von Mathias Haden, 11.01.2014
Auf Pete Dohertys persönlichem London Calling dominiert neben Chaos vor allem Licht über Schatten.
Seit einigen Jahren stellt man sich immer wieder diese eine Frage: Ist Peter Doherty eigentlich einer der brillantesten Songwriter seiner Zeit oder einfach nur ein extravaganter Poser, dessen negative Reputation enorm zum Hype um seine Person beigetragen hat? Fakt ist jedenfalls, dass Pete eine tragende Rolle in der ersten Hälfte des Jahrzehnts einnehmen konnte und zu einem der prägenden Musiker dieses Zeitraums mutierte. Egal, ob als geniale Hälfte des Frontmannduos bei den Libertines - neben den Arctic Monkeys die beste UK-Band in diesem Jahrtausend so far - oder als Skandalnudel in Ehe- und Drogengeschichten, ständig hatte man diesen Typen auf der Linse.
Mittlerweile wurde es jedenfalls relativ ruhig um den exzentrischen Briten. Nachdem die Libertines nach ihrem zweiten Album endgültig auseinanderbrachen, widmete sich Doherty allerdings noch mit einigem Medieninteresse seiner bereits zuvor gegründeten, neuen Band Babyshambles, in der er mit Gitarrist Patrick Walden, Bassist Drew McConnell und Drummer Adam Ficek das Debüt aufnehmen sollte.
Alles jedenfalls keine (zu der Zeit zumindest) gestandenen Musiker, dafür wurde mit Ex-The Clash Gitarrist Mick Jones der prominenteste Akteur für den Platz des Produzenten verpflichtet.
Nicht gerade überraschend ist, dass das hier noch ein wenig an die erfolgreiche Zeit seiner alten Gruppe erinnert. Da wäre etwa der Publikumsliebling aus alten Tagen, Albion, oder das direkt an einen Libertines-Song anknüpfende What Katy Did Next.
Was die Band den legendären Vorgängern jedenfalls voraus hat, ist die musikalische Bandbreite, die sich über die sechzehn Tracks erstreckt. Da finden sich Punk (Killamangiro), etwas Folk-Rock (Albion) und mit dem merkwürdigen Pentonville sogar ein waschechter Reggae-Song. Das alles umhüllt in schmutzigen Garage-Rock. Mit Mick Jones am Pult geht das scheinbar gar nicht anders, durchlebte der ja in seinen Jahren mit The Clash auch den einen oder anderen Ausflug in verschiedenste Terrains.
Durchaus zu begrüßen ist jedenfalls die Produktion, die den durchgehend recht rohen Songs ihre Unmittelbarkeit lässt.
So klingt Down In Albion im Prinzip wie ein halbgares, fast schon beiläufig produziertes London Calling im konfusen Doherty-Stil.
Auf der mit über einer Stunde verhältnismäßig langen Laufzeit finden sich nämlich nicht nur ein Haufen verschiedenster Einflüsse, sondern auch ein Gros an starken Kompositionen, die den Vergleich mit den good old days nicht scheuen müssen. Mit Fuck Forever gibt es eine stadiontaugliche Sing-Along Hymne, mit Pipedown und Killamangiro animierende Partyparolen und gern gehörte Konzertfavoriten, mit La Belle Et La Bête (mit Gastvocals von Dohertys Damals-Gattin Kate Moss und fettem Bass) ein geglücktes Experiment und zusätzlich noch einiges, das man als kitschfreie Balladen durchgehen lassen könnte.
Ach ja, und mit Albion dann auch noch den besten Song der Band und eine der stärksten Singles des Jahrzehnts von der Insel. Nach einer knappen Minute Rauschen zünden Walden und Co. ein beeindruckendes Akustikfeuerwerk und Doherty erzählt über seine Version des alten Englands wie einst Ray Davies von den Kinks.
Dass Dohertys Stimme teilweise sehr schief ist, mindert den guten Eindruck auch nicht. Im Gegenteil, geht sie doch mit der minimalen Produktion gut einher. Auch die Band spielt überraschend solide und weiß zu gefallen und wirkt gut an Petes eigenwilliges Auftreten angepasst. Interessant sind auch nach wie vor die Texte, die Junkie Petey so zwischen oder während seiner Eskapaden auf Papier zaubert. Wie könnte es auch anders sein, muss auch hier die feinste Kreation in Form von Albion als Beispiel herhalten:
"If you're looking for a cheap sort
Set in false anticipation
I'll be waiting in the photo booth
At the underground station"
Weniger erfreulich sieht es hingegen mit einigen anderen Tracks aus, die weder nach irgendeinem System angereiht scheinen, noch die hohe Qualität der bereits erwähnten an den Tag legen. Einen Tinnitus fängt man sich mit keiner Nummer ein, aber das phasenweise Rumgedümpel das seine Präsenz auf dem Reggae-angehauchten, schleppenden Sticks And Stones oder dem überlangen Closer Merry Go Round innehat, lässt hier ein bisschen etwas an Füllmaterial entdecken. In abgespeckter Form wäre da noch ein wenig mehr gegangen, besonders der Umstand, dass zwei der längsten Songs das zu dem Zeitpunkt bereits ersehnte Ende noch hinauszögern, fällt ins Gewicht. Den Vogel abschießen tut allerdings die vormals angesprochene Reggae-Nummer Pentonville, die von General Santana gesungen wird. An sich und entgegen vieler kritischer Stimmen kein übler Track und eine nette Abwechslung, aber bei vier Minuten purer Eintönigkeit doch ein wenig unpassend gewählt.
Down In Albion ist, trotz all der Stärken die es auszeichnen, nicht das beste Album in Dohertys beeindruckender Karriere. Genau genommen ist es nicht einmal das gelungenste der Shambles. Es ist etwas anderes, das diese LP so besonders macht: die Authentizität. Kein anderes Werk gibt so einen genauen Einblick in das chaotische Leben des Peter D. und spiegelt dennoch seine großen Stärken als Bandleader wieder.
So bleibt einem letztendlich nicht viel mehr übrig, als Doherty zu einer erneut bestandenen Talentprobe zu gratulieren. Was aber noch viel wichtiger ist: Die Babyshambles sind entgegen der Erwartungen keine schlechte Kopie der Vorband. Well Done Boys!