von Kristoffer Leitgeb, 01.08.2015
Alle Macht der Jugend! Das bringt wenig Variantenreichtum, aber Power und Lockerheit für drei Alben.
Das Kind im Manne. Es soll ja in den Augen vieler Leute recht erhaltenswert sein, für den Spaß und so. Damit meinen aber die allermeisten natürlich nicht den lieben, kleinen 6-Jährigen, der sich tatsächlich darauf freut, am nächsten Tag in die Schule zu gehen, sondern eher die pubertäre Grätzn, die zum Funktionieren noch mehr auf Hormone angewiesen ist als der Computer auf Strom. Mit der ist es schwierig, weil man nicht ganz weiß, ob das von ihr verursachte Kopfschütteln verständnisvoller oder doch eher genervter und ernüchterter Natur ist. Letzteres ist realistischer, denn fragwürdiger Humor, halbgare Gefühlswallungen und alles andere in dem Department tragen einen wirklich nur so weit und keinen Meter weiter, dementsprechend ist oft vor der Erträglichkeit Schluss. Wenn jetzt eine Band mit einem Debüt genau auf dieser Wellenlänge ankommt und einem noch ein Album mit dem Titel "Dude Ranch" andrehen will, noch dazu mit entgegengerecktem Stierhintern, dann schrillen die Alarmglocken. Trotz all dem wäre das legendäre Pop-Punk-Trio nicht, was es nun mal ist, würden die drei nicht auch das ordentlich klingen lassen.
Es passt aber auch wirklich ins Schema. Zügige Power-Chords mit entsprechendem Drum-Antrieb und kaum verfeinerter Gesangstechnik, was sonst könnte Pop-Punk schon sein? Ach ja, miese Späßchen und das Besingen der ultimativen Liebe des Lebens und der zweiten und der dritten, das braucht es auch. Damals war das noch fast neu, deswegen eher entschuldbar als es das heutzutage wäre. Man wird aber auch genügsam, wenn das Debüt der Band produktionstechnische Tiefen, die man eigentlich nicht besuchen sollte, ausgekundschaftet und sich lyrisch am Tenor in Schulpausen bedient hat. Da ist man leicht zufrieden mit dem nachgebesserten Sound, den das Jahr 1997 bereithält. Mit dem Tempo dürfte nämlich auch ein bisschen Talent in die Jungs gefahren sein, was einen in die Position bringt einen zweifellos unterhaltsamen Beginn erleben zu dürfen. Pathetic prescht da gleich passend drauf los, überschlägt sich dabei fast selbst, präsentiert einem dabei aber auch einen DeLonge'schen Riff zum vormerken und den Premierenauftritt des später so erfolgreichen Gesangsschlagabtauschs zwischen Hoppus und DeLonge. Auch da wieder genretypisch, denn das Versinken in Selbstmitleid passiert musikalisch ohne Rücksicht auf Verluste, dafür mit dem Fuß auf dem Gaspedal und wird dadurch fürs Gedächtnis schwer greifbar. Man wird sich also nicht gut dran erinnern können, dafür ist auch die nötige Hook nicht in Sichtweise, aber für eine gelungene Performance in der Gegenwart reicht's immer noch.
Würde man jetzt sagen, so kann es ruhig weitergehen, dann hat man die LP ohnehin schon verstanden, ist aber Stärken und Schwächen gleichermaßen auf der Spur. Dank dem wenig später rausgeschmissenen Drummer Scott Raynor wird zuerst Voyeur zur prägenden Erfahrung, die aber erst mit den Zeilen vom sehnsüchtigen Spanner voll zur Geltung kommt. Noch ein wenig später räumt dann Dammit mit dem Älterwerden auf und lässt in aller Eingängigkeit den Platz als vielleicht ultimativer Bandklassiker wenigstens nicht ganz ungerechtfertigt erscheinen. In puncto Erfolgsformel ändert sich bei all dem wenig, außer der eine oder andere Beat pro Minute macht für irgendwen den gigantischen Unterschied. Es bleibt bei kratzigen Riffs ohne gigantische Finessen, ähnlich kratzigen Vocals ohne erwähnenswertes Talent und, ja, eh. Viel mehr wird's nicht, was einen ultimativ vor die Frage stellt, ob der gefundene Sound lohnender Art ist oder nicht. Die Antwort ist ja, für alles andere steckt einfach zu viel Energie und beschwerte Unbeschwertheit in den Songs, auch wenn sich das textspezifisch nur manchmal als produktiv erweist.
Vielleicht liegt es auch daran, dass die Wirkung des starken Anfangs mitunter doch merklich verpufft. Man fühlt sich bald gefangen in einer klanglichen Endlosschleife, aus der alle Akkordwechsel dieser Welt nicht herausführen. So viele sind es ohnehin nicht und deswegen sind die wenigen Ausflüchte aus dem Uniform-Stil der LP, so wie das phasenweise ruhigere und melodischere Dick Lips oder der gemächliche Stop-and-Go Riff von Untitled, zwar nette kleine Spielereien, aber nicht genug, um das Momentum wirklich zu behalten. Man wird die längste Zeit etwas berechenbar und dementsprechend weniger interessant, wohl auch weil Titel wie Apple Shampoo oder Waggy nicht zu viel versprechen. Dass man sich mit dem idiotischen Boring und dem intellektuell artverwandten Degenerate dann endgültig in eine Richtung verabschiedet, die blöderweise die letzten Minuten des Debüts in Erinnerung ruft, beweist also genau den mühsamen Humoranflug, den man in Form von schwachsinnigen Gags auch anderweitig an Songs dran pickt.
Sie schaffen es aber trotzdem noch oft genug, Tracks auszupacken, die nicht einfach nur als passables Zwischendurch herhalten wollen. Das gelingt freilich weniger mit Closer I'm Sorry, dessen Run auf die Einzigartigkeit vor allem mit DeLonges bedenklich schiefen Gesangseinlagen im Intro passiert. Muss nicht sein, es geht auch anders. Immerhin beweist Josie, dass mit den richtigen Riffs und ordentlich Dampf hinter den Drums auch die Geradlinigkeit noch genauso gut funktionieren kann, wenn schon zehn Songs davor fast gleich geklungen haben. Die Songmaschinerie von Mark Hoppus scheint zum damaligen Zeitpunkt überhaupt ein Stück besser geölt, denn auch die verbliebenen Treffer gehören ihm. Könnte auch daran liegen, dass Emo und Lemmings textlich zumindest so weit sind, dass man ihnen mit zugedrücktem Auge ein bisschen der Tiefe zuschreiben kann, die "Dude Ranch" sonst eigentlich nie hergibt.
Im Pop-Punk wiederum nicht der Beinbruch und auch die zweite LP von Tom, Mark und damals noch nicht Travis überlebt ganz gut ohne jeglichen Ernsthaftigkeit oder nennenswerte Erkenntnisse. Den Unterhaltungsaspekt der Musik vernachlässigt man dagegen nicht annähernd so, immerhin regierte ja damals noch das Kind in den drei Männern. Und das will vor allem eines, nämlich Spaß haben. Mit Blick auf das Endergebnis dürfte das hinlänglich gelungen sein. Dass 1997 allerdings auch noch einige Entwicklungsschritte vor der Band lagen, das kann und muss jeder aus den 15 Songs heraushören. Nachdem die aber in der Folge lange Zeit sehr ordentlich gelungen sind, verzeiht man dem unausgegorenen Zweitwerk manchen Fehler und sieht das Glas zur Abwechslung als halb voll an. Im richtigen Winkel schaut es sogar so aus, als wär ein bissl mehr drinnen.