von Kristoffer Leitgeb, 25.10.2018
Ein wütender Aprilscherz gegen die ewige Mäßigkeit.
Es soll nicht a priori als abwertende Feststellung verstanden werden, aber es gibt schon einige Bands, die auf musikalischer und so manch anderer Ebene eine reine Ansammlung von Klischees sind. Ein bisschen vorsichtig muss man da natürlich sein, weil die Bands die Genres prägen und es dementsprechend nicht klischeehaft, sondern eher wegweisend ist, wenn sie eben genau so sind, wie man es in diesem Genre erwartet. Aber AC/DC waren nicht die ersten Hard Rocker dieser Welt und sind ohne jeden Zweifel lange Zeit die personifizierte Form dieses Musikstils gewesen. Genauso wie Metallica 20 Jahre lang all das dargestellt haben, was man von Metalheads erwartet, oder wie Papa Roach ein solcher Paradefall einer Nu-Metal-Band waren, dass es mitunter fast peinlich war. 3 Feet Smaller wiederum sind eigentlich zu klein und unbedeutend, um in dieser Liste aufzutauchen, auch wenn man in ihnen all das vereint findet, was eine Pop-Punk-Band eben so ausmacht. Und da folgt eben auf die pubertär-dämlichen Jux-Alben mitsamt halbgarem Herzschmerz irgendwann ein etwas größerer Tellerrand, ein wenig Härte, ein bisschen Wut. Die Besonderheit dahinter lässt sich nicht finden und so wird "3rd Strike"auch nicht zum Volltreffer.
Es wird aber zu einem Ausbruch aus der allzu durchschnittlichen Genre-Reproduktion der beiden Vorgänger. Das hat einige Gründe, von denen der wichtigste aber definitiv die gebotene härtere Gangart ist, mit der man umgehend einsteigt. Produktionstechnisch gibt man sich weniger dem Power-Pop hin, sondern wieder vermehrt dem Punk, allerdings in aggressiverer und wuchtigerer Manier als jemals bis dahin. Das hat Vorteile, weil erstens die Drums stark genug eingespielt wurden, dass sie ihren allzu präsenten Platz im Gesamtsound rechtfertigen, zweitens die Power Chords doch besser klingen, wenn wirklich Power spürbar ist und man ein wenig Nachdruck verspürt, drittens auch wegen der für Sänger Marcus Smaller einfacheren Rolle inmitten drückender Riffwände und wutgetränkter oder jugendlich rebellischer Tiraden. Dass man sich da nach dem unnötigen Intro ausgerechnet mit Punk? und also einer Rechtfertigung der eigenen Musik vor den Vorhang begibt, wirkt ein bisschen gar plakativ und präventiv defensiv. Allerdings zieht man sich nicht nur mit der melodischen Schlagkraft des Gitarrenduos aus der Affäre, sondern auch mit einer großen Prise Selbstironie, die immerhin erahnen lässt, dass sich die Wiener ihrer vielen Schwächen durchaus bewusst sind.
Interessanterweise sind es in der Folge aber gar nicht so viele, auch wenn man sich bei Strike Back und vor allem dem lahmen Geschredder von Alone In The Dark mehr Konsequenz und Dynamik wünschen würde. Dass letzterer ein teilweiser Rohrkrepierer ist, merkt man umso eher, weil direkt davor mit Reason Unknown der unumstrittene Haupttreffer des Albums wartet. Weil da der Riff vom Intro weg zündet und Smallers wütende Abrechnung mit der fremdgehenden Freundin so energisch im Quasi-Rap daherkommt, dass man fast annehmen könnte, die Band hätte bei den Aufnahmen zu Sum 41-Album "Chuck" ein bisschen Ideen sammeln dürfen, bleibt wenig Grund für Beschwerden, selbst wenn man sich die anscheinend immer unbedingt notwendige, abgebremste Bridge getrost hätte sparen können. Alles, was in diese Richtung geht, funktioniert und zeigt die Band im bis dahin besten Licht. Dance With Me weiß zwar textlich trotz gebrüllten Todeswünschen nicht ganz aus, gehört aber dank des dröhnenden Getrommels und der starken Hook genauso zu den Guten wie das großartig startende Vienna Chainsaw Massacre, dessen einziger Makel ein vergleichsweise verweichlicht klingender Refrain ist. Und dann gibt es noch Declared Void, dessen eröffnende Zeilen je nach Charakter zum Lebensmotto gereichen kann, zumindest aber die Richtlinie jeder ordentlichen politischen Onlinediskussion sein sollte:
"Frustration became my life theme
Everyone is trying to oppress me again
One more word against my will
And I swear this ends up in a kill"
Wo doch lauter Punk mit treibenden Power Chords so gut funktioniert, bietet es sich natürlich an, einfach ein paar Songs davon abweichen zu lassen, damit die Bilanz am Ende nicht zu gut ausschaut. Deswegen verwandelt sich Rich Bitch abseits seiner passablen Strophen zu einem pseudo-atmosphärischen Gemisch aus schiefem Gesang und isolierten Drums, während Fade Away ultimativ langweiliger Pop-Rock ist, dessen beschwingte Schunkel-Melodie mitsamt den teilweise miserabel auf Deutsch gesungenen Zeilen wenig harmonisch oder gar anziehend wirkt. Sowas bekommt man dann auch mit keiner schleppenden, ereignislos dahintrabenden Bridge hin. Am allerwenigsten gelingt es zugegebenermaßen mit dem finalen Hidden Track, der sich sechs stille Minuten nach dem verschmerzbar kurzen Outro abspielt. Kurz und schmerzvoll ist der, weil auch eine so schnell abgehandelte, im Vollsuff-Modus dargebotene Lobpreisung von Bier sehr falsch klingen kann.
Diesem Exkurs in die Tiefen der versteckten Skits trotzend, kann man auf der Ebene der weniger harten Songs trotzdem noch auf zwei Rettungsanker bauen, die einem auch diese Seite der Band schmackhaft machen. Da wäre einerseits Let It Out, das als Leadsingle zum Erfolg des Albums beigetragen hat. Zurecht, kann man feststellen, wenn man eine Schwäche für lockeren Pop-Punk mit starker Melodie mitbringt und Gefallen daran findet, wie weit sich die Band mittlerweile von den Produktionsuntiefen des Debüts wegbewegt hat. Trotzdem trifft man erst mit der Antithese zur Ausrichtung des Albums wieder ins Schwarze. Angelstar wird gleich komplett vom Rock befreit und präsentiert sich stattdessen als Akustikballade, die als Abgesang auf den verstorbenen besten Freund berührend ungeschliffen wirkt und den idealen Kontrast zum oft lauten Drumherum bietet.
Trotzdem bleibt das Urteil gespalten, was hauptsächlich daran liegt, dass sich 3 Feet Smaller eben nicht allzu oft dazu durchringen konnten, sich so konsequent für eine Richtung zu entscheiden. Zwar ist der härtere Sound, den man sich für "3rd Strike" zugelegt hat, ein deutlicher Schritt nach vorne. Zu vielen Tracks fehlt es dann aber doch wieder an dem Nachdruck, den es braucht, um die einfach gestrickten Melodien und Texte in ein wirklich gutes Licht zu rücken. Immer dann, wenn man sich von der Geradlinigkeit wegbewegt und stattdessen eine Mischung aus harten Punk-Passagen und versucht atmosphärischen, ruhigeren Parts anbietet, versandet das Album wiederum genau dort, wo man schon war, nämlich am blassen Rockzipfel derer, die im Pop-Punk schon über ein Jahrzehnt lang alles geboten haben, was da so zu bieten ist. Und weil es trotz aller Verbesserungen immer noch an den nötigen Finessen dafür fehlt, gilt es, sich auf die kompromissloseren Minuten zu konzentrieren, ob sie jetzt laut und wütend oder ruhig und emotional sind. Da es davon nicht überwältigend viele gibt, wird der "3rd Strike" eher zu einem 7-10 Split, auch wenn man mehr abräumt als bisher.