While The City Sleeps, We Rule
The Streets
Veröffentlichungsdatum: 10.10.2006
Rating: 4 / 10
von Mathias Haden, 06.10.2017
Wer in der Wüste Erleuchtung findet, der gründe eine Synthpop-Band mit Pop-Punk-Affinität...
Die letzte Woche mit A Fever You Can't Sweat Out hat uns vor Augen geführt, dass man auch mit einer ziemlichen Weichbirne als Mentor (Pete Wentz) gute
Ergebnisse erzielen kann. Ist genug Eigenständigkeit in Verbindung mit dem vorhanden, was manche als "gewisses Etwas" bezeichnen, besitzt ohnehin jede Zusammenarbeit das Potenzial einer
fruchtbaren Entwicklung. In den meisten Fällen, wie dem heutigen, weiß die entsprechende Weichbirne (Pete Wentz) sehr schnell auf die falschen Pfade zu führen. Besonders, wenn man Gabe Saporta
heißt und abseits von einer kurzlebigen "Emo-Post Rock"-Band, was auch immer das sein mag, mit verspätetem Anklang nur eine schmissige Hollaback Girl-Parodie vorweisen kann, die ihm und
seiner Band Cobra Starship die Bekanntschaft mit besagtem Mentor und dessen Label einbrachte.
Noch seltsamer wird die Saporta-Erfolgsgeschichte aber, wenn man den historischen Rahmen näher unter die Lupe nimmt. Während er auf der Suche nach Inspiration in der Wüste Arizonas unterwegs war
und dem einen oder anderen Indianerstamm einen Besuch abstattete, kam ihm die Idee einer poppigen Band mit Einflüssen aus Elektronik und Hip Hop. Was schon in seiner Vorstellung höchst ungut
anmutet, wurde durch die Beteiligung von Wentz sicher nicht vielversprechender, eher noch um dessen Pop-Punk-Background und die biederen Witze seiner Stammband Fall Out Boy augmentiert.
So verwundert es auch kaum, Titel mit Namen a la Being From Jersey Means Never Having To Say You're Sorry, Send My Love To The Dancefloor I'll See You In Hell (Hey Mister DJ) oder Pop Punk Is Sooooo '05 zu begegnen. Was im Jahr 2006 der Debüt-LP While The City Sleeps, We Rule The Streets noch das große Ding war, klang schon damals fragwürdig, elf Jahre später zu weiten Teilen nur nervig. Als unüberwindlicher Reibepunkt erweist sich The Church Of Hot Addiction, bei dem man sich dank seines beschissenen Titels schon a priori dazu zwingen muss, sich auf ein Hörerlebnis einzulassen. Kurzum: man wird für die mutige Entscheidung pro nicht belohnt. Was mit einem für Cobra Starhip-Verhältnisse harten Gitarrenriff einläuft, stellt schon nach einer halben Minute die Weichen auf flippigen Club-Sound mit Backgroundchants, Handclaps und ziemlich dümmlichen, einleitenden Zeilen:
"Just let me ask you:
Hey, have you heard of my religion?
It's called the Church of Hot Addiction
And we believe that God has lust for everything"
Abgesehen davon bekommt man von Gitarren als treibender Kraft nicht immer viel mit, dominieren Synthesizer zumindest das Geschehen der Hälfte der versammelten Tracks. Der fluffige Lovesong The Ballad of Big Poppa and Diamond Girl, der trotz Autotune-Gewurstel und seinem lausigen Titel entsprechenden Lyrics zu den besseren Stücken des Debüts zählt, steht dabei stellvertretend für die eine Marschrichtung des Quintetts aus New York, auch die Ballade The Kids Are All Fucked Up bedient sich dem Werkkasten für rasch und kostensparend zusammengewürfelte Synth-Hymnen.
Generell ist wieder einmal zu konstatieren, dass die Mischung aus Synthpop und Affinität für unspektakuläre Hip Hop-Beats nicht unbedingt als genialische Idee der Noughties in Erinnerung bleiben wird. Zumindest so lange nicht, bis irgendwelche Hipster Mittel und Wege finden werden, der allgemeinen Abneigung entgegen Genuss an dieser albernen Synthese verspüren zu können. Gut nur, dass mit der Wentz'schen Pop-Punk-Institution schlechthin eine zweite Strömung vertreten ist, die den luftigen Synth-Nummern als Gegenwirkung Einhalt gebietet. Dass hyperventilierende Pop-Rocker wie It's Warmer In The Basement oder Pop Punk Is Sooooo '05 im Windschatten des FOB-Bassisten ebenfalls keine Offenbarungen sind, kann man sich denken. Das bisserl Dynamik und Tempo tut der LP dennoch gut. Interessant dabei ist, dass der kurzweiligste Track, Snakes On A Plane (Bring It), die unguten Facetten beider Seiten der LP vereint, mit lausigen Hip Hop-Elementen garniert ist und trotzdem als Party-Anthem der besseren Art durchgeht.
Ummantelt mit einer lästigen akustischen Lagerfeuernummer (Being From Jersey Means Never Having To Say You're Sorry), bei der man das Lagerfeuer tatsächlich knistern hört und einem überraschend bodenständigen Rocker (You Can't Be Missed If You Never Go Away) ist der Braten angerichtet. Nicht gerade heiß, gelegentlich nicht einmal lauwarm, aber zumindest nicht mehr im Plastikpackerl. Gabe Saporta ist ein mäßig talentierter, aber überdurchschnittlich nerviger Sänger, der besser dran gewesen wäre, den Rest seiner Tage in der Wüste Arizonas umherzuwandern und seine Band steht dem eigentlich in nicht viel nach. Nichtsdestotrotz hat Debüt While The City Sleeps, We Rule The Streets diverse freche Eigenheiten und kurzweilige Momente, die zwar nichts an einem entsprechend mauen Resümee ändern, aber dafür sorgen, dass zumindest das erste der vier Alben des Quintetts vor dem wertungstechnischen Abyss verschont bleibt. Cobra Starship wird zwar immer die unerträgliche Synthpop-Band mit Pop-Punk-Affinität unter den unerträglichen Pop-Punk-Bands mit Synth-Affinität bleiben und man könnte schnell eine Grundlage dafür finden, hier weitere Punkte abzuziehen, für heute lassen wir es aber gut sein.