von Kristoffer Leitgeb, 06.06.2020
Schon damals eine imposante Erscheinung, aber ohne die dazugehörige Produktion.
Die Musik braucht ein paar Phänomene in personalisierter Form, die charismatisch, eigenwillig, ein bisschen stur, ein bisschen extravagant, ein bisschen anders sind. Vor allem die Popmusik braucht sie, weil sie sonst wohl endgültig in einer stilistischen Suppe, die einem zusammengepanschten Auflauf der Esssensreste von letzter Woche ähnelt, versinken würde. Was eigen ist und dementsprechend den einen oder anderen abwegigen Pfad beschreitet, ist da der sprichwörtliche Bissen Brot, ohne den es nicht geht. In diesem Sinne hat es auch Amy Winehouse gebraucht, weil sie auch schon ohne große Erfolge die damit verbundenen Probleme mitgebracht hat und gleichzeitig trotzdem wusste, wie man ein bisschen medialen Glamour versprüht. Und weil sie mitverantwortlich dafür war, dass Soul und R&B auch auf weißer Seite im 21. Jahrhundert ankamen und noch dazu in einer Weise an manch großen Namen der 50er und 60er erinnerte, wie es das sonst selten irgendwo tut. In rundum überzeugender Form wurde das auf ihrem kurzen künstlerischen Höhepunkt bewiesen, zu dem allerdings so etwas wie "Frank" nicht wirklich zählen kann.
Dieser Umstand ist allerdings nur bedingt Winehouse selbst zuzuschreiben und hängt viel eher mit den Mitverantwortlichen zusammen, die das Album teilweise in die falschen Richtungen leiten. Die auf "Back To Black" intensivierte Zusammenarbeit mit Salaam Remi findet zwar bereits hier ihren Anfang, ist jedoch weniger intensiv und umgeben von Produzenten und Musikern, die Winehouse weit weniger schmeicheln, als es der in den musikalischen Rückspiegel blickende Sound des Nachfolgers tut. Selbigen gibt es hier zwar auch schon, wofür wiederum Remis Produktion verantwortlich zeichnet, selbst in diesen Fällen ist aber ein modernerer Anstrich spürbar, ein stärkerer Einfluss von Hip-Hop und dem R&B der Jahrtausendwende.
In den besten Momenten tut dies wenig zur Sache. Fuck Me Pumps und In My Bed durften zwar beide nicht Leadsingle werden, wurden aber ultimativ doch und völlig zu Recht ausgekoppelt, sind der qualitativen Gipfel des Albums. Fuck Me Pumps ist dabei näher dran am Nachfolger, spart sich klangliche Tricksereien und besinnt sich der Einfachheit. Entsprechend gibt es nicht viel mehr als einen trocken-harten Beat, unterschwelligen Bass, ein bisschen zartes Zupfen an der Gitarre, das mitunter fast harfenähnliche Züge annimmt, und Winehouse vereinnahmend selbstsicherer Performance, der man kaum noch Backgroundstimmen mitgeben muss. In My Bed kommt mit deutlicherem Urban-Charme daher, tobt sich mit Samples, prägnanten Drums, Congas, Bläsern und Flöten aus, mischt noch ein paar Harmonien aus dem Hintergrund dazu und ist damit fast schon die Antithese zur Winehouse'schen Anziehungskraft. Doch die klangliche Balance stimmt und all das Drumherum kann vor allem auch nicht verdecken, wie großartig der eingebettete Refrain ist.
Letztlich ist es dennoch diese musikalische Ausrichtung, die die schwächeren Aspekte der LP verursacht. Ist der obige Track von Remi produziert, machen erst jene, die komplett ohne Remis Beteiligung entstanden sind, deutlich, dass und wie hier Potenzial verschenkt wurde. Selbst In My Bed könnte bei günstigerer Ausgestaltung entsprechend mehr Wirkung entfalten und sich endgültig zu den besten Songs der Britin gesellen. Gordon "Commissioner Gordon" Williams ist für einen Gutteil der übrigen Songs verantwortlich und scheint jeden davon derart auszukleiden, dass man sich unter anderen Umständen besseres erwarten würde und mit durchschnittlichem Material zurückbleibt. Selbst der gelungene October Song ist augmentiert mit merkwürdigen Effekten und unwillkommenen Claps, auch wenn diese nicht dominant genug sind, als dass die starke Gitarrenarbeit nicht trotzdem durchkommen würde. Wirkliche Schwachpunkte sind da schon eher die von Williams produzierten Balladen. Nun sind die gefühlsbetonteren Songs generell keine Offenbarung, lassen die gelungene Emotionalität des Nachfolgers vermissen. Hier sind sie dennoch besonders zäh und wirkungsarm, leiden im Fall von What It Is About Men am schmerzhaft an die 90er erinnernden R&B-Sound oder an der schwerfälligen Melodramatik, die Take The Box mitbringt. Moody's Mood For Love und I Heard Love Is Blind sind auf diesem Feld zumindest ordentliche Einlagen, die mehr Eigenständigkeit und mehr Fokus auf ein reduziertes Klangkorsett mitbringen, auch wenn die Wahl der Instrumente und die störrische Melodik nicht zwingend hilfreich wirkt.
Jimmy Hogarth ist es vorbehalten, mit Help Yourself einen atmosphärischen Mid-Tempo-Track mit den omnipräsenten Bläsern und der Hammond Orgel so auszustatten, dass ein stimmiges und stimmungsvolles Ganzes herauskommt, das von Winehouse in gewohnt souveräner Manier besungen wird.
Mag die Singer-Songwriterin auch in ihren jüngsten Jahren bereits dazu in der Lage gewesen sein, mit ihrer Stimme Songs auf imposante Art Ihren Stempel aufzudrücken, muss man ihr doch etwas vorwerfen. Textlich ist "Frank" zwar sporadisch nicht weniger direkt als der Nachfolger, eine ähnliche emotionale Direktheit spürt man hier dennoch selten bis nie, was zwangsläufig insbesondere den gefühlsbetonten Minuten keine Hilfe ist. Natürlich bringt das auch mit sich, dass die stilistische und thematische Geschlossenheit, die "Back In Black" kennzeichnet, hier genauso weit weg ist. Stattdessen hat man es mit einem Haufen oft guter Songs zu tun, die wie im Falle von Closer Amy Amy Amy sympathisch locker dahinswingen und musikalisch wie gesanglich rundum stimmig wirken. Der große Wurf gelingt dennoch nicht. Nah dran ist noch You Sent Me Flying, das als leidenschaftlich gesungene Klavierballade der eindeutige emotionale Höhepunkt des Albums ist, vollkommen unerklärlich jedoch mit dem nichtssagenden und die Stimmung zerstörenden Cherry zu einem Track verschmolzen wurde.
Sowas kann gerne als symptomatisch für "Frank" gelten, bringt es doch alle Zutaten mit, die den Nachfolger zu einem wirklich großartigen Album machen. Leider allerdings in zu spärlicher Dosierung und gepaart mit unvorteilhafter Produktion und im Vergleich noch wenig Eindruck hinterlassenden Texten. Nichtsdestoweniger ist das Debüt der britischen Frau mit der eindrucksvollen Stimme eines, das nicht nur dahingehend großes Potenzial beweist und manche bereits voll ausgereifte Darbietung mitbringt, sondern das auch stilistisch phasenweise den Weg weist, auf dem sie noch so manch beeindruckendes Lied vollbringen sollte. Hier findet man letztlich keines, das die Strahlkraft oder die Fähigkeit zu einem ähnlichen bleibenden Eindruck hat, wie es ihre allerbesten Minuten tun. Ganz so viel muss man dann aber auch nicht verlangen, um trotzdem festzustellen, dass das, was einem hier geboten wird, oft genug gutes Handwerk ist und einen nicht gerade zum Weghören verleitet.