The Cure - The Cure

 

The Cure

 

The Cure

Veröffentlichungsdatum: 29.06.2004

 

Rating: 4.5 / 10

von Mathias Haden, 29.09.2014


Einige Lichtblicke bewahren das eponyme zwölfte Studioalbum vor der Bruchlandung.

 

Habt ihr schon gehört? Es gibt die skurrilsten Wetten, die man abschließen kann. Ob auf ein Elvis-Comeback oder den Zeitpunkt der Menschenankunft am Mars, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Wäre ich dreißig Jahre älter, hätte ich mein Glück und Geld vielleicht nicht wie andere in Immobilien oder Aktien gesteckt, sondern in die morbide Wette, Robert Smith würde das aktuelle Jahrtausend wohl nicht mehr erleben. Fortuna für alle Beteiligten, Smith erfreut sich allerbester Gesundheit und ich habe neben vielen Jahren noch ein bisschen an Kies (naja) in petto. Und wer weiß, wie gut da überhaupt die Quoten gestanden wären…

Wie auch immer, The Cure und ihr verschrobener Frontmann haben es also ins Jahr 2004 (und auch 2014) geschafft, wo sie nach einem starken Bloodflowers, welches sie zurück zu den Wurzeln katapultieren konnte, der nächsten Talentprobe standhalten müssen.

 

Der Prüfstein 'zwölftes Album' heißt The Cure und bietet neben 12 Tracks auf der Standardedition erstmals eine gesunde Portion Härte. Man kann der wechselhaften Gefolgschaft Smiths nicht vorwerfen, nicht viel experimentiert zu haben (man erinnere sich nur an die psychodelischen Ausflüge von The Top), aber dieser ruppige Ton ist zumindest auf Albumlänge ein Novum. Bereits der Opener Lost schraubt die sonst immerzu präsenten Keyboards herunter, füllt die entstandene Klanglücke durch wenig melodische, harte Riffs. So läuft das Schema auch anders wo: kaum Atmosphäre, gedrückter Gitarrensound und ein Smith, der sich zwar reinhängt und den leidenschaftlichen Schreihals gibt, aber irgendwie das Gefühl der Einschätzung seiner Songs verloren hat und so in seiner Dramatik zumeist übers Ziel hinausschießt. Gerade die zentrale, weil mit 10 Minuten ewiglange Nummer The Promise wird so zu einer wahren Gedulds- und Nervenprobe, dank einem ähnlichen Spannungsbogen wie bei einer alten 'Eine himmlische Familie'-Episode furchtbar belanglos und schlicht langweilig. Spätestens hier merkt man auch, dass der anvisierte Live-Effekt, auf den die Band mit der Live-im-Studio-Einspielung aus war, zwar interessant in seiner Intention, aber wenig ergiebig in seiner Ausführung ist. Viel zu dumpf und viel zu aufdringlich Smiths Gesang, der sich ein wenig zu sehr in den Vordergrund abgemischt hat. Die brachiale Härtedemonstration Us Or Them gerät mit Smiths erratischem Auftreten zu einem verstörenden Hörerlebnis, das musikalisch weit bessere Labyrinth mit seiner groovenden Bassline und dem verzerrten Gesang klingt zwar in der Theorie interessant, wirklich Freude aufkommen will aber doch nicht.

 

Ihr besseres Gesicht zeigt die Band bei ihren charakteristischen Pop-Songs, die auch auf Wish nicht deplatziert gewesen wären. Die Single The End Of The World, von Cure-Fans auf der ganzen Welt geschmäht und verpönt, wird mit Zeilen wie

 

"Maybe we didn't understand

It's just the end of the world

Maybe we didn't understand

Not just a boy and a girl

It's just the end of the, the end of the world"

 

keinen Literaturpreis einheimsen, erinnert aber immerhin an gute alte Friday I'm In Love-Zeiten. Der gelungenste Ausflug in sanfte Pop-Wirkungskreise gelingt mit dem verträumten Before Three, das allein schon durch Simon Gallups starkes Bassspiel Punkte sammelt, zusätzlich wissen noch das melodische, mit starkem Gitarrenpart versehene Taking Off und das zurückhaltende (I Don’t Know What’s Going) On mehr oder weniger zu überzeugen. Dazu gesellt sich dann mit dem melancholischen Closer Going Nowhere noch ein strahlender Lichtblick, der uns an alles erinnert, warum wir diesem obskuren Wuschelkopf und seiner Truppe jemals aus der Hand gefressen haben. Diese drei Minuten (welcome back, keyboards!) sind jedenfalls mit das Beste, was das Quintett seit 1989 so aus dem Köcher gezogen hat. Spät, aber doch, der fällige Hoffnungsschimmer.

 

Ansonsten gibt das eponyme Album nicht viel Grund zum Jubeln her. Wer beim Durchstöbern der Tracklist nur partiell glücklich wird wie ich, der suche woanders nach einem rettenden Strohhalm. Was - oder besser gesagt wer - letztlich nämlich noch positiv heraussticht: Drummer Jason Cooper, der Tracks wie das lauwarme Never vor der Pleite retten und mit seinem aufmerksamen Spiel die Gesamtperformance der Band in ein besseres Licht rücken kann.

Robert Smith, der sehr präsente Gitarrist Perry Balmonte, Simon Gallup (Bass), Jason Cooper (Drums) und der eigentlich gar nicht präsente Keyboarder Roger O’Donnell kommen mit dem Projekt 'The Cure' im Jahr 2004 mit viel Härte, erdrückenden Gitarren und ohne die fast durchwegs im Keller verstauten 80s-Keyboards als geerdete Rockband aus der Gothic-Lethargie des Vorgänger zurück. Gemessen an diesem kann man The Cure aber nur als große Enttäuschung werten. Der neue, organischere Sound funktioniert nämlich nur sehr sporadisch in Verbindung mit dem hyperaktiven Häuptling, der gern mal den Alleinunterhalter gibt.

 

Vielleicht habe ich das selbstbetitelte, zwölfte Studioalbum der Briten aber auch ebenso falsch verstanden wie das umjubelte Zweitwerk Seventeen Seconds, ich muss hier jedenfalls ein wenig den Spielverderber mimen und auf die Euphoriebremse drücken. Durch einige feine Momente gerät die LP zwar nie in Gefahr, ein Totalausfall zu werden, für eine Band, die Landmarken wie The Head On The Door oder Disintegration auf der Visitenkarte stehen hat, ist das aber viel, viel, ja viel zu wenig.

 

Anspiel-Tipps:

- Before Three

- Taking Off

- Going Nowhere


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