von Kristoffer Leitgeb, 22.04.2017
Potenzielle Gassenhauer und doch das Problem, die Kraft in der Ruhe zu finden.
Wir alle haben ein Problem mit der Wahrheit. Na kommt schon, gebt es doch zu! Die Gründe dafür sind sowieso schnell gefunden. Erstens können wir alle nicht leiden, wie sie wirklich ausschaut, und würden sie, ginge es nach jedem von uns, ganz geschwind ändern. Zweitens kennen wir sie ja eigentlich doch nicht. Natürlich haben wir Methoden, uns dem Wissen asymptotisch anzunähern, aber selbst die Wissenschafter, diese allzu notwendigen Exempel einer bestehenden Intelligenz im Menschen, vermuten ja letztendlich meistens eher, als dass sie wüssten. Wenigstens wissen sie, dass sie wenig wissen können und behandeln daher ihre Erkenntnisse nicht unbedingt als ewiggültiges Dogma. Brüchig wird diese Tugend nicht nur bei Pseudo-, Para- und schlichten Unwissenschaften, sondern auch dort, wo die Geisteswissenschaften ihren langsamen Übergang zu Ideologie, Ethik und Lebensweise durchmachen. Da wird es heikel, denn darauf werden Gesellschaften aufgebaut. Selbst wenn der hoffende Geist dort nicht allzu viel verloren hat, bleibt wenigstens genug Raum für Kritik und Satire. Also auch für 5/8erl In Ehr'n.
Die scheinen nämlich immer mehr zu einer Art Waldorf & Statler der heimischen Politik und Gesellschaft zu werden. So ganz schmähstad war man ja ohnehin nie, aber gleich Alaba - How Do You Do? als Leadsingle zu veröffentlichen, von Hermann Maier bis zu Lipizzanern alles aufs Korn zu nehmen, das ist eine neue Dimension. Die sich aber schon durch ihren Titel und damit die Aufnahme der einzig wirklich zitationswürdigen Aussage Günther Platters - genialerweise sogar mit einem Credit bedacht - rechtfertigen würde, würde dem nicht noch die eindeutig singlewürdige, beste Hook der LP zur Seite stehen. Die Prominenz des Keyboards in Verbindung mit der countryesken, spärlichen Gitarrenarbeit und dem 180er-Puls des Bass wird auf alle Fälle zum Trumpf. Dass sich im Schatten dessen die Zeilen zu keinem großen Ganzen, sondern eher zu mäßig humorvollem Stückwerk summieren, bestenfalls in der nicht ganz realitätsfernen Feststellung gipfeln, Atheisten wären auf Facebook die neuen Christen, macht wenig. Zumindest in dem Fall darf Namedropping sein, sogar mit Richard Lugners Namen.
Jetzt ist das eine Leadsingle und die ist in vielen Fällen eher für Gedächtnis und Wohlgefallen gedacht als der Rest der dazugehörigen LP. Während manche Interpreten diese Theorie mit Füßen treten, bleibt es für die österreichische Band bei diesem Höhepunkt. Was aber blöderweise bedeutet, dass von lichten Höhen keine Rede sein kann. Der vermehrte Fokus auf kritische Zeilen bringt einen zwar in den Genuss des gemütlichen Der Totale Sommerhit, der sich mit beneidenswert lockerer Melodie einem ganzen Lebensgefühl annimmt, und des störrisch-eingängigen Akademikerball. Doch das unbestreitbare musikalische Potenzial leidet nicht nur unter mangelnder Angriffigkeit, sondern auch unter den mitunter schwierigen, an der Kryptik anstreifenden Texten der Band. Wer und was mit Akademikerball kritisiert werden soll, ist ein offenes Geheimnis, warum sich das allerdings in Demo-Lob und der zahnlosen Frage "Wo is da Sinn, waun du duat taunzt?" äußert, bleibt allerdings fraglich. Sei es, wie es sei, zusammen mit dem abermals keyboardgeprägten Prince Of Fantasy bleiben es die wenigen Up-Tempo-Momente, die dem Album das bitter notwendige Leben einhauchen.
Tatsache ist nämlich, dass es dem Quintett weniger denn je gegeben ist, die ruhigen Minuten mit Leben, Nachdruck oder Emotion auszufüllen. Liebevoll instrumentiert mag manches sein, doch die Akustik-Tracks, die sich unverhohlen dem Kitsch hingeben, verlaufen sich in unnahbaren Liebesbekundungen, die den Angesprochenen plötzlich zum Blumenwiesenwort machen, was auch immer das eigentlich sein soll. Mit wenig Unterschied zu "Bitteschön!" fehlt es auch diesmal an Mitteln und Wegen, die eigenwillige Poesie vor allem von Max Gaier so in Musik zu fassen, dass weder fragende noch schläfrige Gesichter zurückbleiben. Tatsache ist, dass spätestens Is Jo Kloar ein Maß der Ruhe erreicht, das in Kombination mit dem sicherlich urigen, aber eigentlich ziemlich tonlosen Gesang höchstens als Betthupferl zu gebrauchen ist.
Von einem zweiten Wunderschöner Mai, einer wirklich gefühlvollen Vorstellung, die Kitsch und Undeutbarkeit gekonnt umschifft, ist weit und breit keine Spur. Lediglich das eröffnende Heit Hea I Dem Regen Zua ist mit einem simplen, aber lebhaften Arrangement und den melancholisch angehauchten Spätsommer-Zeilen ein lohnendes Beispiel der Achterl, wenn sie es denn nicht primär auf starke Hooks abgesehen haben.
Warum man sich ebendieser nicht etwas öfter annimmt, bleibt sowieso ein ewiges Rätsel. Fünf top ausgebildete Musiker, allesamt an ihren Instrumenten beschlagen und gesegnet mit mannigfaltigen musikalischen Einflüssen, kastrieren ihre eigene Kreativität und beschränken sich auf banalste akustische Arrangements, deren Wirkung letztlich steht und fällt mit dem Inhalt der Texte. Die werfen allerdings blöderweise oft genug mehr Fragen auf, als sie beantworten können und sind selbst in ihren klareren Ausformungen beschränkt auf langgezogene Stimmungsbilder wie in Diese Melodie. Das hat sicherlich seine eigene Qualität, auch die zunehmend kritische Note der Band verdeckt aber nur sehr bedingt den Substanzmangel, der "YES WE DOES" letztlich auszeichnet. Was einem bleibt, ist die durchaus stark akzentuierte Musik, die einen zwar, wohl auch der Auswahl der Instrumente geschuldet, kaum in ihren Bann zieht, dafür aber immer eine Leichtigkeit und Einfachheit mitbringt, die im Zeitalter des totalitären Synth-Revivals allzu selten geworden ist. Das allein macht aber noch keine vollwertige LP.