Friede, Freude, Eierkuchen - die Briten raufen sich zu nettem Gitarren-Rock zusammen.
In der Laufbahn vieler Bands gibt es den Augenblick, in dem es auch dem letzten, unbeugsamen Überbleibsel der
Realitätsverweigerer wie Schuppen von den Augen fällt: Band XY hat ihren Zenit erreicht, Band XY hat diesen vielleicht sogar überschritten, von Band XY braucht man sich in Zukunft nichts mehr
erwarten. Tendenziell sind es allerdings genau diese Gruppen, die sich im Folgenden in der wildesten Veröffentlichungswut wähnen und den ehemals treuen Fan Nerv um Nerv kosten. Hat man hier alles
schon gelesen? Na klar, aber wenn Eric Clapton immer noch Alben veröffentlicht und Bloc Party nach einer neuerlichen Auszeit wieder mit müdem Klamauk um die Ecke kommen, dann darf man als wenig
entzückter Kritiker doch in das monotone Lied einstimmen, oder? Eben.
Ganz so planlos war man im Hause Bloc Party vor mittlerweile auch schon vier Jahren ja noch gar nicht. Als einer der größten britischen Live-, als auch Studio-Acts in die erste Pause gegangen, um
den aufwallenden Selbstwertgefühlen ein Ventil zu bieten und Frontmann Kele Okereke endgültig als House-Banger zu etablieren, erkannte man schon bald die Bedeutung der Dynamiken innerhalb der
Band und machte sich auf, Great Britain zum nunmehr vierten Mal zu erobern. Obwohl Okereke und seine Mannen mit ihrer lediglich als Four betitelten LP
in den Charts respektable Positionen erklimmen konnte, war es ab diesem Zeitpunkt trotzdem vorbei mit einer Band, die nur wenige Jahre zuvor als das größte Ding Englands bezeichnet wurde, bevor
die Arctic Monkeys ihr die Show stahlen.
Nachdem das Quartett zuvor vermehrt in elektronische Sphären abgedriftet war (wie erinnern uns an das vom Kollegen D fast schon verrissene Intimacy), sollte Four die Rückkehr zum frühen, gitarrenlastigen Rock werden. Unglücklicherweise war das Spiel an der Gitarre nicht das einzige, was die Band anno dazumal auszeichnete und so kommt man nicht umhin, Fehlendes schmerzlich zu vermissen. Von den reißerischen Hooks etwa, die ihr auf den Konzerten immer lautstarke Gesangsbegleitung einbrachten, ist im Jahr 2012 nicht mehr viel übrig. Am ehesten noch am explosiven Kettling, das in seiner erdigen Wucht tatsächlich auch am Debüt nicht fehl am Platz gewesen wäre. Langweiliger Gitarren-Rock wie Coliseum sorgt in der Folge allerdings dafür, dass Frontmann Okereke am Mikrofon nie wirklich aufblühen kann. Auf Four mehr denn je als lediglich eine der vier Kräfte (wie auch schon das Cover plakativ darstellen soll) ausgewiesen, vermisst man auf vom Geschrammel der Gitarren gezeichneten Stücken, auf denen sich überwiegend Russell Lissack auf seinem Instrument austoben darf, wie am eindimensionalen Closer We Are No Good People, das nach einer hektischen Version der frühen Muse klingt, seine Präsenz, die auch schon die zwiespältigsten Elektronikausflüge in sichere Bahnen lenken konnte.
Der schönste Moment lauert entgegen der allgemeinen Erwartungen, eigentlich also genau den eigenen Erwartungen entsprechend exakt dort, wo Gitarren nicht das Geschehen dominieren. Auf Day Four darf sich Okereke endlich wieder als starker Sänger beweisen, während sanfte Melodien einen angenehmen Kontrast zu den bestimmenden, drückenden Rock-Vibes bilden und an die vorigen beiden LPs erinnern. The Healing setzt auf ebendiese Stilmittel, gewinnt dank prima Gesangsleistung und melancholischer Grundstimmung, während Truth das einmalige Kunststück gelingt, einen markanten Lissack-Lick mit gefühlvollen Vocals in Einklang zu bringen. Am unspektakulärsten sind die vier indes dann, wenn sie mit einfachen Mitteln quer durch die Wand wollen. Schon Octopus, das absurderweise als Lead-Single ausgekoppelte Sinnbild der Reunion, verschwendet zu viel Zeit darauf, einen lässigen Riff unter die Leute zu bringen. Das Problem dabei: Außer dieser (zugegeben coolen) Fingerfertigkeit, die sich schon bald ebenfalls den Folgeerscheinungen der aufflackernden Monotonie ergeben muss, tut sich einfach nichts. Keine brauchbare Melodie, kein hübscher Refrain und nicht der Hauch einer Emotion. Auch deswegen steht der Track sinnbildlich für das vertretene Album. Zu abweisend, zu oft auf düstere Atmosphäre bedacht und in Wirklichkeit auch zu weit vom Formatradio, das mit Nummern wie I Still Remember noch vor wenigen Sommern von früh bis spät belagert wurde.
So boxt sich das ungleiche Quartett durch mal mehr, mal weniger spröde Stücke, das Rezept mit Fokus auf distinktive Gitarrenparts immer im Hinterkopf. Nur selten mischen sich verirrte Streicher in das Geschehen, auf den emotionalen Ausreißern Day Four und The Healing. Das Bemerkenswerte an Four bleibt letztlich der Umstand, wonach die LP überhaupt das Licht der Welt erblicken durfte, nachdem das nur wenige Monate zuvor doch ziemlich unrealistisch schien. Dahingehend kann man den Mitgliedern auch keinen wirklichen Vorwurf machen, auf der Wiedervereinigungs-Scheibe ziehen die vier durchaus an einem Strang. Die prägende Figur heißt allerdings nicht mehr Kele Okereke und allein deshalb hängt dem Image von Gleichberechtigung, der sich eben auch schon in den vier Kreisen am Artwork wiederspiegelt, ein fader Beigeschmack an. Wann immer dieser aus seiner Abwehrhaltung rauskommen darf, werden hörenswerte Minuten angeboten. Vielleicht interpretiere ich aber auch zu viel in die Sache hinein und die ganze Sache lässt sich mit der eingangs aufgestellten "verlorener Zauber"-These zu den Akten legen. Die Kritiker waren ja zufrieden, dann lass ichs wohl auch endlich gut sein.