von Kristoffer Leitgeb, 09.05.2014
Zurück aus den bunten Welten des Pop, hinein in die brachiale Realität des Rock.
Zeichnen wir doch einmal eine Lebenslinie für unsere liebsten heimatlichen Rocker: Da wäre das Debüt, in dem man, ganz wie im Kleinkindalter, all das nachmacht, was einem die Großen vormachen, nur schafft man es fast nie so ganz (Schuhbänder Binden hat man bald heraußen, zum Autofahren braucht's noch ein wenig). Dann hätten wir das vorsichtige Auskundschaften, bei dem es einen ab und an ordentlich auf die Nase legt, hier die sophomore LP. Und nach der üblichen jugendlichen Gefühlswallung mit Rebellentum und den wahrsten Wahrheiten (hier der "3rd Strike") folgt das Leben des Erwachsenen, in dem man endlich alles darf, was man will, und mit Glück auch noch Erfolg dabei hat ("December 32nd"). Mit ihrem fünften Tonträger befinden sich die Wiener also schon im gesetzteren Lebensabschnitt, den frühen Dreißigern, wenn man so will. Alles geordneter, alles durchdachter, aber dann doch wieder mit dem Wunsch, die Sau etwas raus zu lassen. Das ist "3 Feet Smaller".
Denn die ruhigen Balladen und humorvollen Spielereien des Vorgängers finden diesmal keine Fortsetzung. Nachdem die Jungs im Mainstream angekommen sind, gehen sie nun einen Schritt zurück und schaffen oftmals den schwierigen Spagat zwischen ihren beiden offensichtlichen Leitsätzen. Zum einen geht's ein wenig mit dem Kopf durch die Wand, aber es gelingt ihnen gleichzeitig Selbigen weiter am Laufen zu halten und das Denken dabei nicht zu vergessen. So ist die aus früheren Tagen bekannte Härte zurück, das verbesserte Songwriting und Sänger Marcus Smallers aufgeputzte Stimme sind allerdings geblieben. Die Band gleitet so in einen massentauglichen Hard Rock ab, liefert schon im Opener Vienna's Burning einen Beweis dafür ab, bringt aber auch die Punk-Wurzeln ordentlich zur Geltung. Zu einem lang anschwellenden Drum-Intro gesellt sich Gitarren-Power und unheilschwangere apokalyptische Stimmung, wenn die Band lauthals verkündet: "Vienna is burning / The emptiness will get us all / Vendetta is turning / The emptiness will slave us forever." Eine Eröffnung, die sich hören lassen kann, der auch ein ordentlich abgeschliffener Sound nichts von ihrer Wirkung nimmt.
Ein ordentliches Zeit'l prolongiert die Band auch genau das. Mit Deja Vu kommt ein starker Schuss Wut in Form von Trennungsschmerz zum harten, erfrischend unförmigen Soundgewand; dafür lässt der Ohrwurm schlechthin, Lead Or Follow, auch nicht lange auf sich warten. So simpel wie möglich ist der Song aufgebaut, damit man mit den drei Minuten auch wirklich mit dem Kopf durch die Wand durchkommt und sie auch gleich noch niederreißt. Kleine Abzüge gibt's natürlich, große Kunst ist das nämlich nicht, aber es macht ordentlich Dampf und Laune. Den gerappten Gastauftritt von Labelkollege Ferris MC (Deichkind) hätte man sich vielleicht sparen können, aber sogar der leistet passable Arbeit. Und ans Tempo Rausnehmen denkt offensichtlich keiner, denn auch die schwierig schnulzige Rock-Nummer Before I Die und vor allem der starke Zweiteiler On My Own bieten keine Verschnaufpause. Und gerade dessen erster Part als geradliniger Punk gehört mit zum Unterhaltsamsten, was die Band auf Lager hat.
Abseits solcher geradlinigen Nummern kann die Band aber auch mehr für sich verbuchen. Before I Die überzeugt zwischen trägen Strophen vor allem mit den Metal-Klängen in Intro und Bridge. Schade, dass es da nicht mehr davon gibt. Dagegen gerät Feels Like Home zur schmalzigen Hymne auf die Heimat, die zwar wenigstens nicht patriotisch a la I Am From Austria daherkommt, aber ihre großartige Grundstimmung mit Smallers übertriebener Performance und dem schwierigen Text verspielt. Ähnlich präsentiert sich Music Making Red Alert, das mit seinem Akustik-Beginn und dem wenig animierenden Refrain zum schwachen Durchschnitt verkommt. Überhaupt geht den Jungs gegen Ende etwas die Luft aus. Acclaim & Dance und God Bless Anti-Depressants heißen da die Versuche, altbekannten Humor wiederzubringen. Gelingt kaum, auch wenn der kurze Closer mit dem abschließenden Statement "Save Anti-Depressants and Jesus or any other fairytale character" einen Lacher verdient. Weder der Versuch mit tanzbarem Pop-Rock, samt Ska-Einlage, noch die gehetzte Punk-Nummer zum Ende versprühen jedoch die Abgeklärtheit, die das Album lange Zeit auszeichnet.
Denn auch wenn sich die Band mit Songs wie Deja Vu, Won't Look Back oder dem interessanten, leider aber etwas zu langen The Death Of Katja Kassin in keine Geschichtsbücher spielt, bilden die routinierten und oft erfrischenden Auftritte des Quartetts hier doch eine lange Zeit geschlossen starke Platte, die ihre Höhepunkte zwar früh preisgibt, sich aber nicht nur darauf verlassen muss. Wichtige Neuerung ist da sicher der neue Gitarrist Philip Hörmann alias 'The General', der sich als Songwriter beteiligt und so härtere, Riff-lastigere Songs mitgestaltet. Überhaupt scheint es aber so, als hätten die Jungs ihre Hausaufgaben gemacht. Vorgänger "December 32nd" war ein poppiger, vielseitiger Glückstreffer, dem sie hier richtigerweise nicht nacheifern. Stattdessen scheinen wieder einmal Songwriting und Gesang verbessert, lediglich an der Abwechslung mangelt es ab und an, insbesondere deswegen, weil gerade die musikalischen Ausreißer nicht besonders gelingen.
Trotzdem erwartet einen hier grundsolider Rock ohne viel Drumherum und unnötige Extras. Dagegen beschränken sich 3 Feet Smaller auf das Wesentliche und sie scheinen ganz gut darin zu sein, wenn man ihnen so zuhört. Wer sich eine musikalische Revolution erwartet, muss anderswo hinhorchen. Für energiegeladene Minuten ohne Verschnaufpause ist man hier aber durchaus an der richtigen Stelle. Irgendwo zwischen Green Day's Reinkarnation des 21. Jahrhunderts, einer starken Version von Nickelback und Billy Talent strampeln sich die Österreicher ordentlich ab und sie erreichen das Ziel, das sie sich gesteckt haben. Mission erfüllt.