Das Talent ist da, aber sonst ist nicht viel an seinem Platz auf dem Debüt der Britin.
Wenn man mal den Titelsong zum nächsten Bond-Streifen angeboten bekommt, hat man's wohl endgültig geschafft. Vor allem dann, wenn man nur ein kurzes Weilchen vorher ein Album veröffentlicht hat, das schon 2012 als eines der meistverkauften des Jahrzehnts feststeht. Während also nun die Welt für Ms. Adkins eine äußerst heile sein sollte und die Musikszene gespannt auf ihren nächsten Schritt wartet, wäre ein Blick in den Rückspiegel angebracht. Dort liegt nämlich auch ein Teil der Wahrheit über die Britin und es ist nicht der vorteilhafteste. Dabei waren auch da viele fasziniert, machten Luftsprünge wegen ihrer Stimme und sahen ein neues britisches R'n'B-Zeitalter heranbrechen. Auf zwölf langen Tracks bleibt oft wenig von dieser Hoffnung über.
Denn Adele agiert allzu oft amateurhaft. Gut, vielleicht nicht gerade das, aber die fehlende Routine zu kaschieren gelingt ihr äußerst selten. Alles schaut hier auf die große neue Sängerin des 21. Jahrhunderts und sie steht allein im Regen. Weder ihr noch ihrem Produzententeam scheint der Gedanke zu kommen, dass die Zeit noch nicht reif ist, ihr die Bühne im Prinzip alleine zu überlassen. Genau das passiert zu Beginn in ungutem Maß. Daydreamer eröffnet, Best For Last setzt fort und das bejubelte Chasing Pavements finalisiert das Ganze dann gekonnt. Während die junge Britin bemüht ist, alles aus ihrer Stimme herauszuholen, bleibt im Hintergrund nichts außer monotonem Akustik-Gezupfe, trägem Drumeinsatz und überdramatisiertem Streicherarrangement. Best For Last versucht's mit dem großartigen Bass zwar richtig, bleibt aber mit seinem langatmigen Sound ab Minute drei auch zunehmend auf der Strecke.
Stimmlich versagt sie nicht, nein. Aber Adeles Fähigkeit, ihre Songs höchstselbst in großartige Nummern zu verwandeln, scheint begrenzt. Im Opener rutscht sie mehr als einmal in ungute Höhen ab, in Chasing Pavements und dem Langweiler Melt My Heart To Stone gibt's vor allem in den Refrains zu viel Geraunze und zu wenig Gesang. Sie blüht aber doch merklich auf, wenn auch die Backgroundbeschallung den einen oder anderen Gang zulegt. Was im Keyboard-unterstützten Right As Rain noch etwas flapsig, fast unbeholfen wirkt, wird im großartig ironischen My Same und insbesondere Cold Shoulder zu einer tollen Darbietung, die ihr Talent mehr als bestätigt. Der vorläufige Höhepunkt findet sich aber erst zu guter Letzt, wenn im Closer Hometown Glory - Adeles Abschiedssong für ihre Heimatstadt - eine der Minimalisten-Nummern überraschenderweise dann doch mal passt. Der ruhige Beginn wird nicht nur zu einem interessanten Piano-Part, sondern mausert sich mit seinen starken Streichern und vor allem Adeles mächtiger Performance zu einem unverhältnismäßig starken Abschluss, der mit seinem dramatischen Gehabe als Vorbote von Set Fire To The Rain oder Someone Like You dasteht.
Trotzdem, etwas mehr Musik hilft schon. Auch deswegen wird Cold Shoulder zum Favoriten, überzeugt als Up-Tempo-Track mit den starken Drums, den weniger schwülstigen, sondern endlich dynamischen Streichern und einer Adele, die so wirkt, als hätte sie Spaß an der Sache. My Same swingt dafür ordentlich und lässt starke Gitarren im Hintergrund vermuten, Tired geht als B-Version von Cold Shoulder dafür wiederum in die "verspielte" Richtung und entgeht damit der Langeweile. Dabei helfen auch die Texte mit, die in den lebhafteren Momenten einen guten Schuss Humor mitbekommen und so mehr Sympathie verdienen als die schnulzigen Zeilen, die sie hier großteils abliefert.
"You said I'm stubborn and I never give in
I think you're stubborn 'cept you're always softening
You say I'm selfish, I agree with you on that
I think you're giving out in way too much in fact"
heißt's zum Beispiel zu Beginn von My Same und versprüht eine Lockerheit, die sonst kaum zu finden ist.
Denn abseits davon besingt die Britin viel Herzschmerz ohne dabei je wirklich so zu wirken, als könnte man sie auch ernst nehmen. Chasing Pavements oder Melt My Heart To Stone wirken kühler als es nötig wäre, scheinen wenn überhaupt kitschig und nicht auf ehrliche Art berührend, wie man es wohl Someone Like You nachsagen muss. Den Vogel schießt in der Hinsicht das fast einschläfernde First Love ab, das es mit der Romantik so übertreibt, dass es schon nur mehr lachhaft wirkt. Dazu kommen eben auch die mickrigen Performances abseits der großen Frau an der Front. Anstatt nämlich dort mehr Leben in den unspektakulären Sound zu bringen, wird ein Track wie Daydreamer ungut glattpoliert und das Dylan-Cover Make You Feel My Love wird zu einer übermäßig aufgebauschten Geschichte, die einen mit dem trägen Klavierspiel nie packen kann.
Von fliegendem Start kann also bei Adele keine Rede sein. "19" ist ein über weite Strecken unspektakuläres, zu vorsichtiges und defensives Album, dem es eindeutig an Ideen fehlt, um den Raum, den der Gesang frei lässt, zu füllen. Stattdessen bleibt eine starke Stimme auf der Strecke, die zu allem Überfluss keineswegs über alle Maßen souverän wirkt. Viele träge Minuten bleiben so, die zwar ab und an von Adele vor vollkommener Ödnis bewahrt werden, aber doch kein gutes Gesamtbild ergeben. Wenn dann mal mehr los ist, greifen auch einige Zahnräder ineinander und das vorhandene Talent wird durchaus hörbar. Leider aber zu selten, um ihren Erstauftritt zu einem wirklich lohnenden zu machen.