von Kristoffer Leitgeb, 09.06.2018
Des Teufels Advokaten schreiben Musikgeschichte und bringen die Härte zu einem ersten Höhepunkt.
Es bestehen zumindest nach meinem Dafürhalten substanzielle Unterschiede in der Bewertung von Erfindern oder Entdeckern in Technik oder Wissenschaft einerseits, der Musik andererseits. Der Stellenwert wirklicher Pioniere kann an beiden Fronten kaum hoch genug eingeschätzt werden. Karl Benz oder Johannes Gutenberg haben da fachbezogen eine ähnliche Bedeutung wie an anderer Stelle Johann Wolfgang von Goethe, Stanley Kubrick oder Claude Monet. Oder eben Miles Davis und die Byrds. Meinetwegen, was die gesamtgesellschaftliche Bedeutung angeht, kann man von gewaltigen Unterschieden ausgehen. Der wirklich knackige Knackpunkt ist aber ein anderer: Die meisten künstlerischen Wegweiser gelten ihrerseits oftmals nicht nur als Begründer, sondern auch als qualitative Speerspitze ihres Schaffensbereichs. In der Technik schaut es da ein bisschen anders aus. Netterweise war in der Entwicklung des Autos das Ende nicht mit Benz erreicht und auch mit den Büchern haben wir es heute einfacher als zu Zeiten des vermeintlich locker-leichten Bibeldrucks. Um zum Punkt zu kommen, sei auf den Pionierstatus Black Sabbaths für den Heavy und Doom Metal hingewiesen. Gleichzeitig gelten die Briten für viele auch als Gipfel des Metal-Genusses, entsprechen also dem Ideal der großen Kunstwegweiser. Nur hat keiner je behauptet, sie wären schon mit dem Debüt am Olymp angelangt.
Allerdings war die Band bereits auf dem besten Weg dorthin. Die Zutaten für das, was man später mit dem Namen Black Sabbath verbinden sollte, sind eben auch vom ersten Moment an präsent gewesen. Der Titeltrack muss schon dem Namen nach eine entsprechende Einführung in das Können der Briten sein und wie nichts anderes hier ist er das auch. Beginnend mit düster-atmosphärischem Donnergrollen, Regenschauer und dem nötigen Glockengeläut, erschließt sich einem eine Welt der dunklen Härte, in einer Mischung aus Post-Hippie-Drogenrausch und schlichtem, der Schwere des Sounds geschuldeten Mäandern. Auf alle Fälle wirkt das Zeug, weil man dank der idealen Produktion, die dem Sound eine unglaubliche Tiefe verleiht, die Drums im Hintergrund und Ozzy Osbourne an vorderster Front dezent nachhallen lässt, ein makelloses Gesamtbild erreicht. Natürlich wäre das ohne das Herzstück so ziemlich jedes Sabbath-Tracks, Tony Iommi nicht möglich, weswegen dessen Gitarre auch in Wahrheit die klangliche Hauptrolle spielen darf. Insgesamt ist es ein einschüchterndes, weil trotz weniger Gimmicks effektvolles Schauspiel, dem auch der fast ungesunde Fokus auf die Leadgitarre nur wenig anhaben kann.
Jetzt ist es so, dass hier generell alles dieser Stoßrichtung folgt. Das riecht zwar nach Start-Ziel-Sieg, bedeutet aber doch erhebliche Einbußen bei der Langlebigkeit, weil trotz aller Saitenzupfkunst hier und da die Songlängen und wenig abwechslungsreichen Songbauten fragwürdig erscheinen. Schlecht sind sie deswegen noch lange nicht, allerdings verfällt die LP relativ rasch in einen Modus der moderaten Stärke. Handwerklich überzeugend, immer noch auf der Soundebene eine Pracht, aber insgesamt ohne den nötigen thematischen oder atmosphärischen Unterboden, um die Gitarrenexzesse und Osbourne extrovertierte Gesangsvorstellung vollauf gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Will man es anders angehen, könnte man auch sagen, dass die Band zwar ihren Klang hat, aber abgesehen von ausschweifenden, wenig an Melodie und Eingängigkeit denkenden Jams weniger damit anzufangen weiß. Das erreicht einen nur bedingt rühmlichen Höhepunkt mit dem zehnminütigen Warning, das zwar netterweise rhythmisch nicht abwechslungslos ist, allerdings trotzdem die Geduld als lange Jam-Session zwischen Blues, Hard Rock und spürbaren Jazz-Einflüssen ein wenig strapaziert. Die Frage dabei ist, wie viel Tony Iommi will man. Oder anders, wie groß ist die Liebe für die Gitarre, dass man es einfach so hinnimmt, sonst beinahe nichts in dem Track serviert zu bekommen. Einerseits groß genug, um mit jeder bewusst wahrgenommenen Sekunde des Schauspiels triefende Qualität herauszuhören, andererseits nicht groß genug, um über diese Länge wirklich alles bewusst wahrnehmen zu wollen.
So geht es einem mit diesem Track und ein paar anderen, die allesamt keine nennenswerten Fehler darstellen, aber das vermissen lassen, was man ominös als das gewisse Etwas bezeichnet. Um ein wenig Präzision hinein zu bringen, könnte man es eine relative Richtungslosigkeit nennen, die einige Songs kennzeichnet. Abgesehen von halbgaren Annäherungen an einen ohnehin nicht ernst gemeinten Satanismus und Drogenräusche, bleibt einem textlich wenig, was die musikalische Freimütigkeit ergänzen könnte. Dementsprechend kann man dem Debüt in seiner Gesamtheit eine unheilvolle Atmosphäre zusprechen, die aber nur vom Opener und dem beinahe ohne Text auskommenden Sleeping Village wirklich getragen wird. Der Rest ist gitarrenlastige Härte, einigermaßen unerbittlich und theatralisch, im Falle des Crow-Covers Evil Woman und dem anfangs nur in den USA auf der Tracklist aufscheinenden Wicked World wiederum einigermaßen locker und mit direktem Draht zum dynamischen Blues Rock von Led Zeppelin. Zu viel aber irgendwie mit offen gelassenen Wünschen nach Bedeutung hinter der Epik und zielgerichteter Bewegung hinter der Härte.
Insofern ist es Wicked World vorbehalten, zum Abschluss die nötige rhythmische Abwechslung und relative Lebhaftigkeit mitzubringen, die dem restlichen Album abgeht. Das passiert effektiv und sorgt für einen der auf lange Sicht vitalsten Momente des Albums. Vielleicht wird er dahingehend ausgestochen von The Wizard, das aber nur, weil dessen blueslastiger Rock bestens austariert ist und die eher rudimentäre Geschichte vom durch die Lande ziehenden Zauberer am besten die Brücke zwischen tatsächlich erdrückend düsterer Stimmung und dem eher parodistisch angelegten Umgang der Band damit schlägt. Auf alle Fälle passt der coole Stop-and-Go-Riff perfekt mit der Mundharmonika zusammen, genauso wie das unheilschwangere Geheul von Zeremonienmeister Ozzy mit dem zum Schmunzeln anregenden Text. Vielleicht ist das doch Beweis genug für die nötige Abwechslung, wenn so etwas auf der gleichen Tracklist landet wie das apokalyptische Zupfen zu Beginn von Sleeping Village, wobei dessen erratische, rein instrumentale Fortsetzung wiederum trotz bestechender Dynamik genau ins Bild der extrem gitarrenlastigen, dem Jam verpflichteten Performance passt.
Irgendwo zwischen all dem liegt die Wahrheit über "Black Sabbath." Die lautet vielleicht, dass da ein Album für Debütverhältnisse meisterlich eingespielt und produziert wurde, während es Finessen auf inhaltlicher und atmosphärischer Ebene vermissen lässt. Das führt dazu, dass man die LP nur selten so wahrnimmt, als hätte alles passend zusammengefunden, was die Briten ausmachen sollte. Wenn das passiert, entsteht ein Klassiker, wie der Titeltrack einer ist. Passiert das nicht, bleibt einem die spielerische Virtuosität, die die Songs allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt trägt. Alles, was darüber hinaus geht, findet man zu Anfang und am Ende des Albums, dazwischen begegnet man der Herrschaft des moderat Guten. Das ist nicht genug, um am Olymp des Metal zu residieren, weswegen es umso günstiger ist, dass man in den 60ern und 70ern manchmal nicht länger als ein halbes Jahr warten musste, bis alles noch viel besser wird.