfung bei Musik gar keine so schwere Sache. Da zerbrechen sich Leute endlos den Kopf über die Komplexität der Arrangements, die kunstvolle Verarbeitung persönlicher Themen oder auch einfach nur die Finesse der werkenden Musiker und letztlich lässt sich doch alles auf eine ganz wichtige Frage herunterdividieren: Hat das Album eine Daseinsberechtigung? Klingt erstmal blöd, denn grundsätzlich hat ja alles, was verkauft wird, allein deswegen eine solche. Irgendjemand will es hören, also soll es gemacht werden. Auf persönlicher Ebene bedeutet die Frage aber ganz einfach: Erzeugt das Album irgendwelche Emotionen? Die können natürlich verschiedenst geartet sein, ob Freude, Trauer, Wut oder einfach nur Überraschung. Und da stimmt man dann schon viel lieber zu, oder? Zumindest irgendetwas abseits der Frage 'Warum?' sollte es schon in einem hervorrufen. Creed scheitern genau daran.
Denn Creed bewegen sich in einer Zwischenwelt, die irgendwann 1991 ("Nevermind") ihren Anfang nahm und 2005 ("All The Right Reasons") den Höhepunkt unrühmlichen Erfolgs erreichte. Während man nämlich bei den Fabrikanten von ersterem zuallermindest immer Spaß haben und denen von letzterem immer genüsslich Vorwürfe machen konnte, ist mit dem Magnum Opus dieser Grungies nichts von all dem machbar. Wundern kann man sich, das schon. Wie ein solches Album 20 Millionen Mal verkauft werden konnte. Abseits davon zeugt der biedere Hard Rock der Band aber von einer fast schon einzigartigen, kaum zuordenbaren Nichtigkeit. Gewichtige Worte finden sich zuhauf, genauso wie omnipräsente Riffwände, nur Verwendungszweck ergibt sich kaum einer dafür.
Es könnte die brave, pseudo-spirituelle Art dieser Songs sein, die ihnen das Genick bricht. Sänger Scott Stapp trägt nämlich Glauben und Hoffnung in sich. Oder aber er schreibt seine Texte nur, um sich selbst von selbigen zu überzeugen. Treffend beginnt man mit Are You Ready?, das zwar mit dem leicht auszudenkenden Refrain ganz einfach das Album einläuten könnte, sich dagegen aber schon selbst als Suche nach dem ganz eigenen Lebensweg wichtig macht. Und während Stapp mit den Worten: "Don't want to follow / Down roads been walked before / It's so hard to find unopened doors" den Augenöffner einer ganzen Generation zu stemmen versucht, gibt sich der knöcherne Riff im Hintergrund ähnlich zahm. Genau auszumachen ist die Schwäche nicht, Seelenlosigkeit lässt sich im geschliffenen und doch harten Sound von Creed aber irgendwo nicht leugnen.
Auch deswegen fallen ausschweifende Songbeschreibungen fast unweigerlich unter den Tisch. Alle sind sie geprägt von mehr oder weniger stimmungsvollen, trägen Strophen mit fadem Bassantrieb und meist unlocker dahingezupften Gitarren. Und natürlich, ganz Grungeisten, paaren sie das mit dem röhrenden Ausbruch pünktlich zum Refrain. Darüber legt sich Stapps gepresstes Jaulen und seine gleichsam streichelweichen wie unheilsamen Texte, die das Leid der Welt doch allzu oft besingen. Say I, Faceless Man oder Never Die heißen da die Anwärter für den Track, der die frappante Mittelmäßigkeit der LP am besten einfängt. Selbst ein Welthit wie Higher weiß mit seinem zur Hymne gemachten Refrain nur kurz zu überzeugen, ergibt sich der albumeigenen Konkurrenz recht schnell.
Die wiederum findet zumindest sporadisch einmal in ergiebigere Spuren. Das Duo What If und Beautiful zeigt sich schon früh wohltuend frisch und munter, auch weil dort so etwas wie Gefühl aufzuschnappen scheint. Der stimmungsvoll-ruhige Einstieg in ersteren gelingt, leitet damit aber die wenigen augenscheinlich wütenden Minuten auf "Human Clay" ein, die sich mitunter dem Nu-Metal annähern und mit dem knusprigen Riff für gediegene Unterhaltung sorgen. Da kann der unnötig bremsende Refrain nicht mehr viel dagegen tun, der Song kann ein bisschen was. Vor allem weil sich Gitarrist Mark Tremonti von einer aktiveren Seite zeigt, die teilweise aufsteigenden Soft Rock-Tendenzen hier im Keim erstickt. Beautiful spielt denen zwar eigentlich in die Hände als Abrechnung mit der herzlosen Geliebten, gibt sich aber weniger defensiv als man erwarten mag. Sowohl die Bassstrophen, als auch der harte Refrain machen sich gut, sorgen für atmosphärische Klänge, die die LP nirgends sonst zu bieten hat. Auch weil sich Stapp nicht der schwelgenden Romantik ergibt, sondern in seiner Beschreibung der Eisprinzessin ausreichend Wut durchklingen lässt.
Das war's dann aber für längere Zeit von der guten Seite der Band, abgesehen von Wrong Way, der als etwas härterer Beautiful Part II Aktivität vortäuscht. In Wahrheit muss man aber schon auf die Megasingle With Arms Wide Open schielen, die sich in ihrem Kitsch zumindest als wirklich stimmige Komposition präsentiert, wenn auch dezentes Unwohlsein ob der lyrischen Übersteigerung höchsten Maßes nicht zu leugnen ist. Und während einem so zwischendurch Schwachsinn wie: "I can't sleep beneath the trees of wisdom / When your axe has cut the roots that feed them" unterkommt - wen interessiert schon, wo das war? -, spürt man gegen Ende erst so wirklich, wie sehr die Band am eigenen Durchhaltevermögen zehrt. Dort werden nämlich die Arrangements, die aber auch wirklich nur ganz, ganz dezent den vorhergehenden ähneln, zu einer Bewährungsprobe in Sachen Geduld.
Man hat sie bestenfalls nicht. In Zeiten von Downloads hier und Downloads dort und 'wen interessiert eigentlich noch ein ganzes Album?' hätte man es mit "Human Clay" wohl wieder etwas leichter. Man nimmt sich einfach das, was Charakter und Emotion vermuten lässt, den Rest kann man sich denken. Denn so facettenreich wird nicht gearbeitet, dass A + B nicht zwangsläufig C ergeben würde. Wer aber noch der alten Sitte anhängt, einer LP in ihrer vollen Länge die Ehre zu geben, wäre gut beraten hierum einen Bogen zu machen. Nicht weil diese elf Songs grausam sind, sondern nur weil sie so substanzlos und nichtssagend wie möglich sind. Dass sie einem nicht wehtun, ist da nicht Verteidigung genug.