von Kristoffer Leitgeb, 26.01.2014
Es ist das gleiche alte Zeug mit den gleichen alten starken Riffs, den gleichen alten Ohrwurm-Refrains und, siehe da, fast schon erwachsenen Pop Punkern.
Ab und an erwischt man ein Album, bei dem man sich schon fast zu hundert Prozent sicher ist, wann es entstanden ist. Warum? Weil es so offensichtlich nach Transformationsalbum riecht, dass kaum ein Näschen nicht darauf anspringen würde. The Cure's "Kiss Me, Kiss Me, Kiss Me" zum Beispiel darf als eine Art musikalischer Prototyp fast nur vor "Disintegration" stehen. Oder R.E.M.'s "Green", das für die Band so klar die Trennlinie zwischen 80er-Rock und 90er-Pop zieht, wie es nur möglich scheint. So oder so ähnlich scheint das auch bei blink-182 2001 gewesen zu sein. Dabei ist der Unterschied zwischen All The Small Things einerseits und The Rock Show andererseits ein mehr als subtiler, aber doch, irgendwo versteckt sich der nötige erste Schritt in Richtung des Self-titled-Albums, in Richtung Erwachsenenwelt.
Davon will man die meiste Zeit aber nicht so viel mitbekommen. Die Eröffnung mit Anthem Part Two setzt nämlich recht eindrucksvoll dort an, wo "Enema Of The State" seinerzeit geendet hat. Es ist ganz eindeutig der post-pubertäre Band-Usus, der einem schon früher gefallen hat, diesmal als mehr denn je sympathische Teenager-Rebellion aufbereitet. "Kids are victims in this story / Drown the youth with useless warnings / Teenage rules, they're fucked and boring" geht da nicht gerade als Neuerfindung des Rades durch, mit Travis Barker an den Drums und den dezent härteren DeLonge-Power Chords geht der Beginn allerdings auf wie ein Germteig. Zu Beginn kann man aber ohnehin von ordentlicher Treffsicherheit sprechen. Denn weder die Rückkehr von Josie (aus dem gleichnamigen "Dude Ranch"-Song) im Up-Beat-Trennungssong Online Songs, noch DeLonges geniale schrullige Beschreibung des First Date enttäuscht. Und auch Erfolgssingle The Rock Show und Story Of A Lonely Guy schließen da nahtlos an. Da dominieren noch die leicht nostalgischen Pop-Punk-Momente, die einen musikalisch wie textlich immer wieder im Positiven an den Vorgänger zurückdenken lassen, unterbrochen lediglich vom ersten leichten New Wave-Anflug in Story Of A Lonely Guy, in dem erstmals ein bisschen die Vorliebe der Band für The Cure durchblinzelt.
Bis dahin glaubt man an eine, vielleicht bei Zeiten aggressivere, aber ähnlich charmante Fortsetzung des Prä-Millenium-Kurses. Mit Stay Together For The Kids beginnt allerdings unvermeidlich die Phase der LP, die mit ihrem offensichtlich im Selbstfindungsprozess steckengebliebenen Songwriting vom geradlinigen Pfad abweicht. Man kann da lange über die angebliche neu gefundene Reife in so mancher Zeile streiten, letztlich krankt es aber vor allem in puncto Musik. Denn weder das träge Laut-Leise-Gemisch von Stay Together For The Kids, noch die große Menge an ziemlich kitschigem, etwas eintönigem Pop-Punk, die noch wartet, kommt an die besten Momente der Band heran.
Darunter finden sich allemal noch gute Songs, keine Frage. Denn allen voran Mark Hoppus verzichtet nicht auf das hohe Tempo und den simplen Aufbau früherer Tage, der allzu oft sehr kurzweilig war. Das funktioniert auch diesmal mehr recht als schlecht, bringt einem zum Beispiel die starken Minuten von Everytime I Look For You oder auch den eindeutig störrischeren, aber doch ganz ordentlichen Mid-Tempo-Track Shut Up. Was da vor allem auffällt, ist Travis Barker, der zwar ohnehin immer heraussticht, wenn es um einen blink-Song geht, diesmal aber abgesehen vom Opener fast ausnahmslos in Hoppus-Tracks wirklich zur Hochform aufläuft. Dem liegt das hohe Tempo wohl auch eher.
Dafür gibt's aber in der zweiten Hälfte auch die Filler Tracks Give Me One Good Reason, Roller Coaster und Please Take Me Home, die allesamt danach klingen, als hätten sie zu Recht nicht den Cut für "Enema Of The State" geschafft und wären dafür hier gelandet. Was bei dieser Band eigentlich noch immer relativ viel Raum nach unten frei lässt, denn abgesehen vom unnötigen Gag-Song Happy Holidays, You Bastard, einem dem Titel entsprechend ziemlich hirnlosen Einminüter, bleibt einem nichts negativ in Erinnerung, wenn es einem denn in Erinnerung bleibt.
Wobei, stimmt so nicht ganz. Allerdings muss man für die wirklichen Tiefpunkte schon auf die Bonus Tracks schielen, die zweierlei Song-Typen bieten. Einerseits die mal besser, mal schlechter gelungenen ernsten Tracks, die einem den starken Akustik-Song What Went Wrong und das kurzweilige Time To Break Up liefern. Andererseits aber bedenkliche 'Fun'-Tracks, die erwachsenen Männern, die Millionen an Platten verkauft haben, eigentlich peinlich sein müssten. Die haben mit F*** A Dog oder When You F****** Grandpa schon keine klingenden Namen, werden aber auch mit der Musik kaum besser.
Da ist ihnen also doch noch einmal einer, vielleicht waren's doch eher drei, der übelsten Sorte ausgekommen, als Bonus-Tracks nehmen wir die aber mal nicht zu wichtig. Denn abseits davon findet sich auf "Take Off Your Pants And Jacket" mehr als genug Material, das die Zeit wert war. Dass man auf der Durchreise vom geradlinigen Pop-Punk hin zum späteren 'New Wave-Punk' ein paar Hänger in Kauf nehmen muss, kann man nicht ganz außer Acht lassen. Wenn aber selbst die Schwachstellen einen noch ganz gut bei Laune halten, dann darf man wohl doch nur wenig klagen. Stattdessen gibt es eine anerkennende Verbeugung für eine LP, die so klar schwächer ist als der Vorgänger und doch noch so viel Spaß macht.