Nach fast acht Jahren als MusicManiac und noch ein paar mehr der Beschäftigung mit Musik wird es Zeit für einen unzureichenden Versuch eines musikalischen Fazits. Natürlich kommt es, typisch für
diesen MusicManiac, in ausufernder Listenform und kürt die verwegene Zahl der 500 als beste befundenen, liebgewonnensten und geschätztesten Songs.
Das eher irrsinnige Ausmaß der Liste, die stilistische Bandbreite der Songs darin und die Wankelmütigkeit im Urteil sorgen dafür, dass auch alle Sorgfalt bei der Erstellung nichts daran ändert,
dass sie weder vollständig, noch für mich als Ersteller ultimativ zufriedenstellend oder richtig wirkt. Um den Titel der Liste und ihre Aussagekraft noch weiter zu untergraben, sei auch gleich
angemerkt, dass sich unter viele, viele wirkliche Songs auch einige klassische Kompositionen und Soundtrackstücke mischen und ihren wohlverdienten Platz bekommen.
Deswegen sei gesagt, dass man diese Liste schon ein bisschen, aber tunlichst nicht zu ernst nehmen darf, sondern man viel eher ein bisschen stöbern, die Musik genießen, Spaß haben, überrascht sein, sich wundern sollte. Für Aufregung, Fragen zu meinem Geisteszustand, Beschwerden über die einen Songs und Jubelstürme wegen anderer ist aber natürlich trotzdem immer in den Kommentaren Platz.
Also dann, rein in Part 17 der unendlichen Liste!
500 - 476 | 475 - 451 |
450 - 426 | 425 - 401 | 400-376 | 375 - 351 | 350 - 326 | 325 - 301 | 300 - 276 | 275 - 251
250 - 226 | 225 - 201 | 200 - 176 | 175 - 151 | 150 - 126 | 125 - 101 | 100 - 76
| 75 - 51 | 50 - 26 | 25 - 1
100.
Kenji
Fort Minor
The Rising Tied
2005
Das kurzlebige Nebenprojekt von Linkin-Park-Rapper Mike Shinoda war zwar nicht gerade revolutionäres Handwerk für den Hip Hop, aber eine ansehnliche, ziemlich variantenreiche Songsammlung. Vor allem war sie aber phasenweise auf düsterste Art ernst und verschwendete wenig Zeit auf nutzloses Posen oder aggressive Rundumschläge. Stattdessen verbirgt sich mitten auf der LP mit Kenji ein Song, dessen persönlicher Hintergrund für einen ungeahnt bedrückenden Moment sorgt. Shinodas Blick in die Vergangenheit beleuchtet die unrühmlichen Internment Camps der US-Amerikaner während des Zweiten Weltkriegs, in denen zigtausende Japaner und unter anderem die Vorfahren Shinodas eingesperrt wurden, und den damit verbundenen, weithin grassierenden Rassismus gegenüber Asiaten im Land. Es ist der Inbegriff der Beklemmung, den das auslöst, insbesondere in Verbindung mit den Interviewausschnitten seiner Großeltern.
99.
I'm So Bored With The U.S.A.
The Clash
The Clash
1977
Nicht, dass Joe Strummer und die Seinen nicht im UK genug gefunden hätten, was wirklich scheiße war. Aber trotzdem waren die USA und ihre außen- wie innenpolitischen Machenschaften mühsam und unausstehlich genug, dass sich die Briten in einem Song nichts anderem gewidmet haben als dem vermeintlichen Land of the Free. Und weil das so guter Stoff, der Riff einfach nur brillant und der Refrain spätestens beim zweiten Mal nur mehr zum Mitsingen ist, ist daraus in Nullkommanichts der beste Song geworden, den das Clash-Debüt im Angebot hatte, und bis heute eine Punkhymne der Extraklasse.
98.
Kopfüber In Die Hölle
Die Ärzte
Die Bestie In Menschengestalt
1993
Es lag und liegt im Wesen der Ärzte, dass ihre Überzeugungskraft auf all ihren Alben meist nur eine Handvoll Songs umspannt und man den Rest ganz gut vergisst oder, schlimmer noch, sehr gern vergessen würde. Die Bestie In Menschengestalt schafft diesen Spagat allerdings so dramatisch, dass es manch solidem oder unnötigem Track ihre drei mit Abstand besten Songs gegenüberstellt. Deren Speerspitze ist mit Kopfüber In Die Hölle eine der humorlosesten Darbietungen der Band und eine flammende Anklage gegen den ehemaligen Revoluzzer, der sich nun doch mit dem kapitalistischen Arbeitsalltag zufriedengibt. Das ist wunderbar schnörkellos, erlaubt sich keine Atempause und geht doch nicht nur im Riff unter, erlaubt sich noch dazu die denkwürdigen Zeilen "Du sagst: 'Man tut halt was man kann.' / Und Dir geht's gut. Du kotzt mich an!"
97.
Girls & Boys
Blur
Parklife
1994
Auf dem Weg zu einer der beiden Galionsfiguren des Britpop war Girls & Boys als erster Top-5-Hit womöglich der wichtigste Song für Blur. Und so untypisch er für die Band zum damaligen Zeitpunkt war, so sehr darf die eigenwillige, hemmungslos simple, funkige Disco-Rock-Vorstellung als stellvertretend gelten für den überbordenden Eklektizismus ihrer dritten LP. Auch unabhängig davon ist es jedoch ein perfekter Popsong, genau im richtigen Maße verschroben, mit einem Refrain, der sich in die Hirnwindungen fräst, und einer Bassline, die ohne jeden Zweifel für die Ewigkeit gemacht ist.
96.
White Fire
Angel Olsen
Burn Your Fire For No Witness
2014
Angel Olsen kann so manches, aber bis heute hat sie nichts so gut hinbekommen als die infinite gedrückte Freudlosigkeit, ja, fast apathische Depressivität von White Fire. Deren relative Schönheit steckt in ihrer vollkommen schmucklosen Aufmachung, die aber viel eher noch dafür verantwortlich ist, dass man in einer endlosen, dunklen Tiefe zu versinken glaubt, während man fast sieben Minuten diesen statischen, Zupfern an E-Gitarre und Bass lauscht, wie sie sich dröhnend und doch karg an einem vorbei oder noch eher durch einen durchwälzen. Dazwischen Olsen in einer schon fast erschreckend gefühllosen Version, die zwar ihre sanfte Natur nicht verstecken kann, aber dennoch kaum eine Regung zeigt und sich deswegen umso tiefer eingräbt.
95.
This Bitter Earth / On The Nature Of Daylight
Dinah Washington & Max Richter
Shutter Island: Music From The Motion Picture
2010
Sie eine der schillerndsten Figuren des Blues, R&B und Jazz der 50er, er ein neoklassischer Komponist. Die Verbindung zwischen beiden ist an und für sich nicht gegeben, allein schon der Tatsache geschuldet, dass sie verstorben ist, bevor er geboren wurde. Zusammengefunden hat die Arbeit beider dennoch und zwar für den Soundtrack von Martin Scorseses Shutter Island. Dort verbindet sich der famos besungene Liebeskummer von This Bitter Earth mit dem schwermütig-melancholischen Streicherarrangement von On The Nature Of Daylight. Das Ergebnis ist in seiner Tiefenwirkung fast bizarr, bemerkt man doch durchgehend die nicht ideale Passform der beiden Teile, die aber offenbar die emotionale Verwerfung darin umso spürbarer macht.
94.
Never Let Me Down Again
Depeche Mode
Music For The Masses
1987
Die Meister des unheilschwangeren Synth Pop waren Ende der 80er bei der persönlichen kreativen Vollendung angelangt. Das Ergebnis dessen heißt vor allem Never Let Me Down Again und macht seinem drogenbeeinflussten Inhalt mit dem hypnotischen Beat und der undurchdringlichen Mixtur aus Synth-Schwaden und dumpf dröhnenden Gitarrenriffs alle Ehre. Dass daraus etwas wirklich Grandioses wird, ist vor allem der Tatsache zu verdanken, dass dem Song so nebenbei eine unwiderstehliche Hook innewohnt und die Armada elektronischer Klänge in jeder Sekunde perfekt klingt, vor allem in den hymnischen Ausbrüchen der zweiten Songhälfte.
93.
Cheers Darlin'
Damien Rice
O
2002
Wenn Damien Rice etwas insbesondere zu Zeiten seines Debüts konnte wie kein Zweiter, dann die Aura eines komplett gebrochenen Geistes einzufangen. Nirgendwo tritt das deutlicher und offen schmerzhafter zu Tage als in Cheers Darlin', das als verbittert sarkastischer Glückwunschgruß von Beginn weg angefüllt ist mit einer Mischung unterdrückter Wut und unverhohlenem Schmerz. Selten wurde jedenfalls auf sich ähnlich beim Hörer einbrennende Art die komplett hoffnungsbefreite Leere spürbar gemacht, die nur von fast zersetzender Trauer ausgefüllt wird. Und als wären Text und Rice' brüchiger Gesang nicht genug, ist auch das dahinter Arrangierte ein Ausbund der Tristesse und Einsamkeit.
92.
Mosquito Song
Queens Of The Stone Age
Songs For The Deaf
2002
Die Queens Of The Stone Age sind zwar eher für kernige Gitarrenklänge und knackige Riffs bekannt. Weil es Josh Homme aber eher nicht an Ideen für andere Stilübungen mangelt, ist es sich ausgegangen, dass die eindrucksvollste Vorstellung der im ständigen Wandel befindlichen Band ausgerechnet Mosquito Song geworden ist. Das ist ein behände ausstaffiertes, dem Desert Rock auf ganz eigene Art alle Ehre machendes Epos, das einen zu Beginn mit dem markanten Riff der Akustikgitarre und Hommes untypisch hohem, fast unheimlichem Gesang ein bisschen täuscht, wird doch das Arrangement stetig voller. Zur akustischen gesellen sich alsbald das Akkordeon und das bald mit den unheilvollen Streichern übernehmende, rustikal knarzende Klavier, bald darauf ein episches Gemisch aus Marching Drums, wuchtigen Trommelschlägen und Blechbläsern. Der Gesamteindruck könnte großartiger nicht sein. Ein stimmungsvolles, atmosphärisches, perfekt in Szene gesetztes Meisterstück.
91.
Thanatos
Soap&Skin
Lovetune For Vacuum
2009
Am besten war sie beinahe immer, wenn sie sich nur dem Klavier und der Dunkelheit hingegeben hat. Die wuchtig tiefen Anschläge von Thanatos sind ein wirkmächtiger, gleichermaßen eleganter wie raumfüllend düster Kontrast zu Anja Plaschgs hoher Stimme. Und die ist gefangen in einem Zwiespalt aus fast apathischer Tonlosigkeit und manipulierten, flehenden Stimmeinsätzen in den Refrains, in denen das Klavier besonders den Ton angibt. Nichts hinterlässt so nachhaltige Spuren wie die Steirerin, wenn sie genau in ihrem Element ist und der Todessehnsucht ein Lied widmet.
90.
Zwickt's Mi
Wolfgang Ambros
Es Lebe Der Zentralfriedhof
1976
Selbst als atheistischer Geist erlaube ich mir den Ambros Woiferl als Gott des Austropop zu bezeichnen. Allein wegen der Weinseligkeit vielleicht eher einer der Marke Dionysos und weniger Zeus, aber Gott bleibt Gott. Und Mitte der 70er schuf der sodann auch allzu Göttliches, als Zwickt's Mi unter die Leute gebracht wurde. Unter den vielen zum Gassenhauer mutierten Hinterlassenschaften der heimischen Liedermachergilde ist es der unwiderstehlichste, der nicht viel mehr als sein legendäres Intro braucht, um einen mitzunehmen. Bei Ambros' Zeilen steigt man dann auch tunlichst nicht mehr aus, sondern singt gefälligst mit, wenn der Unglauben über die Blender und Schwindler des Landes zelebriert wird. Hach, ist das herrlich.
89.
Yesterday
The Beatles
Help!
1965
Paul McCartney konnte einem doch auch verdammt nahegehen. Dazu musste es nur minimalistisch zugehen und seinem Hang zum kitschigen Pomp und der Theatralik ein Riegel vorgeschoben werden. Und auch wenn Yesterday, diese akustische Legende mit gefühlten 3 Milliarden Coverversionen, mit den eingeflochtenen Streichern nicht gänzlich ohne Schmalz auskommt, ist es dennoch als frühes Exemplar eines berührenden Beatles-Songs auch sogleich der Gipfel genau dessen. Weil alles darin genau richtig temperiert ist, weil McCartney stimmlich zur personifizierten Wehmut wird, weil die Einfachheit oft genug Trumpf ist, wenn es um Gefühle geht.
88.
Road Trippin'
Red Hot Chili Peppers
Californication
1999
Ohnehin schon nur mehr sporadisch als "Funky Monks" mit rockigem Fundament am Werk, war auf Californication mehr denn je Platz für anderes und so auch für einen goldenen Moment der Chili Peppers, der das Album höchst untypisch abschließen durfte. Als feine, sentimentale Würdigung von John Frusciantes Rückkehr ist es eine unfassbar harmonische, akustische Darbietung, die ohne den großartigen Chad Smith an seinen Drums auskommt, dafür aber ein zum Dahinschmelzen formvollendetes Duett aus akustischer Gitarre und Bass anbietet, zu dem sich alsbald noch Cello und andere Streicher gesellen. Schöner haben sie nie geklungen.
87.
Holiday In Cambodia
Dead Kennedys
Fresh Fruit For Rotting Vegetables
1980
Totgesagte leben bekanntlich länger und so hat auch der Punk, obwohl Ende der 70er dank Selbstauflösung oder stilistischer Verwandlung seiner wichtigsten Vertreter bereits dem Ende nahe, die Dekadenwende nicht nur überstanden, sondern mit dem Heraufziehen des Hardcore Punk vollzogen. Und was wäre ein besserer musikalischer Leuchtturm für diese Phase des Genres als Holiday In Cambodia? Unvergleichlich diese Erfahrung, wenn man erstmals der spröden, kratzigen, ungeschönten Nötigung der Gitarre beiwohnen darf, die das Intro des Songs ausmacht. Nicht minder nachhaltig ist der Eindruck, den Jello Biafras selten so hingerotzt gehörter Gesang und seine bissig-humorvollen Zeilen bei seiner Anklage der verwöhnten US-Jugend und der bemitleidenswerten Zustände im fernen Kambodscha Pol Pots. Ein Fest für die Lärm vertragenden Ohren, die eine erstklassige Hook auch dann genießen, wenn sie einem wie ein unbearbeiteter Stein an den Schädel geschmissen wird.
86.
Reckoner
Radiohead
In Rainbows
2007
In Rainbows war der künstlerische Gipfel Radioheads, weil man darin alles an Finesse, an klanglicher Klarheit und atmosphärischer Tiefe finden konnte, das die Briten in den vorangegangenen eineinhalb Jahrzehnten zelebriert und sich antrainiert hatten, dazu aber noch ein luftiger, fast lockerer Klang gekommen ist, den man von ihnen bis dahin nie hören durfte. Diese Kombination machte Großes möglich wie etwa die infinite Schönheit von Reckoner, dessen geschmeidiger Sound gleichermaßen unendlich ausgeglichen und ebenso grenzenlos wehmütig anmutet.
85.
What Difference Does It Make?
The Smiths
The Smiths
1984
Die Smiths, diese Helden des Jangle Pop, bei denen Atmosphäre und unfassbare Riffs von Johnny Marr, altkluge Emotionswallungen von Morrissey und einen einfangende Melodien oft genug zu einem denkwürdigen Ganzen verschmolzen sind, konnten netterweise auch sehr gut ein bisschen wütend sein. Wahnsinnig aggressiv haben sie dabei dennoch nicht geklungen, aber dieser unter der Oberfläche brodelnde Zorn in What Difference Does It Make? ist vielleicht genau das, was den Unterschied ausmacht zu den vielen anderen großartigen Minuten der Band. Denn wie so oft ist alles an seinem Platz und ein Ohrwurm geschaffen, gleichzeitig aber auch auf zutiefst Smith'sche Art ein bisschen Dampf abgelassen, auf dass man dem harmonischen Wohlklang noch ein bisschen Anspannung anhört.
84.
Beat It
Michael Jackson
Thriller
1982
Der größte Moment auf Thriller muss in Anbetracht der Stärke, die vielen Songs des Albums zu eigen war, schon ein ziemlich eindrucksvolles Stück sein. Und so ist Beat It auch schlicht ein Mahnmal popmusikalischer Perfektion, dessen Refrain wahrscheinlich die Menschheit überdauern wird, der aber auch mit einem prägnanten Riff der Annäherung an den Rock frönt und noch dazu auch Incognito-Solist Eddie Van Halen bauen kann. Mit MJ in Bestform da mittendrin ist auch schon alles gesagt, da gibt es absolut Nullkommajosef zu bekritteln.
83.
Jessica Kill
Sum 41
Screaming Bloody Murder
2011
Wer bin ich, dass ich mich gegen eine latent depressionsschwangere, selbstzerstörerische Wutendladung der härteren Art ausspreche? Sum 41 oder eher ihrem Frontmann Deryck Whibley war zu Zeiten der fünften LP der Band aus persönlichen Gründen weniger wohl zumute. Das musikalische Resultat war, wegen einer offensichtlichen Diskrepanz von Ambition und Fähigkeit, ein zerfahrenes Auf und Ab, aber auch Brutstätte einer mustergültigen Aggressionsübung mit Namen Jessica Kill. Der steht die drückend pulsierende Bassline, die wuchtigen Drums, der erstklassige Riff der Strophen, vor allem aber dieser wanddicke Exzess im Refrain mitsamt Whibley unablässig geschrienem Part, der sich Finessen spart, aber nicht die Emotion.
82.
Denia
Manu Chao
Próxima Estación: Esperanza
2001
Dem Weltbürgertum verpflichtet, hat Manu Chao es auch zusammengebracht, auf seine Alben Songs nicht nur in spanischer, französischer, englischer, italienischer und portugiesischer, sondern sogar in arabischer Sprache zu packen. Letzteres bringt uns in den Genuss von Denia, diesem Meisterwerk des smoothen Musizierens, das sich insbesondere durch sein boleroartig stetig voller werdendes Arrangement auszeichnet. Vielleicht wäre das ein weniger zündendes Mittel der Wahl, würde es nicht mit einem unwiderstehlich galoppierenden Beat und diesem Chao-typischen Geflecht aus seinem eigenen, sich überlagernden Gesang, zusammengeschnittenen Stimmschnipseln und dem einen oder anderen, kurzlebigen Soundbit daherkommen. Weil das aber doch alles so ist, ist es ein Genuss.
81.
St. James Infirmary
Hugh Laurie
Let Them Talk
2011
The one and only Dr. House himself, der große Hugh Laurie, hat sich als Blues- und Soul-Liebhaber und beschlagener Musiker zwischenzeitlich unter die Albumschaffenden gewagt und dabei durchaus Hörenswertes kreiert. Unter tatkräftiger Mithilfe mehr oder weniger bekannter Figuren des Genres zwar, aber dennoch. Und es ist sein ureigenes Werk, das seinen musikalischen Ausritt eröffnet. St. James Infirmary mag ein alteingesessener Blues-Standard sein, doch das längliche, szenische Klavier-Intro, das sich Laurie aus den Fingern schüttelt, ist es, was den Song ausmacht. Fast drei Minuten ist man gefangen in dem Bann, in den einen das nuancierte, stimmungsvolle und dynamische Spiel des Briten zieht, bis der eigentliche Song beginnt und ausgekleidet von der ganzen Band zwar doch ein bisschen, aber in Wahrheit kaum merklich schlechter klingt als diese unfassbar großartige Eröffnung.
80.
The View From The Afternoon
Arctic Monkeys
Whatever People Say I Am, That's What I'm Not
2006
Die Arctic Monkeys auf ihrem Zenit waren schon zu gewaltigen Darbietungen in der Lage. Insbesondere gilt das für diesen einen Blick auf die verdrängenswerten Dinge, die einem in einer alkoholgeschwängerten Nacht so passieren können, wenn man zum Beispiel das Handy auspackt und der Ex schreibt. The View From The Afternoon ist ein Spektakel auf allen Ebenen, insbesondere auf jener, auf der die Gitarren und Drums bedient werden. Denn es ist ein energischer und trotzdem unendlich melodischer Paarlauf, in dem sich das Gitarrenpaar mitunter wiederfindet, während dahinter der Bass pulsiert. Und es ist eine manische, unschlagbare Drumperformance, der vollkommen zu Recht das Video gewidmet ist.
79.
Lacrimosa
Wolfgang Amadeus Mozart & Franz Xaver Süßmayr
Requiem in d-Moll
1791/1792
Die emotionale Ausdrucksstärke und die damit verbundenen Spuren, die eine Komposition wie Mozarts Requiem hinterlassen können, sind schwerlich einzufangen. Insbesondere gilt das für das berühmte, allseits bekannte Lacrimosa, das als kleiner Teil des Gesamtwerks nur unvollständig von Mozart der Nachwelt hinterlassen und deswegen von seinem Schüler Franz Xaver Süßmayr vervollständigt wurde. Doch der Kern stammt von der früh verstorbenen Ikone der Klassik: Die bedeutungsschwanger hin und her wiegenden Streicher, deren flehender Klänge und der bald das Bild prägende, endzeitliche Choral. Und diese Zutaten vergisst man nie mehr, hat man sie einmal in den Ohren.
78.
Ramble Tamble
Creedence Clearwater Revival
Cosmo's Factory
1970
Waren CCR Zeit ihres Bestehens hauptsächlich für ihre knackig-kurzen Swamp-Rock-Gassenhauer und so manch melancholische Ballade bekannt, ist bei Ramble Tamble wohl die Ambition mit ihnen durchgegangen. Wie unfassbar großartig das werden würde, war wahrscheinlich den Beteiligten selbst kaum klar. Jedenfalls wurde ein siebenminütiges Epos daraus, das zwar bandtypisch schon als dahingaloppierender Blues Rock mit Riff zum Niederknien beginnt und endet. Dazwischen erlebt man aber einen markanten Tempowechsel und infolgedessen einen sphärischen, spacig-psychedelischen Instrumentalpart, in dem Fogerty ein geniales Solo auspackt und man sich mit anschwellendem Riff und Getrommel sowie der steten Keyboardmelodie nur langsam wieder der angestammten Geschwindigkeit annähert. Ein einzigartiger Auftritt der Band und ein Beleg ihrer unglaublichen Qualitäten.
77.
All Along The Watchtower
The Jimi Hendrix Experience
Electric Ladyland
1968
Die Sache ist die: Wer einen Song von Bob Dylan hernimmt und ihn um mehrere Ecken besser macht, als er im Original gewesen ist, muss eigentlich so unpackbar richtig unterwegs sein, dass es nicht mehr viel dazu zu sagen gibt. Überraschend ist es auch nicht sonderlich. Immerhin hat bei All Along The Watchtower Jimi Hendrix zugegriffen und also einer, der Dylan nicht nur in Sachen stimmlicher Leidenschaft in den Schatten stellen konnte, sondern der aus der Gitarre so viel herauszuholen wusste, dass man darüber fast vergessen konnte, wie beschlagen das Duo an Bass und Drums hinter ihm eigentlich war. Da sie das aber waren und auf der finalen Hendrix-LP dann auch die klangliche Finesse ein kaum zu steigerndes Maß erreicht hatte, ist nichts geblieben außer ein grenzenlos atmosphärisches Rock-Denkmal.
76.
Fight The Power
Public Enemy
Do The Right Thing: Original Motion Picture Soundtrack
1989
Eines der wichtigsten Exemplare des Hip Hop ist es zweifelsfrei und mehr als nur nebenbei das wahrscheinlich größte, nachhallendste und schlicht beste politische Statement, das das Genre je erlebt hat. So nebenbei ist es aber eine Herausforderung sondergleichen, dieser textlich aggressiven, kompromisslosen Hymne musikalisch beizukommen. Als Collage geht es fast nicht mehr durch, was das Bomb Squad da zusammengestückelt hat. Eine endlose Armada an Samples begegnet einem von der ersten bis zur letzten Sekunde, wird allerdings in Form nur sekundenlanger Bruchstücke so exzellent vereint, dass daraus eine dynamisch-funkige Explosion ensteht. All das, ohne dass man das Gefühl bekäme, da wäre ein Song zu Tode gebastelt worden durch eine Besessenheit mit jedem Einzelteil. Stattdessen wird aus der Hüfte geschossen, springen einem einzelne Sounds und Gesangsschnipsel aus dem Nichts entgegen, macht die Percussion erratische Sprünge, sind Scratches mal hier, mal da, taucht plötzlich Jazz-Größe Branford Marsalis am Saxophon auf. Der Song hat im Grunde genommen alles und davon zu viel, ist aber gerade deswegen unschlagbares Handwerk.
500 - 476 | 475 - 451 |
450 - 426 | 425 - 401 | 400-376 | 375 - 351 | 350 - 326 | 325 - 301 | 300 - 276 | 275 - 251
250 - 226 | 225 - 201 |
200 - 176 | 175 - 151 | 150 - 126 | 125 - 101 | 100 -
76 | 75 - 51 |
50 - 26 | 25 - 1