von Kristoffer Leitgeb, 26.05.2018
Gekrönt mit dem Karrierehaupttreffer, wird es der Gipfel rockiger Erträglichkeit aus dem Wiener Süden.
Messlatten sind erfahrungsgemäß nicht immer gleich lang, unterliegen sehr oft unterschiedlichen Eichungen und man muss sie auch mitunter an sehr unterschiedlichen Punkten beim zu messenden Objekt ansetzen. In modernen Zeiten ist das eine zunehmend obsolete Feststellung, die standardisierten Einheiten der Moderne haben es so an sich, dass sie global sehr sehr ähnlich funktionieren. Früher war das anders und was in Wien gemessen wurde, konnte in München komplett anders ausschauen. Das ist hier insofern irrelevant, da sich die Bewertung von Qualität nie wahnsinnig geändert hat. Man versucht ihr üblicherweise auf numerischem Wege beizukommen, auch wenn die verbale Zensur mancherorts an Boden gewinnt. Die Zahlenwelt erzwingt beinahe eine vereinheitlichte Bewertung, ganz einfach deswegen, weil sie sonst komplett für die Würscht' wäre. Nur ist nicht jede Zahl überall gleich gut und was dahingehend für die eine Band als biederer Durchschnitt durchgehen mag, kann für Alkbottle schon als Triumph wider die Unerträglichkeit gelten.
Soweit erkennbar, dürfte dieser Punkt mit "Wir San Auf Kana Kinderjausn" erreicht worden sein. Das ist nunmehr über 20 Jahre her und fällt entsprechend in die jugendliche Frühphase der Band, gleichzeitig aber auch ihre erfolgreichste. Was daran liegen könnte, dass der tiefsitzende Meidlinger Dialekt damals in der Bevölkerung noch mehr Anklang gefunden hat, vielleicht gilt aber auch nur das Bloodhound-Gang-Phänomen und die schlichte Penetranz der humoristischen Seichtigkeit wirkt mit dem unverbrauchten, energiegeladenen Charme eher positiv nach als Dekaden später. Auf alle Fälle waren Goldene Schallplatten für Roman Gregory und Konsorten damals kurze Realität und rein chronologisch sollte die dritte Studio-LP bereits zur Bestätigung des Erfolgs dienen. Inwiefern das gelungen ist, sei dahingestellt, die musikalische Berechenbarkeit des harten Rock paart sich aber immerhin mit einer endlich einmal liebenswerten Gewöhnlichkeit in den Texten. Wobei nicht gewöhnlich in dem Sinne, dass man viele Nachahmer im Business fände, sondern eher im Hinblick auf die gewählte Thematik. Natürlich auch das Saufen, der Bandname wäre sonst irreführend. Latente Aversionen gegenüber Haarschneidern, gleichzeitige Freude für die anhaltende Körperbemalung und schlichte Aggressionsbewältigung in Songform erfrischen aber.
Überraschend ist das insofern, als dass die Lyrik Gregorys auch damals nicht wirklich als solche zu bezeichnen war und sich mitunter im direkten Duell gegen Rhythmik und Metrik befindet. Das wiederum hilft beim spartanischen Eindruck, macht auch die spärlichen, aber wenigstens klar hörbaren Perlen Wiener Humors umso effektiver:
"Moch ma no den Krankl
Jo, den mant er, kennt er
Aus'n Hansi is da Kreisky wurd'n
Herrgott, heast, schau owa
Des Anzige wos I mir jetzt no kauf'
Is a Rollkragenpullova"
Das ist stark. Nicht geistreich, aber stark. Dass das zitierte Tätowier Mi gleichzeitig eher gemächlich dahintrabt, sich schon beinahe dahinschleppt in der Monotonie, ist dank solcher Zeilen fast egal. Natürlich kann keiner verhehlen, dass sich die Mischung aus runtergeraspelten, schweren Power Chords aus Eigenproduktion oder in Cover-Form legendärer Rock-Hymnen, der einschläfernd ereignislosen Drum Performance und Gregorys passender, aber eben doch kontraproduktiver gesanglicher Mäßigkeit an der nachhaltigen Wirkung nagt. Anders gesagt: Viel hier ist vor allem klanglich bestenfalls als mäßig zu klassifizieren. Zwar kann man beim einen oder anderen Gitarrensolo anerkennend nicken und steigt mit dem Tempo direkt auch der Unterhaltungswert, allgemein ist der gebotene Hard Rock aber facettenlos, ohne dabei die hymnische Virtuosität von AC/DC oder Iron Maiden für sich beanspruchen zu können. Musikalisch parkt man zwar genau in deren Gefilden, qualitativ bleibt man aber doch eher bei KISS oder einer Schmalspurversion dessen liegen. Das kann jetzt, je nachdem, welcher Schaffensphase der US-Amerikaner man sich vergegenwärtigt, Lob und Kritik gleichermaßen sein. Als große Adelung geht es aber so oder so weniger durch.
Eine solche verdient man sich allerdings diesmal immerhin kurzfristig. Allen voran für einen Song, der auch beim folgenden Livealbum "Live Statt Nüchtern" einsam an der Spitze warten sollte. Die Doppler-Affäre ist eine schlicht geniale Form der musikalischen Politsatire, der Weg des Soldatensäufers hinauf zum weinseligen Präsidenten nicht nur in der bandeigenen Diskographie ein Klassiker, sondern als solches um nichts schlechter als mancher Gassenhauer aus der Feder von Ambros oder Danzer. Dass man sich gleichzeitig mit Military Drums vorstellt, an der Drum- und Gitarrenfront nicht vom Gas steigt und sich zu einem instrumentalen Pre-Chorus hinreißen lässt, trägt seiniges zum Volltreffer bei. Irgendwann mitten in der Bridge geht zwar das Momentum verloren, der Humor bleibt aber bis zur letzten Sekunde. Ähnliches könnte man über Geh Scheissn, wobei sich die im klassischen Austropop-Stil episodenartige Abrechnung mit der Umwelt mehr noch darüber definiert, dass die Vermählung von Gregorys Wutausbruch und dem harten Riffexzess ein wunderbar angriffiges Ganzes ergibt.
Sowas spuckt die LP nur sonst nirgendwo mehr aus. Natürlich hat der finale Titeltrack seinen Drive und kann als vielleicht beste Beschreibung der Alkbottle'schen Livekultur angesehen werden - wobei, Blader, Fetter, Lauter & A Bissl Mehr wirkt schon auch sehr passend -, nicht nur wegen einer ziemlich missglückten, Disco-Retro-Vorstellung in der zweiten Hälfte bleibt es aber bei einem lauwarmen Abschluss. Die wirklichen Schwachstellen sind trotzdem andernorts zu suchen. Vielleicht schon ganz zu Anfang, weil Superanton einfach so ein Song ist, der viereinhalb Minuten lang nichts wirklich falsch macht und trotzdem keine sonderlich überzeugende Existenzberechtigung findet. Mit Sicherheit aber dann in der zweiten Albumhälfte, die mit Ottakringer Hundsviech und Nua Zua die notorische Langeweile des Pseudo-Lustigen zurückbringt, für die man die Wiener eigentlich kennt. In diesen Minuten wird einem dann umso schneller klar, dass die Musik kein Leiberl hat, wenn es darum geht, die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Hart ist sie mitunter, aber sie trabt fast immer ereignislos an einem vorbei und hält sich so weit von mitreißenden Qualitäten fern, dass es schon wieder bemerkenswert ist. Wobei das den Vorteil hat, dass es nicht so dämlich wirkt wie der Live-Mitschnitt unter dem Titel Pausenbottle, der eine wenigstens bewusste Vergewaltigung von Bob Dylans Blowin' In The Wind darstellt.
Darüber allein lässt sich kein Urteil erarbeiten. Es ist aber ein bezeichnender Reinfall, der den anfänglichen Vergleich mit der Bloodhound Gang rechtfertigt. Der Rest wirkt dafür zumindest zeitweise zu seriös, wenn auch um nichts professioneller. Das wiederum ist komplett powidl, weil das zur DNA von Alkbottle gehört und letztlich zumindest Phasenweise ins Charmante abdriftet. Dass das nur dann möglich ist, wenn man sich zur Politisierung oder zur Aggression hinreißen lässt, ist schade, weil es höchst seltene Betätigungsfelder der Band sind. In Kenntnis anderer Alben unerwartet ist nur, dass sich auch die diversen Ausflüge ins schmerzhaft Triviale hier und da durchaus gelungen präsentieren und den Witz fernab unsympathischer Penetranz finden. Ist selten und also nur die Fahrkarte ins Mittelmaß. Für das Verhältnis Alkbottle zu MusicManiac immer noch eine dramatische Verbesserung.
Anspiel-Tipps:
- Die Doppler-Affäre
- Geh Scheissn
- Wir San Auf Kana Kinderjausn