A MusicManiac's Top 500 Songs

Nach fast acht Jahren als MusicManiac und noch ein paar mehr der Beschäftigung mit Musik wird es Zeit für einen unzureichenden Versuch eines musikalischen Fazits. Natürlich kommt es, typisch für diesen MusicManiac, in ausufernder Listenform und kürt die verwegene Zahl der 500 als beste befundenen, liebgewonnensten und geschätztesten Songs.
Das eher irrsinnige Ausmaß der Liste, die stilistische Bandbreite der Songs darin und die Wankelmütigkeit im Urteil sorgen dafür, dass auch alle Sorgfalt bei der Erstellung nichts daran ändert, dass sie weder vollständig, noch für mich als Ersteller ultimativ zufriedenstellend oder richtig wirkt. Um den Titel der Liste und ihre Aussagekraft noch weiter zu untergraben, sei auch gleich angemerkt, dass sich unter viele, viele wirkliche Songs auch einige klassische Kompositionen und Soundtrackstücke mischen und ihren wohlverdienten Platz bekommen.

 

Deswegen sei gesagt, dass man diese Liste schon ein bisschen, aber tunlichst nicht zu ernst nehmen darf, sondern man viel eher ein bisschen stöbern, die Musik genießen, Spaß haben, überrascht sein, sich wundern sollte. Für Aufregung, Fragen zu meinem Geisteszustand, Beschwerden über die einen Songs und Jubelstürme wegen anderer ist aber natürlich trotzdem immer in den Kommentaren Platz.

Also dann, rein in Part 10 der unendlichen Liste!

 


275.

 

Your Rainy Days

 

Joshua Radin

 

Wax Wings
2013

Innerhalb seines musikalischen Mikrokosmos hat Joshua Radin in mittlerweile über eineinhalb Jahrzehnten immer wieder nur kleine Schritte gesetzt, um das Bekannte zu erweitern. Diese Stetigkeit und der Hang zu zaghaften Änderungen hat unweigerlich dazu geführt, dass das Interesse am Singer-Songwriter mit der Flüsterstimme eher nicht zunimmt, hat aber gleichzeitig auch die Chance geboten, das Bestehende zu perfektionieren. Folgerichtig war das fünfte seiner Alben eines, das insgesamt eher im Passablen verharrt, jedoch auch zwei seiner unbestreitbaren Höhepunkte liefert. Vom minimalistischen Folk Pop auf dem Weg zu einem zunehmend countryeskeren Sound, ist Your Rainy Days ein erstklassiger Hybrid aus beidem, der es schafft, den butterweichen, intimen Stil Radins mit etwas mehr Drive, einem dezenten und doch herrlich vollen Arrangement und einer erstklassigen Hook zu verbinden. 

274.

 

Lone Digger

 

Caravan Palace

 

<|°_°|>
2015

Meine durchaus bestehenden Sympathien für ein dancemusikalisches Nischenphänomen mit Namen Electro Swing lassen die Tür für einen entsprechenden Volltreffer aus diesen Sphären weit offen stehen. Die Franzosen von Caravan Palace sind eine der wenigen langlebigeren Institutionen des Subgenres und haben es auf ihrer dritten LP geschafft, die eigentümliche Formel, dieses Gemisch aus House und Dance auf der einen Seite, dem Staub der Vergangenheit entrissenem Swing und Jazz andererseits in einem Moment zu seiner finalen Form zu bringen. Anders als so viele Beispiele des Genres entzieht sich Lone Digger jeder zähen, langatmigen Gemächlichkeit und ist stattdessen trotz der rustikalen Samples und des latenten Swing-Einschlags ein pulsierendes, dynamisches, dank der sich fast überschlagenden Stimme fast ein bisschen hektisches Ganzes, das zum ultimativen Ohrwurm wird. Und das noch dazu mit einem so herrlichen, animierten Video.

273.

 

Links 2 3 4

 

Rammstein

 

Mutter
2001

Auch in Deutschland wusste man ob der Wirkung eines prägnanten Videostils, sogar schon viel früher, erprobte dafür aber die computergenerierten Bilder in relativer Frühform. Was Rammstein damit gelungen ist, ist schon fast nichts Außergewöhnliches in den damaligen Tagen, denn die Band war auf einem beeindruckenden Zenit angelangt, wo eigentlich jedes Mosaiksteinchen gepasst hat. So auch beim lautstarken Statement gegen die rechte Gesinnung und gegen alle Kritiker, die die Band damit in Verbindung bringen wollten. Nur Rammstein ist es zuzutrauen, ihre brachiale Art gerade zu diesem Zweck noch einmal militanter zu gestalten, den Song mit den Klängen marschierender Soldaten zu eröffnen und dem folgend eine Art Metal-Marsch aus dem Song zu machen. Das wäre alles weit weniger wert, käme es nicht von dem Album, das Till Lindemanns prägnant tiefe Stimme, "Flake" Lorenz elektronisches Beiwerk und die wuchtigen Riffs im bestmöglichen Licht präsentiert hat. Nachdem das aber der Fall ist, kann man sich nur verneigen.

272.

 

This Suffering

 

Billy Talent

 

Billy Talent II
2006

Was sie heute nur mehr mit Mühe dem Mittelmaß entreißen können, war zur Mitte der 00er-Jahre ein Garant für mitunter unwiderstehliche Minuten. Damals waren die Kanadier noch taufrisch und hatten noch Spielraum auf dem Weg zur Perfektionierung ihres zwischen Post-Hardcore und Pop Punk steckenden Stils. Gegipfelt ist dieser in This Suffering, das einem in komprimierter Form alle Vorzüge der Band serviert. Da werden Wucht und spielerische Dynamik vereint wie sonst nie wieder von der Band, da ist auch die Symbiose aus dem schwelenden Bass, Ian D'Sas zwischen dröhnenden, dickwandigen Power Chords und hell-kratzigen Kontrasten umherspringenden Riffs und Ben Kowalewicz' aufopfernd leidenschaftlichem, hemmungslos nasalem Gesang makellos.

271.

 

Hyper-Insomnia-Para-Condrioid

 

Sum 41

 

Does This Look Infected?
2002

Ursprünglich hatten Sum 41 zwar den Eindruck erweckt, ihr Ziel wäre es, einfach nur blink-182 mit ungefähr 2% mehr Härte zu sein. Die Entwicklung der Band folgte dann aber sehr rasch einem anderen Weg und führte dazu, dass die Vorlieben für Hardcore Punk und Metal zunehmend spürbarer zutage treten durften. Überdeutlich am effektivsten und eindringlichsten ist das gelungen, wenn sich dazu entweder eine leidenschaftliche politische oder aber eine latent depressive, selbstzerstörerische Botschaft gesellt hat. Hyper-Insomnia-Para-Condrioid bietet neben einem genialen Songtitel vor allem letzteres, ergeht sich in einer halb ins Mikro gebrüllten Hoffnungslosigkeit, die in ihren zweieinhalb Minuten von Dave Baksh und Steve Jocz derart stark mit kraftvoller Arbeit an der Gitarre und den Drums unterstützt wird, dass der adoleszenten Düsternis nicht zu entkommen ist.

270.

 

Eleanor Rigby

 

The Beatles

 

Revolver
1966

Als eine der größten Absagen der Beatles an die Pop- und Rock-Konventionen ihrer Zeit wird Eleanor Rigby bis heute mit Recht verehrt. War Paul McCartney doch immer für fragwürdig kitschig-süßliche Minuten zu haben, konnte er gleichzeitig  insbesondere in jenen Momenten, in denen er sich einer gewissen Tristesse und Traurigkeit zugewandt hat, immer auch die höchsten Höhen gefühlvoller Musik erreichen. Eleanor Rigby ist ein solcher, widmet sich in wehmütiger Manier der spürbaren Einsamkeit im Leben so vieler unterschiedlicher Menschen. Verpackt wird das in einem musikalischen Gewand, das mit George Martins Streicherarrangement die barocke Eleganz und Dramatik mitbringt, die McCartneys romantischer Ader entspricht, und doch in seiner Absage an jegliche andere musikalische Ausstattung perfekt jene bedrückende, freudlose Atmosphäre aufbaut, die der Song verdient.

269.

 

Paranoid

 

Black Sabbath

 

Paranoid
1970

Der Metal kennt viele Vorreiter und Wegbereiter und doch liegt es nahe, Black Sabbath als jene zu bezeichnen, die das Genre tatsächlich aus der Taufe gehoben haben. In diesem Sinne ist Paranoid wohl die erste große Hymne des Genres, vereint dank Tony Iommis legendärem Riff und der unentwegt marschierenden Rhythm Section die charakteristische metallische Wucht mit einer fast punkigen Aura. Inmitten dessen ein Ozzy Osbourne, der sich das depressive Leid in für einen "Prince of Darkness" würdigen und gerade für die damalige Zeit unverblümt direkten Manier vom Leib singt. Was will ein Freund harter Klänge denn mehr?

268.

 

Kill V. Maim

 

Grimes

 

Art Angels
2015

Es gibt eines, das nahelegt, dass Grimes ziemlich weit "out there" ist. Nicht umsonst verbringt sie ihr Leben an der Seite von Elon Musk und gibt ihrem Kind einen Namen, den nicht einmal die entferntesten Asteroiden verdient hätte. Ihre Musik trägt auch ein Schäuferl zum Irrsinn, der aus Grimes sprudelt, bei, was für keinen anderen Song in einem solchen Ausmaß gilt wie für das musikalisch, inhaltlich und visuell abgedrehte Kill V. Maim. Allein dass laut ihr der Song von einer Figur à la Al Pacino in "The Godfather", nur als zeitreisendem Vampir, handelt, sollte das ausreichend belegen. So absurd und jenseitig das auch ist, ist es der Kanadierin gleichzeitig gelungen, ein grenzenlos hyperaktives, erratisches Klanggebilde zu formen, das eine absolut göttliche, ausgeflippte Elektronik-Rock-Collage darstellt und es sogar schafft, trotz dieser eigenwilligen Machart ein lupenreiner Pop-Ohrwurm zu sein.

267.

 

Füdi Frei

 

Chris Beer

 

Lion In The Sun
2016

Zwar blieb es ein relativ kurzes Vergnügen, doch mit der Abkehr von seinem früheren Künstlernamen Jimi D. fand Chris Beer gleichzeitig etwas Gefallen an der heimischen Dialektwelt. Die daraus geborenen Songs sind auf seinem zweiten Album zwar immer noch deutlich in der Unterzahl, aber auch verdammt lohnender Natur. Füdi Frei ist das Prunkstück dessen, trägt die klangliche und textliche Verschrobenheit mit Stolz vor sich her, landet irgendwo zwischen Reggae, Dub und Folk, arrangiert die akustische Gitarre, die minimalistischen elektronischen Klänge, die Mundharmonika und den Beat aber in einer derart eigenwilligen Manier, dass man jede Schublade vergessen sollte. Gleichzeitig ist es eine herrlich lockere, entspannte Hymne wider den Grant und das Selbstmitleid und für etwas optimistischen Frohsinn, dazu noch mit dezent gesellschaftskritischer Note. Leiwaund!

266.

 

American Idiot

 

Green Day

 

American Idiot
2004

Nach Jahren des langsamen Popularitätsverlusts, der auf das den Pop Punk prägende und zu gigantischem Erfolg befördernde Dookie folgte, schafften Green Day mit American Idiot eine auf allen Ebenen unerwartete Wiederauferstehung. Plötzlich war da eine Rock Opera, es wurde hemmungslos und definitiv ein bisschen gar plakativ politisiert, es wurde klanglich poliert. Gestört hat es so gar nicht, allein schon der Anreißer des Album war mit dem Titeltrack eine dermaßen prägnante, energiegeladene Abrechnung mit den USA der Ära Bush, noch dazu mit göttlicher Hook, dass es nichts mehr zu verlieren gegeben hat.

265.

 

Flowers In December

 

Mazzy Star

 

Among My Swan
1996

Die 90er hindurch waren Mazzy Star eine der wichtigsten Referenzen des Dream Pop. Und das Duo Dave Roback und Hope Sandoval hat auch einiges an Argumenten in Songform abgeliefert, die diesen Status rechtfertigen. Eines der überzeugendsten ist Flowers In December, das die wehmütig-melancholische, doch irgendwo in Ansätzen hoffnungsvolle Seite der Band in bestmöglicher Form widerspiegelt. Nichts schlägt da Sandovals erdige und doch samtweiche, gefühlvolle Stimme, die ganz dezenten Streicher im Hintergrund, die Drums und Gitarre begleiten, die einsamen und doch fast optimistischen Akzente der Mundharmonika.

264.

 

Cello Song

 

Nick Drake

 

Five Leaves Left
1969

Realistischerweise ist es der langweiligste Songtitel in Nick Drakes Repertoire. Gleichzeitig aber ist es eine Komposition, die mit dem titelspendenden Instrumenten alles richtig macht, es nicht in einem schwerfällig-dramatischen Setting einbaut, sondern dem gewichtigen, tiefen Klang des Cellos ein umso dynamischeres Arrangement entgegenstellt. Die locker tänzelnde Gitarre und die Congas machen diese Minuten zu den lebhaftesten des dezenten Debüts von Nick Drake, sparen andererseits nicht im Geringsten an der atmosphärischen Tiefe und der nicht zu steigerndern Melancholie, die fast jeden seiner Songs durchdringt.

263.

 

Someone Like You

 

Adele

 

21
2011

Das enge musikalische Korsett der Adele Adkins mag ihr im Laufe der Jahre zunehmend zum Hemmschuh geworden sein. Es steht ihr aber im richtigen Moment wie keiner zweiten. Someone Like You ist der unbestrittene Gipfel ihrer dramatischen, klavierfokussierten Balladen, die sie mit ihrer voluminösen Stimme zu solch eindringlichen, kompromisslos emotionalen Momenten macht. Die unmaskierte Trauer und der überdeutliche Schmerz in dem Song an den Ex-Freund kurz nach der Trennung suchen ihresgleichen, hinterlassen auch wegen dem fast zur Selbstlüge geratenen Refrain und dem darin vermeintlich zum Ausdruck kommenden Gedanken, das Leben ginge weiter, noch tiefere Spuren. Die Chancen stehen sehr gut, dass diese Darbietung in alle Ewigkeit ihr definierender Moment bleiben wird und in Anbetracht der emotionalen Qualität der Komposition kann man es ihr nur wünschen.

262.

 

My Happy Ending

 

Avril Lavigne

 

Under My Skin
2004

Mittlerweile eigentlich an einem Punkt angekommen, wo die Welt großteils eher in Form von "Ach ja, die gab es ja auch mal..." an sie denkt, war Avril Lavigne ja tatsächlich einige Jahre eine der erfolgreichsten Pop-Musikerinnen der Welt. Wie gerechtfertigt das in Anbetracht ihrer Musik und insbesondere späterer Fragwürdigkeiten ist, sei dahingestellt. Zumindest ihr zweites Album besteht aber auch den Test der Zeit und markiert einen notwendigen Abschied von der mitunter kindlichen Art des Debüts. Der emotional beladene Nachfolger wird gleichzeitig zum dem Rock zugewandtesten, das die Kanadierin bis heute geschaffen hat, und bietet mit My Happy Ending einen Song, der in diesem Sinne alles bietet, was das Album und Lavigne insgesamt eigentlich können.

261.

 

Oddfellows Local 151

 

R.E.M.

 

Document
1987

Document war zweifelsfrei eines der politischsten Alben, die R.E.M. zu bieten hatten, und konnte neben den entsprechenden Statements in Songform trotzdem mit einigem anderen aufwarten. Und man könnte kaum weiter weg von unumwunden gesellschaftskritischen Momenten wie Welcome To The Occupation kommen als mit dem Closer des Albums, Oddfellows Local 151. Ohne Erklärung seitens der Band absolut unmöglich zu deuten, ist es unfassbar beeindruckend, wie atmosphärisch und wirkungsvoll ein Song sein kann, dessen Inhalt eigentlich nur die obdachlosen Alkoholiker in Michael Stipes Nachbarschaft sind. Diesem Thema und seiner kryptischen Aufarbeitung zum Trotz, verbreitet der düster schwelende, schwergewichtig trabende Rock eine endzeitliche, drückende Stimmung, wirkt brutal und dramatisch. Form over substance? Vielleicht, aber wann hätte das je so gut geklungen?

260.

 

Faint

 

Linkin Park

 

Meteora
2003

Linkin Park waren zwar im Laufe ihrer Karriere selten darauf bedacht, stilistisch auf einem Fleck zu verharren. Zumindest die zweite LP der Band hatte aber das Privileg, nicht zur durchwachsenen Ergründung neuen musikalischen Terrains genutzt zu werden, sondern einfach eine bis zum Exzess präzisierte und verfeinerte Form des Debüts darzustellen. Entsprechend sind die klanglichen Ähnlichkeiten spürbar, der Nu Metal dieser Tage trotz vereinzelter Abzweigungen davon noch am Leben und die Bühne frei für einige der effektivsten und eindringlichsten Vorstellungen, die das Genre zu bieten hat. Mittendrin statt nur dabei: Faint, das sowohl die glatten Riffwände der Band als auch Chester Benningtons unübertroffen leidenschaftliche Ausreizung seiner stimmlichen Fähigkeiten im Zusammenspiel mit dem rappenden Counterpart Mike Shinoda perfekt umsetzt. Dazu ein ewig im Gedächtnis bleibendes Streicher-Sample und fertig ist der ultimative Linkin-Park-Song.

259.

 

It Ain't Me Babe

 

Bob Dylan

 

Another Side Of Bob Dylan
1964

Den schwierigen Seiten des vierten Longplayer des Bob Dylan zum Trotz, finden sich darauf, wie man es von ihm gewohnt ist, ein paar lyrische Perlen. Während es jedoch weder wuterfüllte I Don't Believe You (She Acts Like We Never Have Met) noch die göttlich skurrile Geschichte vom Kurzaufenthalt auf der Farm, Motorpsycho Nitemare, in diese Liste schaffen, darf It Ain't Me Babe nicht fehlen. Selten davor hätte man bei Dylan eine solche emotionale Ambivalenz erlebt, ein solch wehmütiges und doch umsichtiges, gedankenvolles und fast schon altkluges Statement. Die Absage an die Wunschvorstellung der Geliebten, die sie von ihm hat, ist auch wegen der damals noch so präsenten musikalischen Einfachheit einer seiner emotional kraftvollsten Momente.

258.

 

New Dress

 

Depeche Mode

 

Black Celebration
1986

Zwar befand sich die düstere und unheilvolle Form des Synth Pop aus dem Hause Depeche Mode zu Zeiten von Black Celebration eher noch nicht im vollendeten Stadium. Dass die Briten jedoch den Weg hinaus aus dem poppigeren Sound der frühen 80er nicht zu bereuen hatten und sie im Darkwave wohl ihre nachhallendsten Momente haben würden, wurde dennoch relativ bald klar. New Dress ist ein solcher, schließt das Album in einer düster pulsierenden Manier mit metallischen Synth-Klängen und unwirtlicher Szenerie so ab, wie man es eher auf dem darauffolgenden Music For The Masses erwartet. Insofern ist es die perfekte Vorbereitung auf das Magnum Opus der Band, gleichzeitig auch noch ein prägnanter, fast zynischer, jedenfalls aber effektiver und ideal geformter Kommentar zur Medienwelt und ihrem Fokus auf belanglose Promi-News, während wichtige Ereignisse und Veränderungen außen vor bleiben.

257.

 

The Noose

 

The Offspring

 

Splinter
2003

Der insbesondere in Punkte Länge bzw. Songzahl mageren Ausbeute von Splinter steht zumindest die Tatsache gegenüber, dass sich darauf mit The Noose eine der eindrucksvollsten Vorstellungen der Band findet. Als Hybrid aus dem energiegeladenen High-Speed-Punk der frühen Tage und dem zunehmend geschliffeneren, harten Rock späterer Jahre ist es eines der wenigen Überbleibsel dieser Zeit, das voll zündet. Atmosphärisch und textlich voll auf der Höhe, ist es insbesondere ein unfassbar wuchtiges Ding, das einem da drei Minuten lang um die Ohren fliegt und zur Abwechslung mal den Eindruck erweckt, als wäre Brendan O'Briens Angewohnheit, als Produzent schwergewichtige, glatte Klänge zu forcieren, tatsächlich zu etwas gut. Jedenfalls ist es ein Song, dem diese Jahre der geschliffen röhrenden Power Chords und der unfassbar harten, lauten, die Szenerie prägenden Drums verdammt gut getan haben.

256.

 

My Iron Lung

 

Radiohead

 

My Iron Lung
1994

Das fast schon verbitterte Statement wider den Erfolg ihrer Debütsingle Creep und der damit von Seiten der Medien, Fans und des Labels verbundenen Erwartungen weiterer, ähnlicher Hits ist mit My Iron Lung gleichzeitig ein musikalischer Paradigmenwechsel für die Band gewesen. Vorbei die Zeiten austauschbarer, konturarmer Alt-Rock-Spielereien, stattdessen hat man ganz bewusst die Öffentlichkeit mit einer Single vor den Kopf gestoßen, die die fast träumerischen Gitarrenakkorde zu Beginn und Thom Yorkes sanfte Stimme den erratischen, chaotisch anmutenden, jedenfalls aber abweisenden unmelodischen Ausbrüchen im Refrain gegenüberstellt. Und diese Ausritte, diese verworrenen Zusammenkünfte von Yorkes im Hintergrund versinkenden Vocals, Jonny Greenwoods kratzig-schrillen Riffs und Philip Selways Drums sind das Prunkstück des Songs und der eigentliche Startschuss für das, was Radiohead in den kommenden Jahrzehnten so an Außergewöhnlichem fabrizieren sollten.

255.

 

Heaven Knows

 

Rise Against

 

Revolutions Per Minute
2003

Damals noch mitten in ihrer leidenschaftlichsten, härtesten, schnellsten und wohl kompromisslosesten Phase, haben Rise Against mit ihrem zweiten Album schlicht herausragenden Hardcore Punk abgeliefert. Unter all die darauf zu findenden politischen Statements und Rebellionshymnen mischen sich auch vereinzelte persönlichere Momente, die um nichts weniger eindringlich geraten. Im Gegenteil, Heaven Knows ist musikalisch genauso kompromisslos, rast abseits der ruhigeren Bridge an einem im Höchsttempo mit explosiven Power Chords an einem vorbei und klingt um nichts weniger leidenschaftlich als die übrigen Songs. Eher noch wird mit Tim McIlraths kernig-ungeschliffenem mitunter in Gebrüll ausartenden Gesang und der zum Ausdruck kommenden Hoffnungslosigkeit im Song ein Höhepunkt in der Karriere der Chicagoer erreicht.

254.

 

Clearest Blue

 

Chvrches

 

Every Open Eye
2015

Zwar wurde dem schottischen Trio von Chvrches von diversen Kritikern bescheinigt, mit ihrem zweiten Album einem organischeren, fast ruhigeren Sound entgegenzuschreiten. Die mit großem Abstand überzeugendsten und eindringlichsten Songs sind jedoch jene geblieben, die auch den stilistischen Vorgabend es Debüts am ehesten entsprechen. Clearest Blue zählt dazu, darf für sich sogar verbuchen, Lauren Mayberry auf ihrem unbestrittenen gesanglichen Höhepunkt zu zeigen und ihre diesmal weniger bearbeitete Stimme perfekt mit dem steten, pulsierenden Beat und den melodisch schimmernden Synths zu ummanteln, auf dass daraus etwas wird, das auch in der ausufernden, härteren zweiten Songhälfte noch ein atmosphärischer Volltreffer ist.

253.

 

Out Of The Dark

 

Falco

 

Out Of The Dark (Into The Light)
1998

Selbst ohne den nachweislich falschen Mythen rund um den letzten großen Hit des Hans Hölzel anzuhängen, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass ihm mit Out Of The Dark eine seiner eindrucksvollsten musikalischen Leistungen gelungen ist. Entgegen der von der Techno-Welle mitgerissenen, oft spürbaren elektronischen Härte seiner letzten Studio-LP ist die dramatische Ballade eine, die weit eher von der Reduktion lebt und darin ein unglaubliches Ausmaß an Atmosphäre und Gefühl findet. Im Kontrast zwischen Falcos nahezu ungerührtem und doch spürbar emotionalem Sprechgesang und den mit hymnischen Synths und nachhallenden Riffs ausufernden Refrains, in denen er sich ungleich leidenschaftlicher gibt, liegt einiges, genauso wie im großartigen Gitarrensolo. Es ist einer der ganz wenigen Augenblicke in seiner Karriere, in denen nicht nur kommerziell, sondern vor allem auch künstlerisch alles gepasst hat und man nicht wüsste, wo für eine Verbesserung anzusetzen wäre. Vielleicht auch, weil man in der drückenden Schwere des Songs versinkt.

252.

 

The Chairman's Waltz

 

John Williams

 

Memoirs Of A Geisha
2005

Die Magie des John Williams kam selten einmal so zum Ausdruck wie in diesem unfassbar schönen Stück Musik, dessen Eleganz und klangliche Leichtigkeit nur von der unfassbaren Darbietung von Cellist Yo-Yo Ma überboten wird. Diese beiden kreieren mit dem Chairman's Waltz eines der prägenden Themen des Films und ein klangliches Meisterwerk, das die visuelle Schönheit des Films genauso sehr ergänzt, wie es sie in den Schatten stellt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Memoirs Of A Geisha merklich emotional von seinem Soundtrack getragen wird und das nie so sehr wie mit diesen zweieinhalb Minuten.

251.

 

B.Y.O.B.

 

System Of A Down

 

Mezmerize
2005

Zumindest aus der Außenperspektive waren die Schwesteralben Mezmerize und Hypnotize, die die Studioarbeit von System Of A Down für eine verdammt lange Zeit beenden sollten, eine schwierige Sache. Man hatte sich schrittweise entfernt vom gesteuerten Wahnsinn, von der eigenwilligen Zusammensetzung von Musik und Gesang, der ruhelosen Art des gesteuerten Chaos,  die die frühen Alben oft ausgemacht hat. Deswegen war das phasenweise ein unterwältigendes Spektakel, das das Quartett 2005 gleich im Doppelpack zu bieten hatte. Nichtsdestoweniger war Platz für eine Single, die nicht nur einen Grammy abgestaubt hat, sondern alle Vorzüge der Band in sich vereint. Da ist er doch, dieser manische Energieüberschuss, diese unheilvolle Mischung aus Serj Tankians stimmlicher Akrobatik zwischen sanften Gesängen und ausuferndem Geschrei - mehr denn je unterstützt durch Daron Malakian -, aus stimmungsvollen Strophen, explosiven Riffs und brutalen Refrains, bei gleichzeitiger überdeutlicher Opposition gegen die US-amerikanische Kriegstreiberei. So klingen Triumphe!


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