von Mathias Haden, 27.05.2015
Wenn der Name zum Programm wird oder Seichter Dance-Exzess mit der Lizenz zum Partymachen.
Wenn das letzte Jahrzehnt in musikalischer Hinsicht neben zahlreichen Revivals, banalem Dance-Pop und biederem Pop-Punk noch etwas gebraucht hat, dann wahrscheinlich eine schmierige Dance-Pop-Punk-Band mit 80er-Einflüssen. Und hier sind sie auch schon, die Hormonbolzen um Gabe Saporta, Cobra Starship. Mit Titeln wie Being From Jersey Means Never Having To Say You're Sorry, The Church Of Hot Addiction, The Ballad Of Big Poppa And Diamond Girl oder meinem persönlichen Favoriten, Pop-Punk Is Sooooo '05, eroberten die 2006 die Herzen von... ja wem eigentlich? Verkaufen wollte sich der Wave-getränkte Pop mit dem Punk-Factor von Panic! at the Disco im Zeitalter von Panic! at the Disco dann doch nicht, obwohl das ebenfalls brillant betitelte While The City Sleeps, We Rule The Streets gar nicht einmal so ungenießbar war, wie diese zynische Einleitung vermuten ließe. Umso verwunderlicher, dass erst LP Nummer 3, Hot Mess, 2009 zum Chartstürmer wurde.
Umso weniger verwunderlich wiederum, dass gerade diese vergleichsweise beschissen daherkommt. Immerhin haben die New Yorker weiterhin ein Händchen für interessante Songtitel und eine gehörige Portion Selbstironie, denn eine Nummer wie Pete Wentz Is The Only Reason We're Famous würde sich trotz unbestreitbarem Wahrheitsgehalt (danke Pete) nicht jede Band selbst an die Stirn kleben. Schade nur, dass der Titel tatsächlich das Spannendste an dieser darstellt, denn die Mischung aus billigen Synthie-Sounds in Verbindung mit für die Band fast schon aggressiven Gitarren geht überhaupt nicht auf, selbst textlich hätte man sich zumindest ein bisschen mehr Humor erwarten dürfen. Ganz schlimm auch die Single Good Girls Gone Bad, die mit ihrer bandcharakteristischen, hymnenhaften Hook und seichtem Elektro-Beat die Begriffe 'Mallorca' und 'Ballermann' gefährlich nahe heranbringt und sich mit ihrem peinlichen Pseudo-Rap-Part noch die Krone aufsetzt.
Leider wird es auch in der Folge nicht wirklich besser. Das Quintett aus New York gibt alles, um ja nicht reifer als am Debüt zu wirken, was sich wiederum in Stücken wie You're Not In On The Joke und The Scene Is Dead; Long Live The Scene niederschmettert. Obwohl, hier sollte man nicht vorschnell urteilen, denn gerade diese sollen sich noch zu winzigen Lichtblicken (etwa 2,8 Watt) der LP mausern. Während Ersterer trotz furchtbarem Gesang und unpassender Härteeinlage gegen Ende mit seinen grotesken Synthspielereien und Computer-Sounds zumindest höchst einzigartig, fast schon avant-gardistisch klingt, sind es bei Zweitgenanntem genau der konventionelle 80s-inspirierte Sound und seine schwungvolle Einfachheit, sprich das Gegenteil, die so etwas wie Sympathie aufkommen lassen. Da verzeiht man auch schon fast den juvenilen Schwachsinn der Amis: "I've just got one side to show you all: / My ass is awesome / so smile when you're kissing it".
Langsam sollte doch der Part kommen, an dem von den Rettungsankern des Albums zu lesen sein müsste, die eine völlige Katastrophe noch irgendwie verhindern können. Nun, so einfach macht es einem Hot Mess nun leider nicht. Immerhin gelingen Cobra Starship ab und zu ein paar richtige Entscheidungen. The World Will Never Do kann jedenfalls einen souveränen, smoothen R&B-Beat vorweisen, zudem einen soliden, wenn auch etwas gelangweilten B.o.B. in einer kleinen Gastrolle; dafür zeigen einem Saporta und eine ungute Dosis Auto-Tune eindrucksvoll, wie man auch die sichersten Fundamente in die Luft jagen kann. Es bleibt also bei den gutgemeinten, schlecht umgesetzten Ansätzen im Wechselspiel mit hoffnungslosen Fällen der Marke Hot Mess, mit seinem substanzbefreiten Elektronikschnicksack, der uninspirierten Party-Hook und seinen noch weit uninspierteren Lyrics:
"Well you're a
Hot mess and I'm fallin' for you
And I'm like, hot damn
Let me make you my boo"
Erfreulich unspektakulär fallen dagegen das fast schon mitreißende Move Like You Gonna Die Soon, ein eindimensionaler Rocker mit leicht erhöhtem Spaßfaktor, und der ordentliche Opener Nice Guys Finish Last, der manifestierten Pop-Bombe mit abwechslungsreichen, elektronischen Soundspielereien und amüsanten Chants aus, die in etwa jene Funktion einnehmen, derer der letzte Absatz geschuldet war.
Wirklich zu helfen vermögen diese dem trüben Gesamtbild aber nicht. Hot Mess ist eines dieser berüchtigten Sommeralben, die selbst im Sommer so gar nicht funktionieren wollen. Zwischen Pseudo-Hipstertum, Post-Emo-Weisheiten und dem einen oder anderen Bier zu viel versuchen Cobra Starship, das letzte bisschen Punk ad acta zu legen und mit seichtem Dance-Pop ein Publikum zwischen 10 und 15 zu erreichen. Dass das mit beschämenden Partyhymnen wie Good Girls Gone Bad auch wirklich funktioniert, verwundert mit einem kritischen Blick auf die heutige (und jede andere, beeinflussbare) Jugend nicht weiter, peinlich wird es nur für alle anderen (professionellen und nichtprofessionellen) Kritiker, die die LP zum unterhaltsamsten Pop-Album des Jahres küren. Denn für eines sorgt Hot Mess ganz bestimmt nicht: Unterhaltung - selbst in ihrer niedrigsten Form nicht. Wiederum danke Pete, diese Sommerbanalität könntest selbst du nicht rechtfertigen.