Belle And Sebastian Write About Love
Veröffentlichungsdatum: 11.10.2010
Rating: 7 / 10
von Mathias Haden, 23.08.2013
Erfrischende Konstanz aus dem Norden Großbritanniens. Belle and Sebastian klingen auch am achten Longplayer noch authentisch und unverbraucht.
Nur um den ersten Zweifel im Keim zu ersticken: Nein, Belle and Sebastian sind nicht die neuen Sonny und Cher oder Tina und Ike. Hinter dem verwirrenden Namen versteckt sich eine derzeit (Stand: Jänner 2013) 7 köpfige multiinstrumentale Band aus Glasgow. Nebenbei produzieren sie nun schon seit ihrem ersten Album Tigermilk im Jahr 1996 Indie-Pop der feinsten Sorte. Ihren Bandnamen beziehen die sympathischen Schotten aus dem französischen Kinderbuch Belle et Sébastian. Ihr nunmehr achtes Studioalbum Belle and Sebastian Write About Love wurde zwar von Kritikern nicht mit denselben schallenden Lobeshymnen aufgenommen wie noch die ersten drei einflussreichen Werke, aber dennoch mit mehr Applaus, als es andere Künstler in ihrer gesamten Schaffenszeit zustande bringen. Dem ohnehin schon relativ breiten Bandpersonal hilft dann auch noch ein kleines Orchester aus Gastmusikern. Und neben dem konstant angenehmen sowie bereits bekannten einzigartigem B&S Sound setzt das Album auch wie alle anderen im Katalog der Band auf eine (oder mehrere) menschliche Muse auf dem Albumcover mit buntem Anstrich, diesmal in rosa.
Und mit ziemlich rosigen Aussichten startet Write About Love dann auch. I Didn’t See It Coming legt einen ziemlich augenscheinlichen Beweis für die Qualität und das Potenzial der Band dar, in dem der primäre Sänger der Band, Stuart Murdoch, und die (mittlerweile einzige) weibliche Stimme der Gruppe, Sarah Martin, ein Duett anstimmen. Wie schon auf den vorherigen Alben harmonieren die beiden auch hier sehr ansprechend. In harten, von der Wirtschaftskrise gezeichneten Zeiten wie diesen wirken Textzeilen wie im Refrain ("But we don't have the money (money makes the wheels and the world go round), Forget about it, honey") wie Balsam auf der stets von Sorgen geplagten Seele. Auch auf dem Up-Tempo-Song Come on Sister wurde eindeutig gute Arbeit geleistet. Die musikalische Untermalung klappt wunderbar und Belle and Sebastian klingen auch nach 14 Jahren Bandkarriere sehr frisch und vorallem noch einzigartig.
Der Track Calculating Bimbo (starker Titel übrigens) nimmt dem Album dann kurzfristig das Tempo raus. Dieser Song wirkt sehr persönlich und dürfte an eine Person adressiert sein, die in Murdochs Leben eine aktive Rolle gespielt hat und in bestimmten Situationen präsenter zu sein scheint, als es ihm lieb ist ("You calculating bimbo, I wish you'd let the past go"). Seine leicht verdauliche, wie für das Indie-Pop-Genre geschaffene Stimme raspelt die Lyrics wie Süßholz und in Kombination mit den stets sehr präsenten Arrangements der Mitmusiker erzeugt dadurch ein bisschen Kaminstimmung.
Mit I Want the World to Stop zeigt sich die Band dann mal etwas von ihrer gesellschaftskritischen Seite, zumindest lässt sich das vage aus dem nicht ganz so einfachen Text interpretieren. Wie die meisten anderen auf Write About Love bietet auch dieser einen ziemlich eingängigen Rhythmus und verfehlt damit seine Wirkung absolut nicht.
Absolutes Neuland betritt die Band dann mit der smoothen 'Sonntagabend-vor-dem-Kamin-lungern-Nummer' Little Lou, Ugly Jack, Prophet John, auf dem ein Duett zwischen Murdoch und Gastsängerin Norah Jones angestimmt wird. Mit Sicherheit kein schlechter Track, allerdings etwas fehl am Platz auf einem Belle and Sebastian-Album und dementsprechend eher einer der schwächeren.
Der zweite Einsatz einer Gastmusikerin, in diesem Fall Schauspielerin Carey Mulligan, trifft dann deutlich erfolgreicher ins Schwarze. Auf dem Titeltrack und gleichzeitig Leadsingle Write About Love, der wieder die Stärken der Musiker mehr in den Vordergrund rückt, marschiert die Band wieder in die richtige Richtung: feinster Indie-Pop, der absolut dem Zeitgeist entspricht, und dennoch auch auf The Boy with the Arab Strap von 1998 nicht unpassend gewesen wäre.
I’m Not Living in the Real World mit Gitarrist Stevie Jackson am Mikro liefert ausnahmsweise sogar eine gelungene gesangliche Performance des ebengenannten und zählt mit seinem verträumt soften Gedudel aus einer vielzahl an wohlplatzierten Instrumenten und Hintergrundgesängen zu den absoluten Leistungsträgern des Albums. Sogar eine kleine Hommage an Indie-Pop-Duo-Lesbo-Zwillingschwestern-Powerfrauen Tegan and Sara hält der Track parat.
Die religiöse Seite Murdochs, der schon auf älteren Aufnahmen nie einen Hehl daraus gemacht hat, sehr gläubig zu sein, zeigt sich auf der folgenden: The Ghost of Rockschool, geizt vermutlich noch weniger mit seinen christlichen Anspielungen als alle anderen im Pendant der Band. Ein sehr schöner Song, der von Murdochs zartem Hauchen der Worte nur profitiert, auch wenn der Text ("I've seen God in the sun/ I've seen God in the street/ God before bed and the promise of sleep/ God in my dreams/ And the free ride of grace/ But it all disappears and then I wake up.") dem einen oder anderen womöglich nicht das Gänsehautfeeling, das dieser Song verdient, geben wird
In der gleichen Manier geht es dann in dieser sanften Gangart mit Read the Blessed Pages weiter. Wie schon bei Calculating Bimbo angenommen, ist dieser allerdings auch bestätigterweise autobiographischer Natur (Murdoch sprach von einigen Textzeilen über seinen Vater). Das Rezept: akustische Gitarre und die melancholische Stimmgewalt des Bandleaders.
Auf I See Your Future darf dann wieder die primäre Sängerin Sarah Martin ran an den Speck. Und daran dass diese Dame singen kann, dürfte schon länger kein Zweifel mehr bestehen. Auch unter Beschallung des hervorragend inszenierten Einsatzes des Bandorchesters (vorallem der Bläser) geht ihre Stimme nicht verloren, sondern macht den Song ihr eigen.
Den Schlusspunkt setzt dann Sunday’s Pretty Icons. Und es ist ein würdiger. Der Uptempo-Closer, in dem sich die Stimmen der beiden Harmoniepartner zum gesanglichen Tanz treffen, vermittelt vom ersten Moment an bis zum Baroque-Pop-inspirierten instrumentalen Endspurt Wohlfühlstimmung auf höchstem Niveau. Also im Prinzip eine perfekte Charakterisierung des B&S Sounds.
Alles in allem ist das achte Album der Band ein sehr solides. Belle and Sebastian bleiben auch nach 15 Jahren im Geschäft ihrem Stil treu, ohne allerdings zu langweilen. Das Glasgower Ensemble ist sich seiner Stärken bewusst, und spielt sie, mit Ausnahme eines missglückten Ausfluges ins Terrain von Kollegin Jones, gewohnt geschickt aus. Überzeugend, und vorallem sympathisch auch, die Ehrlichkeit und Verletztlichkeit, die in einigen persönlichen Songs eine tragende Rolle spielen. Somit bleibt B&S auch im neuen Jahrzent weiterhin das unangefochtene Nonplusultra des schwammig definierten Indie-Pop-Genres. Und das obwohl die besten Jahre vermutlich lange passé sein dürften.