von Mathias Haden & Kristoffer Leitgeb, 31.05.2014
Return of the Space Cowboys: Mehr als nur 'U2 für Arme'.
Als Tom DeLonge, seinerseits einer der kreativen Köpfe im erfolgreichen Pop-Punk Trio Blink-182, ankündigte, mit einer neuen Band auf den Spuren von U2 und Pink Floyd zu wandeln, war die Skepsis natürlich groß. Woher sollte dieser infantile Jungspund, der sich ein halbes Jahrzehnt zuvor noch für Songs wie First Date verantwortlich zeigte, ein Gefühl für 'anspruchsvollere' Musik haben? Richtig grotesk wurde es allerdings erst, als er für das Debütalbum "the best music in generations" weissagte. Natürlich wurde es das nicht und DeLonge schob die Schuld mittlerweile den Medikamenten zu, die ihn zu Zeiten der Aussage getrieben hatten.
Keine zwei Jahre später steht die nächste LP in den Startlöchern. Noch kolossaler, noch ambitionierter, aber immerhin nicht so hochmütig. I-Empire heißt die Platte und man will wirklich nicht wissen, was der Titel aussagen soll. In punkto Pathos kann man A&A jedenfalls nichts vorwerfen.
Aber auch die Musik ist gar nicht mal so schlecht. Schon das Debüt war ein schöner, etwas überambitionierter Versuch, wie ein sympathischeres U2 rüberzukommen. Auch wenn das mit der Sympathie gehörig daneben ging, braucht sich We Don't Need to Whisper keine Sekunde vor den Alben der Vergleichsband zu verstecken (Auch wenn mir da so ziemlich jeder Mensch widersprechen mag).
Mit Opener Call To Arms geht es mit eingängiger Melodie, fulminantem Refrain, passendem Synthieeinsatz und starker Performance von DeLonge denkbar gut los. In erster Instanz gibt er aber einen guten Einblick auf das folgende Space-Epos. Die Grundstimmung ist positiver und die Produktion gibt dem Ganzen ein wenig mehr Dynamik, die dem Vorgänger über weite Strecken gefehlt hat. Überhaupt wirkt der Frontmann, als ob es A&A und nicht Blink-182 wären, die dem Kalifornier am Herzen liegen.
Was folgt, sind beinahe fünfzig Spielminuten, die mal mehr, mal weniger überzeugen. Meist trifft aber Ersteres zu. Die beschwingte Single Everything's Magic und das autobiographische Rite of Spring haben den Pop-Appeal von Blink, ersteren kennt man nicht umsonst vom Til Schweiger-Film 'Keinohrhasen'. Love Like Rockets und Secret Crowds punkten mit toller Atmosphäre und animierenden Refrains, ein Terrain, das Tom D. in seinen mittlerweile 20 Jahren Karriere mit A&A nun bis zur Spitze treiben konnte und mit dem üppigen Closer Heaven wird der thematische Kreis mit Album #1 wieder geschlossen.
Natürlich gibt es auch immer die andere Seite der Medaille. Breathe ist übelster Kitsch-Bombast, viel zu lang, zu viel Schmalz und schlicht zu fade. Grundsätzlich übertreibt es DeLonge hier mit seinem Gesang ein wenig. Furchtbar langweilig ist auch das monotone Lifeline, das über vier Minuten ohne Höhepunkt auskommt und ebenso verzichtbar gewesen wäre, wie der schwachsinnig betitelte Interlude Jumping Rooftops.
Angels & Airwaves werden wohl nie die Anerkennung erhalten, die sie sich verdienen. Mit ihrem zweiten Album, dem schwächsten der ersten drei, machen sie aber klar, dass Bombast und Weltschmerz ohne Bono hinter dem Mikrophon durchaus Spaß machen können. Und nun, räume ich das Feld für meinen zweifelnden Kollegen! Mach se fertig, Bruder!
M-Rating: 7 / 10
Selten hat jemand so sehr musikalische Größe mit billig klingendem Pathos verwechselt. DeLonges schwärzeste Stunde.
Merkwürdiger Geschmack, merkwürdige Reviews. Yes, that's me. Ich weiß, an mir gehen viele musikalische Sternstunden vorbei, wenig beeindruckt mich und dann ist es noch nicht einmal das Richtige. Hier gibt's aber nichts zu diskutieren. Wenn ein hoffnungslos narzisstischer, stilistisch fehlgeleiteter und offensichtlich von Schmalz und Pathos beeindruckter Tom DeLonge sich aufmacht, dem Rock eine neue Sternstunde zu bescheren, dann ist man wohl wirklich besser beraten, a priori wegzuhören.
Das beginnt beim Debüt, einem trägen, zähen, zu oft ideenlosen pseudo-spacigen Machwerk, das wenigstens die Basics hinbekommt, vom Beeindrucken aber tunlichst Abstand nimmt. Diesmal geht's aber noch weiter in Richtung 'Rock Bottom' für Mr. blink-182. Keine Spur von altbekannten Ohrwurm-Refrains, keine Power, keine Spannung. Stattdessen? Ein Haufen langweiliger Tracks mit viel zu vielen Minuten, die sich munter zwischen pompösem Stadion-Rock und billigem Synth-Pop tummeln. Call To Arms bietet keine eingängige Melodie, keinen passenden Synthieeinsatz und DeLonge wirkt zurückgeworfen in seine Stimmbruchphase. Zwischen fade, ohnehin von allem überlagerte Riffs drängt sich eine eher träge Drumperformance und alles in allem der gescheiterte Versuch einer bombastischen One-Man-Show. Das gibt's auch in besonders kitschig und noch langweiliger (Breathe) oder auch besonders billig (Lifeline).
Sternstunden finden sich anderswo. Aber wenigstens ab und an bekommt er vergleichsweise unterhaltsame Songs hin. Und zwar immer dann, wenn er seine Stärken bedient. DeLonge ist ein passabler Punker und ein ziemlich mieser Rock-Poser, aber er ist einer von der starken Sorte, wenn es um eingängige Pop-Songs geht. Deswegen stechen die erfrischend lockeren und ohne großes Tamtam vorgetragenen Everything's Magic und Love Like Rockets auch am ehesten positiv heraus. Dort verschwindet die LP in Richtung 80s-Synth-Pop, bringt schnellere und von Pathos befreite Nummern mit hellen Riffs, sogar ziemlich guten Keyboard-Parts und den bei Weitem besten Refrains, die sich hier finden lassen. Dazu gesellt sich das zu Recht herausgehobene Rite Of Spring, das zwar mit seiner lauwarmen Performance an der Gitarre - die dafür auch zu dominant ist - auf über vier Minuten stetig abbaut, aber wenigstens ein halbes Dutzend Durchläufe übersteht.
Die Kehrseite heißt unter anderem Secret Crowds. Was mit einem ordentlichen Hard Rock-Riff beginnt, geht über in endlose Strophen, in denen sich die Band nur über die Percussions zu retten versucht, das aber spätestens mit einer grässlich aufgeblasenen Bridge direkt in Richtung Abgrund befördert. Zumindest tut's nicht sehr weh, das ist dann aber auch alles. Mit zwei komplett sinnfreien Instrumentals, befreit von jeglichem Space Rock, der irgendwann einmal Teil der Band sein sollte, den im Grunde ordentlichen, bei sechs Minuten aber zwangsläufig überstrapazierten Pop-Tracks True Love und Heaven und dem leicht verdaulichen Sirens hat DeLonge dann auch fertig (um Giovanni Trappatoni zu paraphrasieren).
Und er agiert schon oft wie Flasche leer, wenn er an seinem Versuch scheitert, ein neues Kapitel Rockgeschichte zu schreiben. Als positive Ausreißer bleiben gerade die Songs, die für Angels & Airwaves anno 2007 untypisch wirken. Leichte Pop-Tracks, in denen nicht viel gewagt, aber eben auch nicht verloren wird. Diese drei Tracks, ohnehin mit ein bisschen Bauchweh herausgehoben, bilden das klapprige Gerüst, auf dem "I-Empire" stehen muss. Und daher: Nein, sie bekommen keine Anerkennung. Weil auch ohne Unsympathler Bono zu loben recht klar ist, dass DeLonges Versuch auf dessen Spuren zu wandern meilenweit von seinen altbekannten Stärken entfernt ist. Genug "fertig gemacht", glaub ich.
K-Rating: 3 / 10