Großbritanniens Soul-Queen als Beweis dafür, dass es Massen-Pop auch in anspruchsvoll geben kann.
"Thriller", "The Dark Side Of The Moon", "Back In Black". Was haben die gemeinsam? Genau, sie gehören alle zu den meistverkauften LPs aller Zeiten. Und sie bieten auf ihre Art großartige Musik. Leider haben aber auch Celine Dion, Britney Spears oder die Backstreet Boys ihren fixen Platz in solchen Listen. Die großen Verkaufszahlen sind also sicher nicht dazu in der Lage, einem ein Album, welcher Art auch immer, als gut zu verkaufen. Und nun steht da mittendrin auch Adele Adkins. Die Frau mit der mächtigen Stimme und den langweiligen Arrangements. Zumindest auf dem Debüt sah es so aus, denn diesmal beweist das britische Schwergewicht, Massen-Pop gibt's auch in anspruchsvoll.
Eine Tatsache, die vor allem durch die geballte Front der Singles verdeutlicht wird. Allesamt waren sie weltweit in den Radios zu hören, wurden zum Teil wie Rolling In The Deep hemmungslos totgespielt. Trotzdem lässt sich die Qualität kaum leugnen. Denn das Stimm-Wunder überzeugt auf ihrem Zweitwerk noch mehr als auf dem Debüt und, noch weitaus wichtiger, im Hintergrund wurde von den Produzenten dann doch einmal ein durchaus kräftiges musikalisches Lebenszeichen abgegeben. Allein die hinlänglich bekannte Leadsingle bringt mit dem pulsierenden Beat im Intro schon mehr zusammen als "19" auf Albumlänge und kann das Niveau mit der simplen Kombi aus Drums, Klavier und Akustik-Gitarre auch über Songlänge halten. Nicht vergessen sollte man auch die Background-Sängerinnen, die dem Ganzen noch etwas mehr Tiefe, gleichzeitig aber auch Lockerheit mitgeben.
Und dieser starke Beginn wird dann mitunter noch getoppt. Rumour Has It, Adeles starkes Stetement gegen so manch unwahres Gerücht über diese und jene Beziehung, wartet mit ähnlichen Vorzügen auf. Gleichzeitig ist hier aber doch alles stärker: Der Text bringt unerwarteten Humor ins ansonsten gedrückte Album, die banalen harten Drums sind von Beginn an so stark, dass einem das ein oder andere Mal der Rest des Tracks entgeht und der Bass verfeinert die Rhythm Section genau im richtigen Maße. Dazu kommt der unerwartete Bruch gegen Ende des Songs mit starkem Klavier-Part und Adele in Top-Form.
Danach wird das Ganze beinahe zu konventionell. Die reine Piano-Ballade Turning Tables, nur unterstützt vom großen Streicher-Ensemble, ist eine eindrucksvolle Vorstellung der Britin und Set Fire To The Rain fischt in ähnlichen Gewässern, legt den Fokus ebenso wieder mehr auf den Gesang. Gerade die beiden sind es aber auch, die nicht gemeint sind. Denn auch wenn beide so leider den Ton für den Rest der LP angeben, in diesen Fällen erwartet einen dann doch noch einmal ein musikalisches, emotionales, vor allem aber natürlich stimmliches Spektakel. Was hier allerdings zumindest noch in die Nähe der Brillianz kommt, wird auf den vielen übrigen Balladen schon weit schwieriger. Der träge Mix aus Blues und Gospel in Take It All verkommt zu einer schlichtweg langweiligen Zurschaustellung von Adeles Talent, dessen sich mittlerweile aber ohnehin schon alle bewusst sind. Ähnlich sieht's mit der in Richtung Motown abdriftenden Nummer I'll Be Waiting aus, die mit Bläsern und Klavier zumindest etwas mehr Leben hineinbringt, oder auch dem im Direktvergleich zum Original klar unterlegenen The Cure-Cover Lovesong. Was anno 1989 ein perfekter Synth-Pop-Song war, wird hier zum müden Fünfminüter mit billigen Keyboard-Sounds und kaum wirkenden Streichern.
In solchen Fällen wird dann bei aller Stimmgewalt der jungen Dame doch ziemlich deutlich klar, dass auch sie nicht in der Lage ist, einen Song komplett selbst zu tragen. Sobald die musikalische Unterstützung etwas kräftiger ausfällt, blüht sie richtiggehend auf, beklemmend ruhige Balladen sind aber dann doch nicht ihr Ding. Warte! Sind sie ja doch. Da, ganz am Ende dieses zwischen viel Licht und doch augenscheinlichem Schatten schwimmenden Albums, kommt einem eine Perle eines Closers eintgegen. Someone Like You, der zweite wirkliche Welthit auf "21", scheint Emotion in reinster Form zu sein. Hier bietet Adele, lediglich unterstützt vom Klavier, eine dermaßen starke Darbietung, dass selbst die Hartgesottensten etwas schwach werden müssen. Als bedrückende Trennungs-Nummer mit dezentem Stalking-Charme bietet sie hier einerseits mit Zeilen wie: "Nevermind, I'll find someone like you / I wish nothing but the best for you" eine Selbstlüge in Reinkultur und dazu eine brüchige Stimme, die Sinead O'Connors Nothing Compares 2 U wirklich schwach wirken lässt.
Und diese Emotionalität, die hier ihren unbestrittenen Höhepunkt findet, die zieht sich durch das Album durch. Denn es ist ganz egal, ob es Rachegefühle sind wie in Rolling In The Deep, die Erinnerung an die guten und schlechten Zeiten in Don't You Remember und Turning Tables oder aber das mächtige, vermeintliche Abschluss-Statement, das Someone Like You bietet. All das entstammt angeblich einer unglücklich verlaufenen Beziehung, die sie über Albumlänge verarbeitet. Ob das stimmt, man weiß es nicht. Letztlich ist es aber egal, ob echte Erlebnisse und Gefühle oder nur eine beeindruckende Show, an emotionaler Tiefe mangelt es diesem Longplayer sicher nicht.
So, was machen wir also jetzt mit der neuen Königin der Charts? In Wahrheit könnten wir ihr durchaus gratulieren. Zugegeben, "21" hat einen sehr deutlichen Durchhänger, aber es ist eine dermaßen markante Steigerung gegenüber ihrem Debüt, dass man es eigentlich gut finden muss. Ok, nicht muss, aber doch recht leicht kann. Denn hier wird einem Emotion, eine großartige Stimme und doch ab und an mehr als unterhaltsame Musik geboten. Von einem 'Beinahe-Meisterwerk' zu reden wäre eine Übertreibung, gut investierte 50 Minuten sind es aber allemal.