Damn, We Need A Title For This Record
Veröffentlichungsdatum: 01.09.2001
Rating: 4.5 / 10
von Kristoffer Leitgeb, 08.06.2016
Damn, we need some talent for these guys.
Ich gebe es zu, die Headline ist ein wirklich billiger Schmäh und ohne Prüfung etwaiger Nutzungsrechte vom Albumtitel abgekupfert. Womöglich hätte es ohne mein Geständnis ja keiner gemerkt, aber das muss einfach raus. Ich dürfte allerdings auf einer heißen Spur sein mit dieser überaus simplen Kopie, denn genau das scheint das Geschäft von Wiens allzu poppigen Punkern gewesen zu sein, als man sich das erste Mal für einen Longplayer ins Studio gestellt hat. Damit sind wir - schon wieder... - im Pop-Punk und das noch dazu mit dem Album, das so sehr wie quasi kein anderes dieser Ära nach dem Genre klingt. Nun ist es allein deswegen nicht unbedingt zwingend, den Mannen um Marcus Smaller und auch ihm selbst jegliches Talent abzusprechen. Nur tut "Damn, We Need A Title For This Record" einfach so verdammt wenig, um einen erfolgreich davon zu überzeugen, dass da doch irgendwo Meister ihres Fachs versteckt wären.
Ok, ziehen wir zur Beruhigung die "Zurück an den Start"-Karte und fangen etwas neutraler noch einmal von vorne an. Es gab Zeiten, da war es durchaus legitim, das nachzumachen, was andere, größere Geister schon andernorts - hauptsächlich in den vielen Musikmekkas des UK oder der USA - erdacht hatten und zu Musik werden ließen. Ganz einfach deswegen, weil es hierzulande noch kaum einer mitbekommen hat. In den 60ern oder 70ern war so etwas noch praktibel, weil Österreich bis dahin musikalisch quasi Dritte Welt, nicht? 2001 war das nicht mehr ganz so, vor allem nicht in dem Genre, das 1994 ein Hitalbum nach Europa geschwämmt hat, 1998 noch eins, 1999 wieder eins und 2000 eins und 2001 eigentlich auch. Der Schmäh geht also nicht mehr ganz so gut, vor allem wenn man nicht wirklich etwas mitbringt, was einen zum Unikat macht. Und die Einzigartigkeit eines angeblichen Bandklassikers wie Teenage Anthem lässt sich lange suchen und auch mit der Lupe nicht finden. Wie hieß noch gleich dieser Song von blink-182, den sie sogar zum Zweiteiler gemacht haben? Der war auch so eine Hymne auf die Jugendjahre und klang ähnlich "rebellisch" wie diese hier. Was 3 Feet Smaller zu bieten haben, das ist banales Handwerk. Mit hellen Power-Chords, g'schwinden Drums, feingetuntem Nicht-Gesang und diesen Texten, die ihnen nach Jahren vielleicht fast so peinlich sind wie das Albumcover. Damit machten sich die Jungs damals zu dem, was Papa Roach für den Nu-Metal waren: Eine ausrechenbare, durchschnittliche Version so mancher Vorgänger.
Das muss nicht gänzlich ohne Charme ablaufen. Mit gutem Grundspeed und doch irgendwie romantisch verweichlicht, das funktioniert auch auf dem europäischen Festland noch ganz gut. Viel mehr ist es nicht, was die starken Momente der LP ausmacht, sei es Falling Down mit seiner ultrasimplen Bassline und der wie ein Mantra runtergebeteten Zeile "Why do I feel so bad / When you're not around in here". Zu mehr als dem üblichen Breakdown in der Bridge, zur Sonne geleitet von durchaus ordentlichen Drums, lässt man sich dabei nicht hinreißen, der Weg ins musikalische Glück ist brettleben und liebenswert stümperhaft gepflastert mit kratzigen Riffs, die das damals noch so helle Stimmchen von Marcus Smaller gerade genug verdeckt, um es nicht mühsam werden zu lassen. Completely Different oder das mittendrin zurückgespulte Another Broken Heart, das Trompeten-gestütze, dadurch dezent nach Ska klingende Sabrina. Immer hat Smaller was zum Flehen oder Nachweinen, im besten Fall wird's wenigstens eine wutgetränkte Abrechnung, die zwar dank "And someday I will be your worst enemy" ein bisserl lächerlich klingt, aber was soll's. Tatsache ist, dass man ein halbes Dutzend solcher Songs serviert bekommt und am Ende feststellt, dass es genau diese so einfach gestrickten Minuten sind, die einem noch am vielversprechendsten vorkommen. Energiegeladen und nicht ganz so infantil wirkt man da. Am allerbesten meistert das Quartett diese Disziplin im wirklich knackigen All The Time, das tatsächlich noch soweit kommt, so etwas wie eigene lyrische Ideen zu präsentieren, ohne dabei vom simplen Autobahn-Pop-Punk abzuweichen.
Jetzt denkt sich jeder, wie gibt's sowas, dass man allen Ernstes bei so vielen fast gleich klingenden Tracks davon sprechen kann, dass die gut sind? Einerseits soll mir ja schon der ein oder andere Kommentar zu den Qualitäten klanglicher Monotonie ausgekommen sein, andererseits war ja vom Rest noch nicht wirklich die Rede. Nun, es gibt ihn und er ist...abenteuerlich. Eigentlich klingt er noch immer fast genauso, roh und amateurhaft produziert, bemüht und doch schief gesungen. Aber der quasi-Titeltrack Damn, We Need A Title For This Song illustriert einfach perfekt, wie sehr die Band mit ihrem teilweise kindischen Schwachsinn einem Mark Hoppus nachgeeifert hat. So eine stumpfe Ode auf die eigene Unfähigkeit mitsamt ultralustigen Textaussetzern, auf den Alkohol und eigentlich sonst nichts, das kann doch ganz viel. So viel, dass man kurz der Überzeugung ist, die in zäher Fadesse kulminierenden spielerischen Mängel, die die instrumentale zweite Hälfte offenbart, wären eine Verbesserung. Man einigt sich auf ein Unentschieden und zwei gerechte Verlierer. Ein Trio wird noch daraus, weil auch unbedingt noch irgendwer auf die Idee gekommen ist, den Ronettes-Klassiker Be My Baby zu covern. Warum das passiert ist, weiß kein Schwein. Warum es urplötzlich im lahmenden Mid-Tempo abrennt und von schläfrigen Trompeten-Tönen begleitet wird, kann auch keiner beantworten.
Von fast lohnenden Ansätzen kann man aber trotzdem auch in diesen Breiten noch sprechen. Suffocate Me ist zwar so klischeehaft, wie eine ruhige Pop-Punk-Ballade nur sein kann, aber wenigstens ist Smaller unpoetisch genug, um den Text noch halbwegs unschmalzig klingen zu lassen. Und dann ist da noch dieser Hidden Track, der sich viel zu viel Schlechtes vom Sum 41-Alter-Ego Pain For Pleasure abgeschaut hat, aber immerhin auch zehn Sekunden lang zeigt, dass die mit Ska tatsächlich was anfangen könnten, wenn sie nur wollten.
Es sind dies zehn Sekunden, auf die die Welt sehnsüchtigst gewartet hat, soviel lässt sich, glaube ich, ohne großes Risiko sagen. Und fast, aber nur fast, nimmt man dafür auch in Kauf, wie austauschbar der Rest hauptsächlich klingt. Man findet schon auch die Cuts, die einen auf andere Gedanken bringen, nämlich solche, die ein bisschen Lob für 3 Feet Smaller und ihr Debüt zulassen. Die sind allerdings so eindimensional, dass sie trotz einmal sogar wirklich starker Performance noch etwas mehr dazu beitragen, dass "Damn, We Need A Title For This Record" innen ungefähr so originell ist, wie es das Äußere und der Titel suggerieren. Wenn also blink oder The Offspring die Maßanzüge sind - nur ganz kurz gelten lassen, diese Metapher, ist gleich wieder vorbei -, dann klingen die Wiener am Erstling nur wie ein Sakko von der Stange. Ihr größter Vorteil: Es ging wenigstens von da an stetig bergauf.