Christina Stürmer - Nahaufnahme

 

Nahaufnahme

 

Christina Stürmer

Veröffentlichungsdatum: 24.09.2010

 

Rating: 3.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 14.01.2017


Es geht natürlich auch noch belangloser.

 

Mir scheint, manche meinen, ich wäre bisher mit meinen Ratings zu generös gewesen gegenüber Österreichs schwach strahlendem Fixstern am Pop-Firmament, Christina Stürmer. Ich werde mich jedoch nicht dem Druck von außen beugen, nein, niemals! Hier bleibt man standhaft und lässt sich nicht manipulieren. Deswegen wird sie hier auch weiterhin gewürdigt werden und keine vernichtenden Bewertungen bekommen!

Oh, scheiße, diesmal ist sie ja wirklich miserabel unterwegs. Da will man einmal konsequent wirken und dann haut einem die mit ihrem Quotenpop einen Ast vor die Füße, also wirklich. Damit wären wir wieder an dem Punkt, wo man getrost sagen könnte, es ist auch auf "Nahaufnahme" alles so wie immer bei der Stürmerin. Ein bissl Gesang, ein bissl Romantik minus der Romantik und sogar ein bissl Gitarren. Aber was vermeintlich persönlich und gesetzt wirken sollte, erweckt stattdessen den Eindruck lustloser Ideenlosigkeit und fundamentaler Lethargie. Und damit ist sie jetzt genau dort, wo sie ganz sicher nie hin wollte, nämlich im Tal der charakterbefreiten Dauerzahmen.

 

Perfekt illustriert dadurch, dass Leadsingle Wir Leben Den Moment im Großen und Ganzen dem Namen entsprechend die lebhafteste Performance des ganzen Albums ist. Der Song selbst ist jetzt nicht schlecht, eigentlich so gar nicht. Aber eben doch eine zu lang im Weichspüler gebliebene Up-Tempo-Nummer, die neben ansehnlicher Eingängigkeit leider auch mit Konturlosigkeit aufwarten will. Man nimmt es trotzdem, weil genau so ein Song immer auf ihren Alben drauf sein muss und nach Fieber die Formkurve auf dem Feld wirklich nur bergauf gehen kann.
Nur bleiben eben noch elf Tracks über und weil Stürmer aus unerfindlichen Gründen den rockigen Ansatz des ordentlichen "Lebe Lauter" schleunigst wieder verabschiedet hat, bleibt ein Haufen Kompositionen, die mal semi-balladesk daherkommen, dann aber wieder die volle gestelzt-kitschige Breitseite auffahren. Zeitlupe ist noch in der ersten Kategorie, deswegen erträglich, allerdings textlich so weit an der Authentizität und emotionalen Nachvollziehbarkeit vorbei, dass wenig mehr als Gitarren-Pop überbleibt, um sich gemächlich an einem vorbeizuwälzen.

 

Da klingt dann auch ganz geschwind ein Song wie der andere, weil sich der Sound der streichelweichen Riffs in unvorteilhafter Uniformität zeigt und sich an der Front der Mid-Tempo-Tracks die Beatzahl höchstens im einstelligen Bereich ändert. Warum als lyrisch komplett unförmiges Liebeserklärung? Gib Mir Den Sommer Zurück als ordentlicher Sehnsuchtssong mit Synthie-Anhang, der jegliche Anziehungskraft vermissen lässt? Juniherz als schräg-kindischer Anflug von Sommergefühlen? Geht alles. Irgendwie. Gerade so. Was will man auch kritisieren, wenn alles einer musikalischen Selbstverstümmelung zum zielsicheren Erreichen des störungsfreien, moderaten Liedguts entspringt? Ok, vielleicht könnte man das bekritteln, aber es klingt zumeist nicht schlecht genug dafür, um hier wirklich lange Tiraden zum Besten zu geben. Die sind eben einfach da, diese Minuten ohne größeren Sinn und Zweck. Es ist komplett egal, ob da einfach nur Pseudo-Rock erschallt, Synthesizer in einer Tonalität, dass man verwundert bis leicht genervt zurückbleibt, oder das eindrucksvoll wirkungslos eingesetzte Klavier mitspielt, es bleibt die Formel, die einem Songs nicht nahe genug bringt, um sich davon irritieren zu lassen.

 

Das hat erfahrungsgemäß Vorteile für beide Seiten, füllt hin und wieder auch bei großartigen Alben eine oder zwei kleine Lücken, ohne dabei groß aufzufallen. Es füllt aber unter Garantie nie einen ganzen Longplayer. Die Versuche der Oberösterreicherin das durch gefühlvolle Balladen auszumerzen, gelingt auch nur so sehr, als dass man bei einer miserablen Nullnummer wie Macht Nichts ankommt, deren gestelzte Zeilen selbst dann irritieren würden, wären sie ansprechend und tatsächlich mit Emotion gesungen:

 

"Es macht nichts
Wie kannst du glauben es macht nichts
Trotzdem sag ich aus Taktik,
Um Größe zu zeigen, es macht nichts
Es macht nichts, ist leicht gesagt"

 

Jetzt wird da aber nicht nur schlimmes textliches Handwerk der externen Songwriter bewiesen, auch Stürmer selbst lässt einen wie selten zuvor spüren, dass in ihrer Stimme wenig mehr stecken dürfte als das Allernötigste. Von Emotion weit entfernt, wirkt die Sängerin überhaupt unerwartet desinteressiert und motivationslos in einigen der Songs, die es auf das Album geschafft haben. Viel fehlt auf die technisch ausbaufähige, aber allemal aufopferungsvolle und leidenschaftliche Darbietungen früherer Jahre, in denen die Wertschätzung für die ausgewählten Tracks spürbar war. So wenig, wie mit den allermeisten hier anzufangen ist, darf es einen aber vielleicht wiederum nicht überraschen, dass weder in Die Beste Zeit, noch im grässlich interpretierten Der Beste Morgen - die Titelvielfalt hat sie aber echt drauf! - von ihrer Seite viel beigetragen wird.

 

Nur in zwei Fällen, wenig überraschend die, die sich musikalisch noch am ehesten einen klitzekleinen Freiraum ergattern, gelingt ein Ausbruch aus der biederen Durchschnittlichkeit und gefühlsarmen Aura des Albums. Mit Jedem Millimeter wird dank des dominanten Bass und der knochentrockenen, spärlichen Zupfer an der E-Gitarre zum atmosphärischsten verfügbaren Moment, findet urplötzlich sogar den Weg zu ansprechenderen Worten:

 

"Ich finde kein Ende
Zu viele wirre Gedanken ohne Sinn
Sie ziehen durch meine Hände
Bevor sie auf dem Untergrund verschwimmen

Der Stift bahnt sich den Weg
Über das Papier
Ich zieh einen Strich"

 

Um zu retten, was nicht mehr zu retten ist, gesellt sich noch das ähnlich minimalistische und vergleichsweise roh klingende Die Nacht Singt Keine Lieder dazu. Das versteigt sich zwar in einer gleichsam banalen wie verdrehten Metapher, zeigt gleichzeitig aber recht gut auf, wie ein wirklich ruhiges Album mit Frontfrau Christl Stürmer aussehen sollte.

 

Dieser Reduktion gibt sich die Österreicherin aber allzu ungern hin und deswegen regiert rundherum ein anderer Stil, falls man das Dargebotene überhaupt mit dem Begriff segnen darf. Wenn der Titel "Nahaufnahme" tatsächlich mit Hintergedanken gewählt wurde und also die Musik als persönlicher und näher an der Christl dran beschreiben soll, dann gibt es da ein wirklich großes Problem. So charakter- und emotionslos, wie sich diese Geschichte nämlich überwiegend darstellt, wirft das kein gutes Licht auf irgendeinen der Beteiligten. Auf Stürmer selbst vor allem deswegen nicht, weil sie noch nie so teilnahmslos und desinteressiert geklungen hat und auch, weil man von ihr bei der Songwahl ein besseres Händchen erwarten sollte. Ansonsten bleibt nämlich bei ihrem musikalischen Grundgerüst nichts mehr übrig als qualitätsarmes Pop-Handwerk und der alleingelassene Titel als die LP, deren Tracks mit einem Spielraum von nur einer halben Minute die einheitlichste Länge besitzen. Leider ist nicht nur die einheitlich.

 


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