von Kristoffer Leitgeb, 29.12.2013
Wozu das Rad neu erfinden, wenn man auch einfach damit herumfahren kann?
Man stelle sich eine Frage: Als gewöhnlicher Erdenbewohner im Jahre 2013 (sind wir doch alle mehr oder weniger, oder?) versucht man mit ein paar Freunden am Musikmarkt Fuß zu fassen. Wie macht man das? Natürlich nicht, indem man als Erstes gleich einmal ein neues "The Dark Side Of The Moon" kreiert. Noch nicht einmal an einem neuen "Automatic For The People" darf man sich versuchen. Der einfache Grund: Keiner will's heute noch hören. Also macht man einfach das, was die letzten Jahre über bereits gut funktioniert hat. Wenn man dann aber doch zu viel Geschmack hat, um pseudo-R'n'B-angehauchten Dance Pop zu fabrizieren, dann bleibt einem immer noch der Pop Rock mit ein bisschen Synthies im Hintergrund. Geht genauso, klingt aber besser. So oder so ähnlich kann man den Gedankengang von den Neueinsteigern von Bastille rekonstruieren. Gratuliere, Jungs, warum das Rad neu erfinden, wenn man auch einfach damit herumfahren kann?
Klingt erstmal wenig spannend. Gut, da ist dann auch wirklich nichts, was man nicht schon von Coldplay, Snow Patrol oder vielleicht gerade noch den Nordiren von Two Door Cinema Club gehört hat. Aber, auch eine einfache Grundformel muss erst einmal gekonnt umgesetzt werden. Man könnte ja noch etwas skeptisch sein, wäre einem mit Single Pompeii nicht bereits einer der sympathischsten Chart-Stürmer der letzten Jahre begegnet. So sollen Stadion-Hymnen klingen. Ordentliche Stimme, ein wenig Klavier, Synthies, die einen nicht auf unbequemste Art in die nächste Disco hineinziehen und ein Refrain, der simpel genug ist, um bei 2 Promille auch noch das Mitsingen zu ermöglichen. Wenn der dann aber noch in Wahrheit gar nicht unintelligent geschrieben ist und einem mit antikem Feeling samt Untergang einer damaligen Metropole daherkommt, was soll man da noch sagen? Naja, vielleicht, dass er ziemlich nerven kann, aber wir wollen ja nicht pingelig sein.
Die Albumeröffnung steht somit schon auf sicheren Beinen und die übrigen 11 Songs tun es in Wahrheit auch. Denn, so klug war Frontmann Dan Smith, viel ändert sich über die 40 Minuten nicht. Es begegnen einem genügend Top-Beats, ähnlich viele starke Refrains, die neben Smiths sympathischer Stimme noch die perfekt abgestimmten Background-Vocals bieten und eine überbordende Synthie-Section, die es meistens gerade so schafft, die Trennlinie zwischen 'anziehend' und 'echt nervig' nicht zu überschreiten. So ist dann der Unterschied zwischen Pompeii und Things We Lost In The Fire eigentlich nur, dass im Zweiten noch eine markante Bass-Line und ein paar nette Streicher dazukommen. Abseits davon ist es das gleiche Spiel, nur diesmal mit persönlicherem Ton im Text. Die einfache Rechnung heißt also, mag man sie einmal, mag man sie immer.
Das führt dazu, dass einem die afrikanischen Rhythmen von Icarus und das lockere Klavier-Geklimper in Daniel In The Den nicht weniger gut die Zeit vertreiben. Bedingt auch dadurch, dass im Großen und Ganzen doch keine Langeweile aufkommt. Denn zwischen die simple Songformel und die dominierenden Beats (Gott vergelt's nicht immer aus dem Computer) mischen sich großartige Vorstellungen der Background-Sänger, stimmungsvolle Balladen wie Get Home und dann doch einmal ziemlich harter Dance-Sound mit Bad Blood. Trotzdem, die Höhepunkte bleiben der gleichen Formel treu. Es ist ja bereits ein altbekanntes Phänomen aus dem AC/DC- und Ramones-Sektor, dass man an ewig gleichem Sound nicht gleich weniger Gefallen finden muss. Ähnliches spielt sich hier ab. Denn gerade Laura Palmer, der Track, der wohl am ehesten dem Opener Pompeii nacheifert, bringt auch dem letzten Viertel der LP einen Favoriten.
Natürlich, und jeder wird erraten, was jetzt kommt, ist hier nicht alles ein einziges freudiges Spektakel. Gerade der Titeltrack wird nämlich zu einer gekonnten Zurschaustellung der Fehler, die dem Bastille-Sound passieren können. Niedriges Tempo und trotzdem einen verdammt harten Beat, dazu erstmals auch zu viel aus dem Computer-Sektor und Bad Blood wird zur anstrengenden Geduldsübung. Damit eröffnet der Song dann auch ungewollt den Durchhänger der LP. Denn mit Overjoyed, seines Zeichens merkwüridge Mischung aus Dubstep und Coldplay-Ballade, geht's nicht so recht bergauf und Weight Of Living Pt. II präsentiert sich als etwas hyperaktive Version dessen, was man im Opener noch großartig gefunden hat. Selbst in solchen Momenten können aber Smiths Gesang und nicht zuletzt seine Texte das Schlimmste verhindern und retten die Tracks in die Welt des passablen Mittelmaßes.
Denn die Lyrics, so einfach sie ja oft sein mögen, klingen irgendwie richtig. Auch wenn einem das deuten nicht immer so leicht fällt, mit Zeilen wie "When all of your flaws and all of my flaws are laid out one by one / A wonderful part of the mess that we made / We pick ourselves undone" oder "We sat and made a list of all the things we had [...] I read them all one day when loneliness came and you were away / Oh, they told me nothing new, but I love to read the words you use" wirkt der vielleicht uninspiriert anmutende Synthie-Pop der Band gleich um eine Klasse besser. Smiths Talent ist ohnehin ein nicht so oft gesehenes, schafft er es doch mit Leichtigkeit, aus durchaus gewichtigen Worten - und wenn sie auch nur gewichtig klingen - Ohrwurm-Refrains zusammenzuzimmern.
Etwas zu viel Jubelgeschrei vielleicht für eine Band, die mit Sicherheit kein neues Kapitel in der Musikgeschite geschrieben hat. Aber die Briten sind, so viel sollte ihnen zugestanden werden, gut in dem, was sie tun. Dass "Bad Blood" glatt polierter, auf alle Fälle chart-tauglicher Pop ist, kann man nicht in Frage stellen, aber nicht alles, was gern gekauft wird, ist deswegen schlecht. Das Debüt von Bastille gehört zu der Sorte, die einen wirklich viel für die nächsten Versuche der Band erwarten lässt, auch wenn es mit dieser Platte nicht so einfach sein wird, ähnlich gutes Material abzuliefern.