Angel Olsen - Burn Your Fire For No Witness

 

Burn Your Fire For No Witness

 

Angel Olsen

Veröffentlichungsdatum: 17.02.2014

 

Rating: 8 / 10

von Daniel Krislaty & Mathias Haden, 18.04.2015


Im Sog von Trübsinn und ungeahnter Schönheit.

 

Die gar nicht mehr so junge Amerikanerin, die auch schon an der Seite bzw. im Hintergrund von Bonnie 'Prince' Billy Erfahrung sammeln durfte, stellt spätestens hiermit klar: Sie ist gekommen, um zu bleiben. Fernab von eindimensionaler Baukastenspielerei zwischen abgestandenem Folk und dessen Integration in das sogenannte 'Indie'-Genre, erlaubt sich Olsen mit berstendem Talent und einer gehörigen Portion Charakter ausgetretene Wege neu zu pflastern. Wirklich Revolutionäres ist hier dementsprechend nicht zu erwarten, stand aber auch nicht auf der Verpackung. Burn Your Fire for No Witness gewährt vielmehr eine sehr herzliche Einführung in die sowohl bezaubernden wie auch wehmütigen Gedanken der wandlungsfähigen Sängerin Angel Olsen.

 

Bloß von einer Gitarre begleitet, begraben gedämpfte Verwünschungssprüche auf Unfucktheworld bereits früh die Träume und Gefühle der in Einsamkeit erstickenden Protagonistin, die sich am folgenden Forgiven/Forgotten zumindest zeitweise aus der Depression befreit und im munter elektronischen Blues mit Liebesbekundungen wild um sich wirft. Wieder zurück im Mittelpunkt von Abgeschiedenheit und Melancholie verhüllt Olsen ihre sanften Zeilen über innere Dämonen im bemerkenswerten White Fire in einer drückenden Klangdämmerung. Ebenso ein wenig in der unbeweglichen Schwebe fahndet das ebenso großartige Lights Out nach einer Lösung für quälende Seelsorgen, spart durch die Unterstützung der Band jedoch einen Teil der so herausragenden Intimität von White Fire aus.

 

Stars' nachstehende Episode von vergleichsweise mitreißenden Riffs bricht mit der zuvor so stillen emotionalen Brachialwucht und unterläuft damit teilweise Olsens gefühlte Isolation von der Welt – zumindest auf musikalischer Ebene. Wenngleich ein solcher Ausflug in ein rockigeres Milieu der Abwechslung und Heterogenität des Albums als Gesamtwerk gut zuarbeitet, fällt der Kontrast zu Iota, das darauffolgend abermals äußerst dezente Wege erschließt und den Lärmregler auf ein Minimum zurückschraubt, ziemlich gravierend aus und vermag bei unbedachten Hördurchgängen ruppig aus dem Erlebnis zu reißen.

 

Olsen besitzt auch keine Scheu, einen eher konventionellen Eyecatcher für ein breites Publikum einzuflechten, der wirklich ganz blank zieht und sogar auf spannungsverstärkende elektronische Hilfsmittel verzichtet. Enemy besteht aus einem kaum zu erwähnenden Gitarrenzupfen und einem über eigentlich selbiges wie zuvor babbelndes Goldstimmchen. Einfach und vielleicht auch noch wirkungsvoll macht sich jedoch langsam aber sicher Erschöpfung von den Wehklagen über Herzschmerz und Weltangst breit, welcher auch der im Vergleich zum Rest des Albums blutleere Closer, das phrasenhafte Window, mit wieder differenzierterem Arrangements keinen Abbruch tut.

 

Da hat sie sich aber ganz schön gemausert, die stets aufregend unaufregende Angel Olsen. Die allgemein beeindruckende Liedersammlung, der am Ende womöglich etwas die Luft ausgeht, lebt von der überschwappenden Atmosphäre und emotionalen Ballung, die die Amerikanerin glaubwürdig macht und natürlich verinnerlicht und teilt. Als Kanal für Olsens Verzweiflung wirkt Burn Your Fire for No Witness wie ein lebenswichtiges Statement, durch das sich Olsen der Welt endlich mitteilen und ausdrücken möchte. Hier erleben wir brutale, ehrliche und echte Kunst.

 

 

D-Rating: 8 / 10

 


Zwischen Folk-Ästhetik und Grunge-Feeling gerät die zweite LP zum kleinen Meisterwerk.

 

"If you've still got some light in you then go before it's gone

Burn your fire for no witness, it's the only way it's done..."

 

Gänsehaut. Die Stimmung ist am Boden, die Hoffnung eine winzige, längst verblichene Erinnerung. Vor dem geistigen Auge wähnt sich eine geisterhafte Erscheinung in ihrem engelhaften Klagelied, während die Backingband, die Minuten zuvor noch richtig Dampf gemacht hat, wohl ebenso wie ich in vorsichtigem Staunen in der Ecke verharrt und lauscht.

Die in Missouri geborene Angel Olsen mag im Kontext ihrer limitierten musikalischen Duftnote in Verbindung mit ihren knapp 30 Jahren wohl tatsächlich als Spätstarterin gelten, bei Minuten wie auf dem im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubenden White Fire hätten wir ihr aber auch noch weitere Äonen verziehen.

 

Dabei beginnt die zweite LP der Amerikanerin, Burn Your Fire For No Witness, tatsächlich schwungvoll, lässt die beiden Gesichter der Sängerin in einem mystisch phosphoreszierenden Leuchten erstrahlen. Auf der einen Seite finden sich in der Folge die Reminiszenzen an vergangene Tage, wie am spärlich instrumentierten Opener Unfucktheworld oder dem mit "babbelndem Goldstimmchen" (© D.) vorgetragenen Akustikschmuckstück Enemy, die mit sanften Fingerpicking-Übungen eine zurückhaltende Folk-Musikern wiederspiegeln. Als vergleichsweise raues Pendant mischen sich immer wieder auch dominante, schrammelige Gitarren im 90er-Stil ins Geschehen, die dem Ganzen eine erfrischend abwechslungsreiche Note geben. Auf Forgiven/Forgotten mag den Gefühlen von Trauer und Schmerz freilich wenig Raum gegeben sein, dennoch wirkt es mit seinen "I don't know anything"-Chants auf eine eigenwillige Art und Weise berührend und in seiner kapitulierenden Ahnungslosigkeit sehr persönlich. Diese Intimität ist auch den anderen, insgesamt elf Tracks, auf denen die Chanteuse ihren Erkenntnissen und Erfahrungen ein Ventil gibt, angehaftet. Zum Highlight mausert sich das vom Kollegen sträflich übergangene Hi-Five, das in seiner beschwingten Natur als bittersüße Country-Nummer auch mit Olsens dezentem Country-Twang eine wundervolle Symbiose eingeht. Stars und Iota werden, wie vom Vorsprecher angedeutet, zum Wechselspiel der Emotionen und Intensionen. Während Ersterer in lodernden Gitarrenexzessen versinkt und Letzterer wieder auf zarte Akustik herunterschaltet, haben sie alle nur ihre souveräne, magische Sängerin gemein, die in keiner Sekunde wirken würde, als hätte sie die Fäden nicht fest im Griff.

 

Gegen Ende geht der LP dann tatsächlich etwas die Luft aus. Nicht etwa, weil Tracks wie das in hellster Stimme vorgetragene Windows offensichtliche Schwächen offenbaren würden oder gar 'blutleer' beim Hörer ankommen. Nein, zu diesem Zeitpunkt sind das große Staunen über Angel Olsens riesige Entwicklung und die überfordernde Faszination über die besten Stücke der LP, die an dieser Stelle bereits der vergänglichen Wesensart einer Tracklist zum Opfer fielen, nur schon in dezentem Maße abgeklungen.

Gratulieren darf man der Amerikanerin zu ihrem kleinen Meisterwerk Burn Your Fire For No Witness aber dennoch, auch dem spitzfindigen Kollegen ein sanfter Klopfer auf die Schulter. Trotz mangelnder Erfahrung hat Angel Olsen es hier in beeindruckender Manier geschafft, ihre angehaftete Folk-Ästhetik mit erdigem Grunge-Gitarrensound zu kombinieren und all dem mit ihrer engelsgleichen Stimme, die ihrem Namen alle Ehre macht, noch einen unverkennbaren Stempel aufgedrückt. Bitte bald mehr davon, danke!

 

M-Rating: 8 / 10

 

Anspiel-Tipps:

- Hi-Five

- White Fire

- Lights Out

- Stars


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