Gewohnt stimmgewaltige Routineübung, gemacht zu einem einzigen Zweck: Rekorde zu brechen und die Welt zu erobern.
Es gibt ohne jeden Zweifel im Musikbusiness ein Maß an Erfolg, das unweigerlich mitbestimmt, wie sich eine Karriere von dem Punkt an weiterentwickelt. Und ohne jeden Zweifel hat Adele diesen Punkt mit "21" erreicht und eigentlich sogar schon lange hinter sich gelassen. Weltweite Charthits hat es ihr gebracht, darunter allein drei #1-Singles in den USA, mittlerweile um die 30 Millionen verkaufter Einheiten - mehr als beispielsweise die derzeitige 'große' Pop-Konkurrentin Taylor Swift mit ihren drei erfolgreichsten LPs zusammen - und den vermuteten Titel als Retterin der CD als Massenmedium. Schöne Sache, doch was damit einherging, war der geänderte Fokus, mit dem all das, was danach kommen sollte, betrachtet werden würde. Musikalische Qualität spielt ab dann nur mehr die zweite Geige, der kommerzielle Erfolg wird zum entscheidenden Richtmaß, das für Beobachter, so manchen Fan und auch Kritiker, damit aber fast sicher auch für sie selbst über Sieg oder Niederlage zu entscheiden hat. Adele ist - wie Elvis, die Motown-Damen oder Phil Collins und so manch anderer vor ihr - nur mehr dazu auserkoren, Massen zu beglücken und deren Wünschen zu entsprechen. Mit "25" tut sie genau das, geht auf Nummer sicher, weiß aber immerhin ihre Stärken ins rechte Licht zu rücken.
Was das bedeutet, illustriert die aus allen Lautsprechern tönende Leadsingle Hello bereits ausreichend. Experimente finden nicht statt, ihr angestammtes klangliches Plätzchen nimmt sie
dagegen auch diesmal stolz ein. Und das zu Anfang auch durchaus eindrucksvoll, markieren doch die gesetzten Klavier-Passagen des Welthits und die brillant akzentuierten Strophen mit ihren besten
Moment bisher, werden nur von den ins Melodramatische abdriftenden Refrains leicht sabotiert. Es sind weiterhin aufs Wesentliche gestutze Piano-Balladen, die den Kern ihrer Arbeit ausmachen,
dezent und doch produktionstechnisch mit pompöser 'Wall of Sound'-Größe ausgestattet. Ob man das nun langweilig und uninteressant nennt oder doch einfach nur als nötiges Understatement ansieht,
um der weiblichen Stimmgewalt ausreichend Platz zu geben, bleibt jedem selbst überlassen. Doch die Songs der Britin waren immer ihre Show. Ihre druckvolle Stimme, ihre vor allem auf dem Vorgänger
ehrliche Emotion sollten die Minuten zu großartigen machen und was ihre Stimmbänder hergaben, entschied oft genug auch über die Qualität ihrer Arbeit. Wenig andere Pop-Sängerinnen stellten sich
selbst je so sehr in den Mittelpunkt des Geschehens und bei wenigen anderen schien es so gerechtfertigt wie bei Adele.
Dass das auch weiterhin gilt, belegen jene Momente, die sie vielleicht gar von ihrer bisher stärksten Seite zeigen. Mit größerer Distanz zum früher alles beherrschenden Vibrato überzeugt sie
nicht nur auf Hello, sondern auch im Fall von Remedy oder When We Were Young voll, wirkt noch einmal verbessert und verfeinert in ihren Darbietungen.
Doch reibungslos präsentiert sich "25" deswegen noch lange nicht. Mit weniger belastetem Grundton und den Nachwehen von Adeles Schreibblockade kristallisiert sich bald eines heraus, nämlich der
eklatante Substanzmangel eines Albums, das allein wegen seiner stilistischen Einförmigkeit gute Texte brauchen würde. Ohne offensichtlichen Trennungsschmerz als lyrischem und emotionalem Motor,
wendet sich die Sängerin einer rundum nostalgischen, der Vergangenheit verpflichteten und auch nachtrauernden Stimmung zu. Vielleicht ebenso ehrlich - es wäre ihr zumindest zuzutrauen -, aber aus
offensichtlichen Gründen kaum einmal der Stoff, mit dem tiefschürfende Gefühle in große Dramatik verpackt werden können. Auch deswegen bleibt von Songs wie I Miss You und Akustik-Track
Million Years Ago wenig über, abgesehen von einem starken Drumbeat und der Erkenntnis, dass die Britin ohne ihr Klavier und in kompletter Ruhe weiterhin aufgeschmissen und ratlos ist.
Dass auch mit dem geliebten Piano nicht alles erstrahlt, beweist All I Ask, dessen überbordender Gesang schnell zur kitschigen Melodramatik verkommt, nur mit einer wirklich perfekt
gesungenen letzten Zeile kurz die eigentlichen Möglichkeiten aufzeigt.
Ob das jetzt schlechter ist als die merkwürdig und deplatziert wirkende ausgelassene Adele, die mit Max Martin und Shellback als Hilfskräften auf Send My Love (To Your New Lover) zur
mühsam aufpolierten Stil-Flucht in lockeren Pop bläst, ist eher fraglich. Beides kann wenig, letzteres wirft aber doch mehr Fragen auf, die allerdings die Entstehungsgeschichte rund um
Taylor-Swift-Song I Knew You Were Trouble auf erwartbare Art beantwortet.
Sie kann also nicht wirklich anders und dann doch wieder ein bisschen. Nicht mit When We Were Young und auch nicht mit Remedy. Dort werden noch nach alter Manier Glanzlichter gesetzt, die die sanftesten gesanglichen Minuten und daher auch die ehrlichsten Emotionen hergeben, irgendwo dort in den Sphären des wehmütigen Blicks zurück. Doch Water Under The Bridge bringt sie dann urplötzlich zurück in die Hochphase des Motown, versetzt mit pulsierendem, elektronischem Beat und lockerem Riff. Daraus wird bald der Albumfavorit, der Beziehungsprobleme ohne großes Drama bietet, dafür aber einen der wenigen wirklichen Ohrwürmer der Britin markiert. Im Paarlauf mit dem großartig eingesetzten Gospel-Hauch von River Lea und dessen starken Zeilen ("Everybody tells me it's 'bout time that I moved on / And I need to learn to lighten up and learn how to be young / But my heart is a valley, it's so shallow and man made / I'm scared to death if I let you in that you'll see I'm just a fake") beschert das "25" einen verdammt starken Mittelteil, flankiert von zu viel Mittelmäßigkeit und einem legitimen Welterfolg.
Genau da wird es dann auch problematisch. In Adele Adkins steckt eine herausragende Sängerin und bei Zeiten eine großartige Songwriterin. Doch ihr musikalischer Aktionsradius wirkt erschreckend klein. So klein, dass ihr ein perfektes Album allein deswegen und wegen der unausweichlichen Ermüdungserscheinungen ihres Sounds nie gelingen könnte, mag sie sich auch noch so sehr bemühen. "25" ist ein würdiger Nachfolger für eines der erfolgreichsten Alben aller Zeiten, allein schon weil es das bietet, was ihre zahllosen Fans von ihr wollen, aber auch wegen genug Songs, die ihr Talent und ihre Präzision in allen Belangen zur Schau stellen. Doch das ewiggleiche Spiel scheint auch hier schon bei Zeiten angezählt und ist wegen einer fehlenden emotionalen Basis kein zu vielversprechendes Rezept für die Zukunft. Mit diesem könnte sie sich zweifellos zur erfolgreichsten Musikerin aller Zeiten - abgesehen von Madonna - aufschwingen, doch um künstlerisch zu überzeugen, werden die nächsten Alben nach einer Neuerfindung lechzen, um ein derzeit galoppierendes Pferd nicht bald totzureiten.