Something sure is wrong, when this band plays. Kaum erträgliche Anfänge in den Untiefen des Pop.
Über die anscheinend gottgegebene Schwierigkeit dessen, womit ABBA in den 70er-Jahren weltweit die Popmusik geprägt haben, wurde hier bereits einmal referiert. Es gibt aber ein relativ selten beachtetes Kapitel dieses Phänomens, was allein damit zu tun hat, dass dieses Quartett nicht wirklich an den Chartspitzen geboren wurden. Irgendwann hat all das begonnen und zwar wenig überraschend mit Benny und Björn, den beiden Herren, die man zwar fast nie singen gehört hat, die aber letztlich das Um und Auf der Band waren. Deren jugendliche und erfolgreiche Bandkarrieren fanden irgendwann ihr Ende, ein Duo entstand, Agnetha und Anni-Frid fanden als (Ehe-)Partner der beiden dazu und aus den einzelnen schwedischen Erfolgsgeschichten mitsamt von Schlager dominierten Soloalben, auf denen dann doch alle zu hören waren, entstand irgendwann einmal ABBA. Nicht allerdings mit dem Debüt, das die vier unter dem klingenden Namen Björn Benny & Agnetha Frida veröffentlichten. Und dass da angefangen beim merkwürdig eingebauten Und-Zeichen so ziemlich nichts passt, wird jeder spätestens dann merken, wenn er genau hinhört.
Denn "Ring Ring" ist ein früher Tiefpunkt, dem es realistischerweise an fast allem mangelt, was es für positive Eindrücke oder auch nur albumumspannende Erträglichkeit braucht. Wären ABBA jemals wirklich glänzend unterwegs gewesen, könnte man hier von einem ungeschliffenen Diamanten sprechen. Nachdem aber schon die Erfolgsformel der Band nicht den nötigen oder dann vielleicht eher den falschen Schliff abbekommen hat, ist man hier - in diesen Prä-Welterfolgstagen - konfrontiert mit bedenklichen Anwandlungen des Pop. Das hat sicherlich auch mit den Wurzeln dieser Band oder zumindest der beiden Damen im schwedischen Schlager zu tun. Schlager tut nun einmal einfach weh, da helfen auch zaghafte Ausbrüche daraus nichts. Tatsächlich startet man ja mit einem ebensolchen, weil die eröffnende Titelsingle Ring Ring als prototypische Ohrwurmsingle im klassischen ABBA-Stil zeitgemäßer und nicht gar so schmalzig wirkt. Es ist aber dann trotzdem eine brustschwache, banale, unbequem überproduzierte und mit einer mäßig erfreulichen Hook gesegnete Schmalspur-Version von Waterloo, der es ganz eindeutig an der nötigen Angriffigkeit, an Präzision und Unwiderstehlichkeit im Refrain mangelt.
Wer noch mehr negative Beschreibungen will, braucht nur ein bisschen zu warten. Vorerst sei allerdings auf die wenigen lichten Momente der LP verwiesen. Es gibt sie und sie sind zwar definitiv kein Waterloo, kein S.O.S., kein Money, Money, Money, aber immerhin ordentliches pop-rockiges Handwerk. He Is Your Brother steht dabei an der Spitze und kann mit seiner trabenden Gangart auf ein paar instrumentale Spielereien bauen, die die späteren Alben vorwegnehmen. Man hört den netten Bläsereinsatz, ordentliche Riffs an der Gitarre, mit denen man zumindest weit im Hintergrund nach Blues Rock klingt, auch wenn die dominierende Kraft natürlich das schleppende Klavier ist. Davor ergibt sich aber immerhin ein äußerst stimmiges gesangliches Bild, das die Band zum allerersten Mal auf der Ebene voll im Einklang zeigt, damals auch noch unter etwas stärkerer Beteiligung der männlichen Bandhälfte. Deren Rolle ist sowieso ein weitaus größere, immerhin spielen die beiden den zumindest auf der internationalen Albumversion zu findenen Song She's My Kind Of Girl gleich komplett alleine ein. Geschaffen als Soundtrackbeitrag und damit wenig überraschend auch nicht ganz im Einklang mit dem Rest des Albums intoniert, stolpert der Song zwar etwas hölzern und langatmig dahin. Dafür klingen die beiden Bs am Mikro nicht einmal so schlecht, auch wenn Tonlosigkeit das vorherrschende stimmliche Merkmal ist, und das Klavier darf auch etwas charakterstärker, etwas härter und dünkler klingen.
Weil schon das nichts Weltbewegendes darstellt, ist tatsächlich der Abstand zu den übrigen passablen Tracks gar nicht einmal groß. Doch die Enttäuschungen und Dissonanzen sind deutlicher, weil beispielsweise People Need Love trotz ähnlicher Gangart wie He Is Your Brother und starkem Gitarrenpart nebst all der aufdringlichen Mehrstimmigkeit nicht punkten kann, grausam deplatziertem Jodel-Einsatz der Damen sei Dank. Disillusion wiederum ist als reduzierte Ballade und Solostück Agnetha Fältskogs auf willkommene Art dezent, selbst wenn das Gesamtbild klanglich immer noch verdammt kitschig ist. Und weil der Text spärlich und einfallslos klingt, damit in Schlager-Sphären hängen bleibt, ist es auch da nichts mit wirklichem Lob.
Letztlich ist es das Gesamtpaket, das hier nicht passt. Dieser LP fehlen die großen Melodien späterer Hits, es fehlt die präzise Maschinerie, die zwar schmalzige Überproduktion, aber eben genauso perfekt harmonische Arrangements wie die von S.O.S. zu verantworten hat. Es fehlt wohl auch die gesangliche Dominanz der beiden Frauen, die später noch fast jeden Refrain prägen und mit Leben anfüllen sollten, so steril der musikalische Hintergrund auch gewesen sein mag. Stattdessen ist das Debüt textlich und auf instrumentaler Ebene genauso im Kitsch und in der Einfallslosigkeit gefangen wie spätere Alben, verendet aber noch dazu dank nerviger mehrstimmiger, melodisch oft wenig einladender Gesänge und Melodien, die keinen Fluss mitbringen, sondern abgehackt dahintrotten.
Was genau soll dann herauskommen? Nina, Pretty Ballerina? Ja, meinetwegen, aber das ist kein Ruhmesblatt, was man da an hölzernem Klavierspiel und eindruckslosem Gesinge und komplett unerklärlichen, auf- und abebbenden Publikumssounds vorgesetzt bekommt. Wobei der sich wiederholende Tiefpunkt des Albums definitiv die übermäßig pseudogefühlvollen Balladen sind, deren geschmacksverirrter Kitsch seinesgleichen sucht. Das katastrophale Another Town, Another Train bringt einem die klobigste Anmaßung eines von Simon & Garfunkel inspirierten Wehklagens, die man sich vorstellen kann. Mit schmächtigem Stimmchen, antiklimatischem Geklimper, 08/15-Akustikgitarren und Flötenparts, die entweder stechend schrill sind oder schlicht nach einer Parodie des süßlichen Folk klingen. Es geht schon noch schlimmer, weil das dahinstampfende Me And Bobby And Bobby's Brother ausnahmslos alle vier Bandmitglieder stimmlich falsch einsetzt und noch dazu musikalisch lächerlich kindisch klingt. Vor allem aber auch weil so etwas wie das vermeintlich emotionale I Saw It In The Mirror so unerklärlich leblos und textlich so fragwürdig plump ist, dass man nur weghören will:
Das ist schlicht unbequem. Man will sowas nicht zu Ende hören, nachdem man diesem Beginn begegnet ist. So schlimm ist es jetzt mit "Ring Ring" in dessen trauriger Gesamtheit vielleicht weniger, aber auch nur, weil der Titeltrack als Opener ganz in Ordnung ist und manch Untiefe der folgenden Tracklist nicht erahnen lässt. Letzlich kann man sich zwar schon darauf versteifen, dass es doch eine Handvoll ordentliche Songs hier gibt, nur ist hier einfach nichts, das die bodenlose Frechheit vieler übriger Minuten ausgleichen kann. Selbst wenn ABBA am Debüt ganz passabel anmuten, will man ihnen eigentlich nicht zuhören, weil entweder der vorangegangene Song jegliche Geduld und jegliches Wohlwollen aufgebraucht hat oder weil einfach generell alles hier ziemlich falsch klingt. Fast nie klingt das hier Dargebotene, als sollte es so sein. Stattdessen erhärtet sich der Eindruck, dass das Rezept zwar ein sehr ähnliches wie in den folgenden Jahren ist, man aber schon fast alles an später auffälligen schlechten Qualitäten mitbringt, gleichzeitig aber von den positiven noch kaum eine Spur ist. Und da kann einem dann schon anders werden, wenn man nur mehr die Schattenseiten von ABBA zu hören bekommt.